Schwarze Zahlen erst im Jahr 2018: Opel-Chef Karl-Thomas Neumann im Interview
Der Weg in die Gewinnzone ist für Opel-Chef Neumann länger als geplant. Dieses Jahr klappe es erneut nicht, sagt er. Archivfoto: dpa
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
RÜSSELSHEIM - Auf das Wochenende freue er sich, sagte Opel-Chef Karl-Thomas Neumann beim Gehen: Da werde er mal wieder mit dem Ampera-e unterwegs sein, Türöffner für die Rüsselsheimer beim Thema Elektromobilität. Beim Gespräch mit dem Lenker der GM-Tochter standen Modellpolitik sowie Ertrags- und Beschäftigungssituation im Mittelpunkt.
Herr Neumann, 2016 hat Opel die schwarzen Zahlen verfehlt. Wann ist es denn nun wirklich soweit?
Ohne den Brexit hätten wir 2016 erstmals seit 16 Jahren einen Gewinn erzielt. Ich gebe aber zu, dass ich enttäuscht bin, dass es am Ende nicht ganz gereicht hat. Denn die für 2016 geplante Rückkehr in die Gewinnzone war ein ganz wesentlicher Teil unserer Strategie "Drive 2022". An diesem Ziel haben wir trotz mehrerer Krisen festgehalten. Allein die Währungsbelastungen durch das Pfund lagen aber am Ende bei 300 Millionen Dollar.
Wie gehen Sie nun vor?
Wir müssen unsere Profitabilität steigern: durch Kostensenkungen und mit den neuen Produkten - allein sieben im laufenden Jahr. So wollen wir weniger verwundbar werden für äußere Einflüsse. Diese Entwicklung müssen wir beschleunigen, denn eines ist auch klar: Die Belastung durch den Brexit wird noch einmal zunehmen, für das gesamte Jahr 2017 wird sie bei rund 600 Millionen Dollar liegen.
ZUR PERSON
Dr. Karl-Thomas Neumann wurde am 1. April 1961 im niedersächsischen Twistringen geboren. Er studierte Elektrotechnik und startete seine berufliche Karriere unter anderem bei Motorola Semiconductor. 1999 wechselte er zu VW als Leiter Forschung und Direktor Elektronik-Strategie. 2004 heuerte Neumann als Vorstandsmitglied beim Zulieferer Continental an, 2008 wurde er Vorstandschef. Nach einem Machtkampf mit Conti-Großaktionär Schaeffler kehrte er 2009 zu VW zurück. Neumann arbeitete sich zum Chef des Chinageschäfts hoch, wurde jedoch 2012 abgelöst. Seit März 2013 führt er die Geschäfte der GM-Tochter Opel. Der Vater dreier Kinder ist leidenschaftlicher Marathonläufer.
Kann man nicht gegensteuern?
Wir verkaufen in England fast 300 000 Autos, aber bauen dort "nur" 190 000. Da ist ein Ungleichgewicht. Aber der größere Faktor ist, dass die große Mehrheit der Teile vom Festland kommt und diese in Dollar oder Euro eingekauft werden. Die Wertschöpfung in Pfund ist also vergleichsweise niedrig. Im Rahmen der globalen GM-Finanzstrategie sind wir zudem nur begrenzt gegen Schwankungen beim Pfund abgesichert. Eine Maßnahme war daher, die Preise in England in bisher drei Schritten zu erhöhen.
Wann kommt denn nun die Rückkehr in die Gewinnzone?
2017 erwarten wir ein Ergebnis, das in etwa in der Größenordnung des Jahres 2016 liegen wird. Im Jahr 2018 wollen wir dann jedoch endlich die Gewinnschwelle erreichen.
Sieht man das bei GM auch so?
In Detroit sieht man, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es wird anerkannt, wie wir etwa gegen die Folgen des Brexit kämpfen. Aber natürlich wird erwartet, dass wir weiterhin Fortschritte machen - zumal General Motors kräftig in Opel investiert.
Wo muss Opel schneller werden?
Zum einen bei der Kostenreduzierung: Da werden wir an den entsprechenden Schrauben drehen. Zum anderen bei der Einführung neuer Produkte. Und hier sehe ich uns auf einem guten Weg. Was mit dem Astra angefangen hat, geht dieses Jahr mit Vollgas weiter. Unsere sieben Neuheiten müssen sitzen, jedes Auto muss ein Erfolg werden.
Wo sehen Sie sonst noch Verbesserungspotenziale?
Wir stellen uns in der Produktion effizienter auf. So konzentrieren wir uns bei Corsa und Mokka ab 2019 auf die Produktion in jeweils nur einem Werk. Prozesse werden einfacher und effizienter. Damit kann man die Produktion besser auslasten. Auch in Rüsselsheim haben wir mit dem gegenwärtigen Zweischicht-Betrieb noch Potenzial. Und: Jedes unserer Autos muss Geld verdienen, das war in der Vergangenheit nicht bei allen Modellen der Fall.
Wo liegen denn die Prioritäten in der Entwicklung?
Wir haben 7700 Ingenieure in Rüsselsheim, im vergangenen Jahr kamen 340 hinzu. Wir sind damit das zweitgrößte Entwicklungszentrum von GM. Dieses Know-how und diese Innovationskraft werden auch benötigt - vor allem um die strengen Emissionsvorgaben erfüllen zu können. Hieran arbeiten unsere Ingenieure mit Hochdruck. Letztlich wird die Autoindustrie aber auch die Zahl der Motorvarianten reduzieren müssen, weil der Aufwand für die heutige Vielzahl an Motoren nicht mehr vertretbar ist.
Der Anteil von Elektromobilität soll ja steigen, entlastet also ...
Ganz klar: Die Zukunft ist elektrisch. Mit dem Ampera-e mit seiner Reichweite von 520 Kilometern setzen wir den Benchmark. Es ist das erste voll alltagstaugliche Elektroauto. Und in der Planung sind noch weitere elektrische Modelle.
Aber die Elektromobilität wird wohl Jobs kosten, weil die aufwendigen Verbrenner wegfallen und nur einige neue für die neue Technik entstehen - auch in Deutschland?
Über konkrete Zahlen zu sprechen, ist heute schwierig. Zunächst haben wir 2016 kräftig aufgebaut, in Europa um 2500 auf 38 200 Frauen und Männer, viele ausgelagerte Tätigkeiten wurden zurückgeholt. In Rüsselsheim stieg die Zahl der Opelaner um 850 auf etwa 15 000.
Wie geht es beim Personal generell weiter?
Die ganze Industrie verändert sich so radikal, dass wir unsere Strategien ständig hinterfragen und gegebenenfalls anpassen: weniger Verbrenner, weniger Komplexität und dafür Investitionen in neue Mobilitätskonzepte wie Sharing und Autonomes Fahren. Das wird auch Auswirkungen auf die Arbeit von allen in der Automobilindustrie haben. Wie genau, kann heute aber noch niemand genau prognostizieren.
Ein Name darf nicht fehlen: US-Präsident Trump. Was ist da für Opel zu erwarten?
GM-Chefin Barra sitzt im erweiterten Beraterkreis führender Wirtschaftsvertreter, das mit der US-Administration im Austausch ist - das ist wichtig. Grundsätzlich gilt: Protektionismus wäre für eine globale Branche wie die Autoindustrie ein großes Problem.
Das Interview führten Friedrich Roeingh, Achim Preu und Ralf Heidenreich.