Kuli-Hersteller Senator in Groß-Bieberau schrumpft sich fit
Der Werbeartikel-Spezialist steht wieder auf eigenen Füßen. Der bisherige Geschäftsführer hat die Firma vom Finanzinvestor Perusa übernommen und peilt wieder Gewinn an. Mit fragwürdigen Methoden, findet die Gewerkschaft.
Von Anja Ingelmann
Reporterin Wirtschaft Südhessen
Der Sanierungskurs zeigt Wirkung: Die Senator-Gruppe will wieder zurück in die Gewinnzone.
(Foto: Joaquim Ferreira)
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GROSS-BIEBERAU - Im kommenden Jahr feiert die Senator-Gruppe ihr 100-jähriges Bestehen – und das soll gefeiert werden. Das Jubiläum des Traditionsunternehmens aus Groß-Bieberau, das sich zu den führenden Herstellern von Schreibgeräten und Tassen für die Werbeartikelbranche zählt, ist dann wohl nicht der einzige Grund. Denn nach einer Durststrecke blickt das Unternehmen wieder positiv in die Zukunft. Der Sanierungskurs nach der Übernahme durch den Finanzinvestor Perusa habe Wirkung gezeigt, heißt es aus der Chefetage. Zudem befindet sich der Betrieb seit Ende 2018 wieder „in Familienhand“, was für Mitarbeiter wie Kunden ein Stück Planungssicherheit sei. Inhaber ist nun Daniel Jeschonowski, der schon 2016 das Ruder bei Senator übernahm, damals noch als Geschäftsführer unter Perusa. In den drei Jahren im Unternehmen habe er eine große persönliche Verbundenheit zum Unternehmen aufgebaut, sodass er den Betrieb dem Finanzinvestor abkaufte.
Von Anfang an fegte mit dem 37 Jahre alten Manager, der zuvor in der militärischen Luftfahrt und für ein kleineres Sanierungsunternehmen aus den USA tätig war, ein frischer Wind durch den Betrieb. „Wir wussten, wo wir hinwollten und das haben wir umgesetzt“, so Jeschonowski.
Rund 200 Jobs am Stammsitz sind geblieben
So sollten die Kosten drastisch reduziert werden, was einen massiven Stellenabbau mit sich brachte. Nachdem anfangs rund 100 Jobs auf der Streichliste standen, waren es nach Angaben des Unternehmens 80 abzubauende Stellen. Von ehemals rund 260 Beschäftigten am Hauptsitz in Groß-Bieberau blieben rund 200. Zudem habe man Prozesse effizienter gestaltet und so das Unternehmen auf neue Füße gestellt, berichtet Börries Harms, Leiter Finanzen.
99 JAHRE TRADITION
Der Schreibgeräte-Hersteller mit Sitz in Groß-Bieberau wurde 1920 mit dem Firmennamen Merz und Krell gegründet. Um auch in internationale Märkte einzutreten, benannte sich das Unternehmen in Senator um. Vor Jahren übernahm man den damals in Schieflage geratenen Werbemittel-Versandhändler Hach AG.
Im Jahr 2016 verkaufte die Merz-Gruppe (von „Merz Spezial Dragees“), die auch einen Produktionsstandort in Reinheim unterhält, Senator an den Finanzinvestor Perusa – damals mit knapp 50 Millionen Euro Umsatz und 350 Mitarbeitern, davon 260 in Groß-Bieberau. Der Pharmahersteller wollte sich aufs Geschäft mit Ästhetik und Neurotoxinen konzentrieren, Senator passte da nicht mehr ins Programm.
Ende 2018 übernahm Daniel Jeschonowski die Firma, die er zuvor als Geschäftsführer unter Perusa leitete. (ain)
Nach einigen Jahren mit Verlusten ist die Gewinnzone wieder in Reichweite. Das Jahr 2017 schloss die Firmengruppe mit knapp 40 Millionen Euro Umsatz ab, darin enthalten sind auch die Erlöse der Tochtergesellschaften in England, Frankreich, den Benelux-Ländern und Indien. Mit seinen Produkten ist Senator heute in 100 Ländern vertreten. Hauptgeschäft sind Kugelschreiber mit Werbeaufdruck, von denen man täglich rund eine Million produziert.
Parallel zum Sparkurs wurden allein am Stammsitz etwa drei Millionen Euro in neue Spritzgießmaschinen investiert. Die Konkurrenz durch Fernost sei nach wie vor da, doch mit kurzen Produktionszeiten und schneller Lieferung wolle man bei Kunden hierzulande punkten, erklärt Harms. 2019 wolle man „ein ausgeglichenes Ergebnis“ erzielen. Der Werbemittelmarkt sei seit Jahren stabil und habe zuletzt ein leichtes Wachstum verzeichnet.
Nach Meinung der Gewerkschaft IG BCE ist das angestrebte Wachstum teuer erkauft, denn der Zukunftsplan des Chefs erforderte von den Mitarbeitern einige Zugeständnisse, vor allem seit der Übernahme Ende des Jahres. Jeschonowski erhöhte die Wochenarbeitszeit von 38 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich, dazu soll fürs Jahr 2019 eine Nullrunde gelten. Gemäß Tarifvertrag steht aber eine Erhöhung an – also stieg Senator vor Kurzem aus dem Arbeitgeberverband aus. Die wichtigsten Eckpunkte wurden in einer Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag festgehalten, die alle Beschäftigten in den vergangenen Wochen unterschreiben sollten. Bis auf ein, zwei Ausnahmen sei dies geschehen. Der Chef wertet dies als Erfolg und als Zeichen für die Unterstützung seiner Mitarbeiter, bei der Gewerkschaft sorgt das Vorgehen jedoch für Unverständnis. Die angebliche Beschäftigungsgarantie bis 2021 sei nicht bindend, kritisiert Ernst Wollstadt von der IG BCE. Von einzelnen Mitarbeitern habe man zudem gehört, dass aus der Chefetage erheblicher Druck ausgeübt worden sei. In Form eines öffentlichen Aushangs sei dokumentiert worden, welche Abteilungen noch nicht unterschrieben hätten. Die Gewerkschaft spricht von „unmöglichen Zuständen“. Jeschonowski sagt, dass er mit seinem eingeschlagenen Weg den Standort und die Arbeitsplätze sichern und langfristig wachsen will.