Die Shampooflasche wird nachhaltig - auch in Südhessen
Südhessische Hersteller wollen Verpackungsmüll aus Kunststoff weiter reduzieren - dazu greifen sie verstärkt auf recycelten Kunststoff zurück.
Von Marina Speer
Statt auf neue Kunststoffe greifen immer mehr Hersteller auf recyceltes PET zurück.Foto: benqook/picsfivestock.adobe.com
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DARMSTADT/SEEHEIM-JUGENHEIM - Nachhaltige Produkte sind im Trend. Was für den Lebensmittelmarkt bereits recht lange gilt, ist in den vergangenen Jahren auch in der Kosmetikbranche angekommen. Lavera, Terra Naturi, Alverde oder Dr. Hauschka sind nur einige der Marken, die in immer mehr Einkaufskörben landen. Die Umsätze mit Naturkosmetik haben sich in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt. Mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro ist Deutschland der mit Abstand größte Markt in Europa. Inzwischen sind nicht nur nachhaltige Inhaltsstoffe bei Shampoo, Duschgel und Creme gefragt, sondern auch nachhaltige Verpackungen. Ziel ist es, das immense Volumen von 14,4 Millionen Tonnen Kunststoff, die 2017 in Deutschland produziert wurden, zu reduzieren.
Im Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit reagieren immer mehr Kosmetikunternehmen auf die Plastikflut. Der japanische Konsumgüterhersteller Kao mit Sitz in Darmstadt verwendet seit Anfang des Jahres für die Shampooflaschen der Marke Guhl zu 50 Prozent recyceltes Polyethylenterephthalat (rPET). Die Conditionerflaschen von Guhl bestehen zu 100 Prozent aus Polypropylen (PP) und sind damit leichter recycelbar als Kunststoffgemische. Das Unternehmen will mit dem Einsatz von recyceltem PET bei rund 15 Millionen in Europa jährlich verkauften Shampooflaschen rund 780 Tonnen CO² einsparen.
Knapp 60 Prozent muss wiederverwertet werden
Doch die Nachhaltigkeit steht offenbar im Spannungsfeld mit einer ansprechenden Optik und einer gesicherten Produktqualität. Denn:"Die Materialien müssen für kosmetische Produkte zugelassen sein, sich für den Produktionsprozess und die Produktanwendung eignen und in ausreichender Menge, Qualität und Preis verfügbar sein", zählt die Kao-Sprecherin Melanie Schnitzler auf. Der 50-prozentige Anteil an recyceltem PET aus recycelten Getränkeflaschen in Deutschland sei für das Shampoo optimal; ebenso die Verwendung von 100-prozentigem PP für den Conditioner. "Je höher der Anteil an recyceltem Kunststoff ist, desto mehr Einschlüsse und Farbabweichungen muss man in Kauf nehmen", erklärt Schnitzer. Für die Zukunft sei geplant, den Anteil zu erhöhen.
LIZENZGEBÜHREN
Nachhaltige Verpackungen schaffen für Unternehmen auch einen finanziellen Anreiz: Die Lizenzgebühren der Dualen Systeme, beispielsweise der Grüne Punkt, die jeder bezahlen muss, der Verkaufsverpackungen für Endverbraucher in Umlauf bringt und diese nicht selbst zurücknehmen kann, sind bei schlecht recycelbaren Verpackungen höher. (masp)
Die Haarpflegemarke Kemon, die von dem Seeheimer Unternehmen Wild Beauty GmbH exklusiv an Friseure vertrieben wird, geht noch einen Schritt weiter: Die Verpackung des Produkts Actyvabio besteht zu 100 Prozent aus recyceltem PET. Und beim Produkt Actyva setzen die Produzenten statt auf erdölbasierten Kunststoffen auf Zuckerrohr, einem erneuerbaren Rohstoff.
Für Professor Dr. Roger Weinlein vom Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik an der Hochschule Darmstadt sind diese Ansätze erst einmal gute Nachrichten. Denn: "Materialrecycling der beste Weg, mit alten Kunststoffen umzugehen." Bei der energetischen Verwertung, sprich Verbrennung, gehe dagegen ein Teil der Energie, welche für die Produktion aufgewendet werden musste, verloren. Mit der neuen Verpackungsverordnung, die seit Januar gilt, müssen zukünftig 58,5 Prozent werkstofflich verwertet werden, also die alten Kunststoffe aufbereitet und wiederverwertet werden. Bislang wurden laut Umweltbundesamt über die Hälfte der Kunststoffabfälle verbrannt.
Mit der Wiederverwertung von PET-Flaschen griffen die Kosmetikunternehmen aber gleichzeitig in einen Kreislauf ein, der bereits vorher funktioniert hat, sagt Weinlein. "Durch das Pfandsystem ist das Recyclingproblem bei Einwegflaschen in Deutschland und in Europa so gut wie gelöst." PET lande heute schon nur in geringen Mengen in Müllverbrennungsanlagen - auch ohne die Wiederverwertung durch die Kosmetikindustrie.
Bei Wella in Darmstadt - die Marke gehört heute zum Kosmetikkonzern Coty - gab es bereits Anfang der 90er Jahre mit dem Shampoo Sanara eine kompostierbare Flasche aus Biopolymer. Damals wurde sie relativ schnell wieder aussortiert. "Die Marktrealität hat gezeigt, dass Nachhaltigkeit zu dieser Zeit nicht so eine große Priorität bei den Verbrauchern hatte wie heute", sagt Sprecherin Britta Meys. Auch Coty arbeitet daran, den Kunststoffverbrauch bei Verpackungen im Sinne der Umwelt zu reduzieren. "Letztendlich entscheidet aber der Verbraucher", sagt Professor Weinlein. Denn Nachhaltigkeit hat oft auch ihren Preis.