Die Schuld der SUVs: Der Vorteil von Diesel-Autos verpufft
Der Diesel-Skandal hat den Ausstoß von Stickoxiden in den Fokus gerückt. Mindestens genauso intensiv wird die Debatte um ein anderes Gas geführt: Kohlendioxid (CO2). In Deutschland soll der CO2-Ausstoß drastisch sinken, doch das Gegenteil ist der Fall. Verantwortlich dafür ist der Verkehr.
Von Ralf Heidenreich
Leiter Redaktion Wirtschaft
Treibhausgase und Schadstoffe aus dem Auspuff.
Quelle: WeltN24 2015, Umweltbundesamt 2016
Graphik: VRM/si
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BERLIN - Der Diesel-Skandal hat den Ausstoß von Stickoxiden in den Fokus gerückt. Mindestens genauso intensiv wird die Debatte um ein anderes Gas geführt: Kohlendioxid (CO2). Grundsätzlich für unseren Planeten überlebensnotwendig, ist es in zu hoher Konzentration einer der großen Treiber des Klimawandels. In Deutschland soll der CO2-Ausstoß drastisch sinken, doch leider ist das Gegenteil der Fall: 2016 stiegen die Treibhausgas-Emissionen, an denen CO2 einen Anteil von knapp 90 Prozent hat, nach Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) um 3,8 Millionen auf 905,9 Millionen Tonnen.
Verantwortlich dafür ist der Verkehr. Laut UBA sanken die Emissionen der Kraftwerke kräftig um 3,3 Prozent sowie der Landwirtschaft leicht um 0,1 Prozent, während die Privathaushalte mit 1,5 Prozent geringfügig mehr Treibhausgase ausstießen. Im Verkehrssektor – alle Verkehrsträger zusammengenommen – stand dagegen ein Plus von satten 5,4 Prozent auf 160,8 Millionen Tonnen zu Buche.
2015: 45 Millionen Tonnen CO2 durch Dieselfahrzeuge
Der Schuldige schien schnell gefunden: „Der Anstieg der Verkehrsemissionen geht vor allem darauf zurück, dass mehr Diesel getankt wurde und der Straßengüterverkehr um 2,8 Prozent gewachsen ist“, teilte das UBA mit. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Dessauer Umweltbehörde erklärt es so: Die Motoren seien für sich genommen zwar effizienter geworden, doch dieser Effekt sei durch das Verkehrswachstum, aber auch durch den Trend zu großmotorigen Autos verpufft.
Diesel effizienter
Dieselmotoren sind in der Regel weniger durstig als vergleichbare Benzinaggregate. Sie benötigen dem TÜV Nord zufolge mitunter deutlich weniger Sprit, weil Diesel eine höhere Energiedichte hat und Selbstzünder das Luft-Kraftstoff-Gemisch wesentlich höher verdichten. Diese bessere Ausnutzung der Energie bewirkt eine gegenüber Benzinern höheren Wirkungsgrad - bis zu 45 Prozent gehen in den Antrieb der Rest ist Wärme. Doch die Benziner holen mehr und mehr auf.
Und dieser Trend gilt vor allem für Diesel-Fahrzeuge. Einer Studie des Car-Instituts von Ferdinand Düdenhöffer zufolge ist 2016 die durchschnittliche PS-Zahl bei den Benziner-Neuzulassungen gegenüber 2015 von 125 auf 135 PS gestiegen, beim Selbstzünder von 156 auf 163 PS. Der Grund: Die niedrigere Mineralölsteuer macht Diesel-Treibstoff deutlich günstiger als Benzin und lässt die Fahrer der Selbstzünder nicht so auf den Verbrauch schauen. Bullige SUVs lassen grüßen.
Die Automobilindustrie bezeichnet den Diesel als unverzichtbar zur Erreichung der Klimaziele. Wie sehen die konkreten Zahlen aus? Laut UBA stießen Diesel-Pkw 2015 rund 45 Millionen Tonnen CO2 aus. Das entspricht gut fünf Prozent aller CO2-Emissionen in dem Jahr. Aus dem Benziner-Auspuff kamen 2015 rund 50 Millionen Tonnen – und damit nur elf Prozent mehr CO2 als beim Diesel. Dessen großer Vorsprung früherer Jahre schmilzt dahin. Und schließlich löst sich der Vorsprung aus 2015 in Luft auf, wenn man berücksichtigt, dass die Selbstzünder am gesamten Pkw-Bestand in Deutschland einen Anteil von nur einem Drittel haben.
Neue Feinstaub-Debatte bei Benzin-Direkteinspritzern
Stoßen Diesel also mehr CO2 aus als Benziner? Ja und nein. Ja, weil Diesel immer bulliger und stärker werden, während es bei den Benzinern im Vergleich mehr Kleinwagen gibt. Ja, weil, wie Experte Dudenhöffer anmerkt, Diesel deutlich mehr gefahren werden. „Sie werden für Fuhrparks bevorzugt, deren Laufleistung im Schnitt bei 30.000 Kilometer und mehr im Jahr liegt.“ Nein, weil der Diesel gegenüber einem vergleichbaren Benziner derzeit noch weniger verbraucht und daher unterm Strich weniger CO2 ausstößt (Gründe siehe Info-Kasten). Das gilt physikalisch als unbestritten, lässt sich aber nur im Realverkehr-Vergleich genau ermitteln, da die Hersteller meist einen viel zu niedrig Verbrauch angeben.
Wegen der drohenden Fahrverbote und dem ganzen Durcheinander des Diesel-Skandals sind viele Autofahrer verunsichert – und überlegen, auf den Otto-Motor umzusteigen. Aber auch bei diesem steht eine große Schadstoff-Debatte vor der Tür – und zwar um Feinstaub. Expertenprognosen zufolge war 2016 jeder zweite zugelassene Benziner ein Direkteinspritzer. Und die stoßen, wie Untersuchungen ergaben, in bestimmten Fahrsituationen bis zu vier mal mehr Rußpartikel aus als erlaubt.
Der TÜV Nord hat zudem ermittelt, dass bei Benzin-Direkteinspritzern der Ausstoß der besonders kleinen und daher unter Umständen besonders gefährlichen Nanopartikel um einen Faktor von bis zu 1.000 steigt. Im September kommt die verschärfte Schadstoffnorm Euro 6c. Und um die zu schaffen, brauchen künftig immer mehr Benzinmotoren etwas, das man bisher eigentlich vom Diesel kannte: einen Partikelfilter.