Mit einem Clown an Bord - Was macht eigentlich Ansgar Brinkmann?
Es gibt viele Geschichten über Ansgar Brinkmann, den doch eigentlich jeder nur den „weißen Brasilianer“ nennt. Dass diese Geschichten immer wieder erzählt werden, liegt auch an Brinkmann selbst, der sie natürlich immer wieder gerne auftischt.
Von Max Sprick
Wenn jemals ein Fußballer ein Buch schreiben sollte, dann wohl Ansgar Brinkmann (li). „Wenn ich du wäre, dann wäre ich lieber ich“, heißt sein neuestes Werk – eine Sammlung Radio-Kolumnen. Foto: imago
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MAINZ - 112 Jahre ist Mainz 05 alt. Zumindest die jüngere Vereinsgeschichte lässt sich in genau zwei Phasen unterteilen: vor und nach Jürgen Klopp. Seit er vom Spieler zum Trainer umfunktioniert worden ist, hat der Verein eine erstaunliche Entwicklung hingelegt. Mittlerweile erlebt er seine elfte Saison in der Bundesliga, spielt in einer neuen Arena vor zehntausenden Menschen. Zu dieser Entwicklung haben viele andere beigetragen. Die einen mehr, die anderen weniger. In unserer Serie „Was macht eigentlich...?“ erzählen wir, was aus den kleinen und großen Helden von einst geworden ist.
Nach einem Training am Bruchweg, irgendwann in der Saison 1994/95, nahm der damalige Trainer Hermann Hummels seine beiden Mittelfeldspieler Thomas Ziemer und Ansgar Brinkmann zur Seite und machte sie zu Babysittern. Ob sie nicht noch ein bisschen mit seinen beiden Söhnen kicken könnten, fragte Hummels. Er hatte noch zu tun und keinen Aufpasser. Also schnappten Ziemer und Brinkmann sich die beiden Jungs, der ältere muss fünf, sechs Jahre alt gewesen sein, und spielten sich mit den Kindern Bälle zu. „Nach ein paar Pässen meinte Thomas dann: ‚Guck dir den Älteren an, Ansgar! Den kannst du beim Laufen malen, so langsam ist der!’“, erzählt Brinkmann heute, mehr als zwanzig Jahre und einen Weltmeistertitel für Mats Hummels, den damals Fünf- oder Sechsjährigen, später.
Es gibt viele Geschichten über Ansgar Brinkmann, den doch eigentlich jeder nur den „weißen Brasilianer“ nennt. Dass diese Geschichten immer wieder erzählt werden, liegt auch an Brinkmann selbst, der sie natürlich immer wieder gerne auftischt. Warum auch nicht? „Wir hatten schon eine Menge Spaß damals. Das meiste, was ich erlebt habe, wäre heute doch gar nicht mehr möglich“, sagt er, „Gott sei Dank gab es zu unserer Zeit noch keine Fotohandys.“
Wenn jemals ein Fußballer ein Buch schreiben sollte, dann wohl Ansgar Brinkmann (li). „Wenn ich du wäre, dann wäre ich lieber ich“, heißt sein neuestes Werk – eine Sammlung Radio-Kolumnen. Foto: imago Foto: imago
Das Mainzer Dress trug er zwei Jahre lang. Archivfoto: K. Benz Foto:
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Ein Fußballer-Frühstück mit 140 Flaschen Sekt
Sonst gäbe es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Menge bildlicher Belege von der anderen Geschichte über ihn und Ziemer, die die beiden Anfang der 90er in Mainz erlebten. Als Brinkmann bei Ziemer zum Frühstück eingeladen war. „Frühstück beim Thomas bedeutete immer Sektfrühstück“, sagt Brinkmann. Und es bedeutete, dass sie nicht alleine speisten. Wie viele Leute dabei waren, weiß er nicht mehr genau. Aber am Ende des Frühstücks hatte die Gesellschaft 140 Flaschen Sekt vernichtet, erzählt Brinkmann. Womit der Spaß längst nicht vorbei war. „Dann lief uns ein Student über den Weg, der sich als Clown etwas Geld dazu verdiente – wir gaben ihm spontan 200 Mark und engagierten ihn.“ Brinkmann, Ziemer und der Clown fuhren dann in Ziemers Porsche-Cabrio durch die Innenstadt. „Und plötzlich stand an einer roten Ampel ein Vorstandsmitglied der 05er neben uns.“
Über das, was Ansgar Brinkmann in seinen fast 20 Jahren als Fußballprofi auf seinen insgesamt 16 Stationen erlebt hat, schrieb er 2011 ein Buch. Es heißt, natürlich, wie er: „Der weiße Brasilianer.“ Wer es im Schrank stehen hat, kann sich heute glücklich schätzen – als gebundene Ausgabe ist es längst ausverkauft. Man kann es gebraucht im Internet kaufen, auf Amazon fängt es aktuell bei 178 Euro an. „Ich Vollidiot habe nicht mal selbst eins“, sagt Brinkmann.
Vor einer Weile überlegte er, ob er es sich bei eBay ersteigert. „Aber der Verkäufer wollte damals 98 Euro haben.“ Ob das Buch neu aufgelegt wird, steht in den Sternen. Vor etwas mehr als einem Monat erschien sein zweites Buch. „Wobei ich damit keine Sekunde Arbeit hatte“, sagt Brinkmann. „Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich“ ist eine Sammlung seiner Radio-Kolumnen, die er seit vier Jahren jeden Samstag bei 1Live, dem reichweitenstärksten Radiosender Europas, erzählt. Da redet der frühere Mittelfeldspieler über das, was aktuell so im Fußball los ist, und verbindet es mit seinen Erinnerungen. „Eigentlich waren nur zwei Sendungen geplant, aber scheinbar kommt das ganz gut an.“
Mit Gips am Bein Vertrag unterschrieben
Ab und an redet er auch über Mainz 05, klar, er hatte zwei wunderbare Jahre am Bruchweg, sagt er. Die 05er hatten ihn damals aus der Oberliga Westfalen geholt, wo der Blondschopf mit Preußen Münster die Aufstiegsrunde erreicht hatte. Trainer Siegfried Melzig hatte Kontakte nach Mainz und vermittelte diese. Nur: Kurz vor Saisonende verletzte sich Brinkmann, Anriss im Wadenbein. „Ich bin dann mit Gipsbein nach Mainz und habe meinen Vertrag unterschrieben“, erinnert er sich, „die Verantwortlichen haben in mich vertraut, obwohl klar war, dass ich die ersten Spiele verpassen würde.“
Das rechnet er dem Verein heute noch hoch an. Genauso, wie er bereut, ihn nach zwei Saisons und 55 Zweitliga-Spielen schon wieder verlassen zu haben. Im Sommer 1995 kehrte Brinkmann zurück zu Preußen Münster. „Das war nicht so clever von mir“, sagt er. Der „weiße Brasilianer“ kehrte heim einer damaligen Liebe wegen. „Ich war aber auch nicht so gut beraten, wie es die jungen Fußballer heute sind.“ Und genau aus dieser Erfahrung hat Brinkmann gelernt. Er arbeitet heute immer noch im Fußball, aber eher hinter den Kulissen. „Ich nutze mein Netzwerk“, sagt er. Ob als Vermittler, Berater oder Scout, so genau will er sich nicht festlegen. „Ich mache immer das, worauf ich gerade Lust habe, aber weiß nicht mal, was ich in zwei Stunden tue.“
Brinkmann schickte Podolski nach Japan
Auf einen konkreten Job aber ist der heute 47-Jährige dann doch zurecht stolz: Er hat wieder mit einem Weltmeister zu tun. Nicht als Babysitter, sondern als Berater. „Den Transfer von Lukas Podolski von Galatasaray Istanbul nach Japan habe zu 100 Prozent ich gemacht“, sagt er. Podolski und Brinkmann kennen sich schon lange und im Winter habe der 130-fache Nationalspieler in die USA wechseln wollen. „Aber die Major League will sich umstrukturieren“, sagt Brinkmann, „die wollen ihre Liga stark machen und eher jüngere Spieler verpflichten.“
Und von China, dem anderen gerade angesagten Exportland für namhafte Kicker, riet Brinkmann Podolski ab. „Ich sagte ihm: ‘Geh nach Japan, das ist nicht nur sportlich, sondern auch menschlich ein Abenteuer.’ Ein ziemlich gut bezahltes Abenteuer obendrein.“ 17 Millionen Euro bekomme Podolski für die kommenden zwei Jahre. Netto. „Personalpolitik kann ich“, sagt Brinkmann. Daher schließt er auch nicht aus, irgendwann wieder in den Vordergrund des Fußballs zu treten. Als Inhaber der A-Lizenz könnte er Trainer werden, „aber auch ein Job als Sportdirektor würde mich reizen“. Wie Ansgar Brinkmann wohl mit einem Spieler wie Ansgar Brinkmann umgehen würde?