FRANKFURT - 80 Minuten sind im Berliner Olympiastadion gespielt, da legt sich Lajos Detari den Ball zurecht und schlenzt ihn in den Torwinkel. Es ist das goldene 1:0 für Eintracht Frankfurt im Pokalfinale 1988 gegen den VfL Bochum. So unwirklich diese Finalpaarung heute wirkt, so unwirklich mag einem auch vorkommen, wenn die Begriffe Titelgewinn, Eintracht und Frankfurt in denselben Satz gepackt werden. Am 28. Mai 1988 fand die Partie statt, in der die Frankfurter zum bislang letzten Mal einen Titel einheimsten.
Uli Stein, Manfred Binz, Charly Körbel, Dieter Schlindwein, Michael Kostner, Ralf Sievers, Frank Schulz, Freistoß-Kunstschütze Detari, Dietmar Roth, Holger Fritz und Wlodzimierz Smolarek hatte Cheftrainer Karl-Heinz Feldkamp für die Startelf nominiert, Thomas Klepper und Janusz Turowski kamen von der Bank. Hermann Gerlands Bochumer, die im Halbfinale noch Titelverteidiger HSV ausgeschaltet hatten, hatten ob des famosen Treffers des Frankfurter Ungarn das Nachsehen. Der offensive Mittelfeldspieler gilt als einer der größten Spieler der Vereinsgeschichte – obwohl er nur eine Saison bei der Eintracht spielte. 17, vielleicht 18 Millionen Euro Ablöse, die Olympiakos Piräus zahlte, machten ihn zum teuersten Verkauf der Bundesligageschichte. Gekostet hatte er ein Viertel der Summe. Seither setzte die Eintracht viele weitere Millionen um und so manche in den Sand. Symptomatisch für den viele Jahre andauernden Schlingerkurs, dass noch heute nicht geklärt ist, wo die Detari-Millionen abgeblieben sind. Auf die 1989 überstandene Relegation folgte ein Jahr später Rang drei mit Jörn Andersen als Torschützenkönig, 1992 und 1994 schien die Schale zum Greifen nahe, 1996 folgte der erste Abstieg der Klubgeschichte – der Spitzname „launische Diva“ kommt nicht von irgendwo. Drei weitere Abstiege folgten.
Einen Titel gab es nach 1988 nie wieder zu bejubeln. Am 27. Mai 2017 könnte sich das ändern. Wieder hat es die Eintracht im Finale mit einer Mannschaft aus dem Ruhrpott zu tun, diesmal geht sie gegen den BVB allerdings als klarer Außenseiter in die Partie. Ob der nächste Detari auf den Namen Fabian, Hrgota, Rebic oder Mascarell hört? Man darf gespannt sein. Eine Parallele liegt indes auf der Hand. Von einer „wunderbaren Erinnerungen an stumpfen Arbeiterfußball“ schwärmt das „11 Freunde“-Magazin im Rückblick auf das Finale von 1988. Und was, wenn nicht Arbeiterfußball lässt Niko Kovac die Eintracht spielen? 32:37 Tore, ein durchschnittliches Frankfurt-Spiel endet 1:1, zudem bekommen die Adlerträger im Schnitt zweieinhalb Gelbe Karten – mit deutlichem Abstand Ligaspitze. Es ist selten schön anzusehen, was die Frankfurter Multikulti-Truppe sich zusammenspielt. Aber es ist effektiv. Harte, ehrliche Fußballarbeit mit Haken und Ösen. Fußball, der eher auf eine Kampfbahn als in eine moderne Arena passt. Fußball für Stubbi- und Frittenfett-Romantiker.
Wenn man sich vor Augen führt, dass die Frankfurter vor Jahresfrist schon mit eineinhalb Beinen in der Zweiten Liga standen, dann ist die Bilanz in dieser Saison aller Ehren wert. Lange mischte man kräftig mit im Rennen um die Europapokal-Plätze. Um in den internationalen Wettbewerb zu gelangen, braucht es indes, anders als noch nach der Final-Niederlage 2006 gegen die Bayern, einen Erfolg im Cup, denn zwischenzeitlich wurden die Regeln geändert. Doch warum sollte die Eintracht das nicht schaffen? In der Hinrunde trotzten Kovacs Schützlinge dem BVB einen 2:1-Sieg ab. Auch die Bayern (2:2) und Hoffenheim (0:0) stehen auf der Liste der Teams, die sich an den Frankfurtern die Zähne ausgebissen haben. Favoriten quälen, dazu scheinen Kovacs Mannen geradezu prädestiniert.
55-mal Spitzenreiter, aber in der Bundesliga nie Meister
Damals, 1988, wurde man übrigens Neunter in der Liga – viel zu wenig für die Ansprüche der „launischen Diva“ vom Main, die seither deutlich herunter geschraubt werden mussten. 55-mal war man Spitzenreiter der Bundesliga, doch der einzige Deutsche Meistertitel datiert auf das Jahr 1959 – erst vier Jahre später wurde die Bundesliga gegründet. Es liegt einiges an Staub auf den Zeugnissen der letzten großen Erfolge. Kovac, dem Kämpfer, ist zuzutrauen, endlich ein lang ersehntes, neues Erfolgskapitel aufzuschlagen. Dass sich bereits alle Blicke Richtung Berlin richten, sah man zuletzt beim überaus tristen 0:2 gegen Wolfsburg. Den Mainzern, an diesem Samstag Gegner der Eintracht, soll es recht sein. Erst einmal gewannen die Frankfurter ein Pflichtspiel beim FSV – vor über 30 Jahren, 1:0 nach Verlängerung, im Pokal. Dort, wo nun endlich wieder nach dem großen Gold gegriffen werden soll.