SV Darmstadt 98: Wenn die Lilien runden Geburtstag haben, gibt es meistens keinen Anlass zu Euphorie
Von Jan Felber
Sportredakteur
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DARMSTADT - Der SV Darmstadt 98 ist am Dienstag 120 Jahre alt geworden. Zwar wollte der Verein selbst angesichts der lange unklaren sportlichen Situation nicht großartig feiern. Doch die Fans hielt das natürlich nicht ab: Sie organisierten kurzerhand selbst eine große Party. Am Montagabend trafen sie sich am Schlossgartenplatz, wo die Lilien am 22. Mai 1898 gegründet worden waren. Von dort zog die Ultra-Szene mit einer Fackel-Lichterkette durch die Stadt bis zum Böllenfalltor, wo um Mitternacht ein großes Feuerwerk in die Luft ging. Erleuchtet wurde die Szenerie mit Fackeln - eine anständige Würdigung des Vereins.
Dieser könnte aber wohl auch aus einem anderen Grund nicht zu einer offiziellen Party eingeladen haben: Denn alle fünf Jahre, also an allen einigermaßen runden Geburtstagen, hatten die Lilien in der jüngeren Vergangenheit nicht allzu viel Grund zum Feiern. Dass es 2018 anders war, war einer ungeheuren Energieleistung der Mannschaft im Schlussspurt der Zweiten Bundesliga zu verdanken, die letztlich doch noch mit dem Klassenerhalt belohnt wurde. Doch es gab auch andere Zeiten an runden Geburtstagen. Ein Rückblick.
Klaus Schlappner sollte die Lilien als Trainer endlich mal wieder in die Erste Liga führen. Knapp hatte der SV 98 in der vorherigen Spielzeit den Relegationsplatz in der Zweiten Liga verpasst, diesmal klappte es. Der Gegner: Waldhof Mannheim. Das Hinspiel in Darmstadt gewannen die Lilien vor 25 000 Zuschauern nach einem 0:2-Rückstand noch mit 3:2. Im Rückspiel retteten sie sich durch den späten Anschlusstreffer von Uwe Kuhl zum 2:1 in ein Entscheidungsspiel. Nach 120 Minuten war in Saarbrücken kein Treffer gefallen - das Elfmeterschießen musste entscheiden. Oliver Posniak, Karl-Heinz Emig und auch Willi Bernecker verschossen, Darmstadt blieb zweitklassig.
Nach einigen recht erfolglosen Zweitligazeiten erwischte es die Darmstädter in der Saison 1992/93: Die Lilien wurden Tabellenletzter in der Zweiten Liga und mussten in die Oberliga Hessen - eine Regionalliga gab es noch nicht. Nach 22 Jahren im Profifußball waren die Darmstädter wieder drittklassig - eine Zäsur. Und ein Einschnitt, der nachwirken sollte. Denn es sollte bis 2014 dauern, dass die Lilien wieder in der Zweiten Liga spielen würden.
1994 gelang die Qualifikation für die neue drittklassige Regionalliga, diese sollte für vier Jahre die Heimat der Lilien bleiben. Die Klasse wurde bis 1998 immer gehalten - mal mehr, mal weniger knapp. 1998 war dann aber Schluss mit der Drittklassigkeit. Am vorletzten Spieltag setzte es ein 0:2 gegen den SC Weismain, eine Woche später gewannen die Franken 3:0 bei den Amateuren des Karlsruher SC - die Lilien waren spielfrei und mussten das Geschehen aus der Ferne beobachten - und besiegelten somit den Abstieg in die Viertklassigkeit. So weit unten hatten die Lilien seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gespielt - ein Schock. Große Lust, den 100. Geburtstag zu feiern, hatte da selbstverständlich keiner.
Die Lilien hatten sich nach dem Abstieg in die Vierte Liga berappelt und waren 1999 direkt wieder aufgestiegen. Nach drei Jahren Regionalliga aber drohte in der Saison 2002/2003 wieder einmal der Abstieg. Trainer Hans-Werner Moser konnte den Abwärtstrend nicht stoppen und musste nach dem 28. Spieltag gehen. Zivojin Juskic wurde Spielertrainer. Da standen die Lilien noch auf einem Nichtabstiegsplatz - am Ende war das nicht mehr der Fall. Erneut ging es hinab in die Oberliga Hessen - würde das denn nie ein Ende nehmen?
Kein Abstieg diesmal, aber ein anderes Drama. Das Ziel sofortiger Wiederaufstieg in die Regionalliga (2007 waren die Lilien wieder einmal in die Hessenliga abgestiegen) wurde am 18. April 2008 nach 14 ungeschlagenen Spielen in Folge zwar realisiert. Am 5. März 2008 jedoch hatte das Präsidium bekannt gegeben, dass man wegen finanzieller Belastungen in Millionenhöhe ein Insolvenzverfahren einleiten müsse. Unter Führung von Präsident Hans Kessler stemmten sich Fans und Umfeld mit aller Kraft gegen ein mögliches Aus. Letztlich wurde die Lizenz für die Regionalliga-Saison 2008/ 09 erfolgreich beantragt, im Juni 2009 wurde der Insolvenzantrag beim Amtsgericht Darmstadt zurückgezogen. Ein Erfolg, der eine neue Zeitrechnung beim SV 98 einleitete.
Die Saison der drei Trainer: Zunächst verließ Kosta Runjaic nach acht Spieltagen den Verein in Richtung MSV Duisburg, dann ging es unter Jürgen Seeberger in der Dritten Liga bergab. Am 28. Dezember 2012 begann die Ära Dirk Schuster am Böllenfalltor. Doch auch er konnte den sportlichen Abstieg nicht verhindern. Am letzten Spieltag gab es ein 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers. Weil die Offenbacher Kickers keine Lizenz für die Dritte Liga erhielten, blieben die Lilien dennoch drittklassig.
Wieder einmal Abstiegskampf bis zum Schluss - diesmal mit einem guten Ende. Die Lilien retteten sich durch drei Siege in den letzten drei Spielen. Groß nach Feiern ist Trainer Schuster nicht zumute, die Fans tun es trotzdem. Und so ist es endlich mal ein "runder Geburtstag", der bei den Lilien nicht mit einem Abstieg einhergeht. Was ja auch mal schön ist.