Die Stiefelreise ist eine neue 3-Etappen-Wanderung. Sie führt durch einen Bannwald, ins Naturschutzgebiet Hochmoor Kaltenbronn und zum Kloster Hirsau. Start und Ende ist in Calw.
Von Annette Frühauf
Die Stiefelreise führt durch viel Wald.
(Foto: Alex Kijak/Nördlicher Schwarzwald GmbH)
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Die erste Etappe der neuen Stiefelreise, wie die Drei-Tages-Rundtour heißt, beginnt in Calw – ganz poetisch mit dem Frühlingsgedicht von Hermann Hesse, dem wohl bekanntesten Sohn der Stadt. „Jedes Kind weiß, was der Frühling spricht: Lebe, wachse, blühe, hoffe, liebe, freu dich und treibe neue Triebe, gib dich hin und fürcht’ das Leben nicht!“ An diesem sonnigen Tag könnte es nicht besser passen. Der Dichter wurde am 2. Juli 1877 hier im Haus am Marktplatz 6 geboren, von wo es den Berg hoch und direkt in den Stadtgarten geht. Die Tafeln mit den Gedichten werden bald von alten Fichten und Buchen abgelöst.
Vom Gimpelstein, einem uralten Buntsandsteinfelsen, bietet sich ein letzter Blick über die Stadt. Weiter geht es über einen schmalen Steig, immer tiefer in den Schwarzwald und zum Calwer Schafott, einem steinernen Podest mit Holzblock und Schwert. 1818 fand hier die letzte Hinrichtung statt. Wer sich traut, die Augen zu schließen, spürt vielleicht die Stimmung, die bei der letzten Hinrichtung herrschte – die Angst der Verurteilten und die Sensationsgier der Zuschauer.
Ein Wimpernschlag führt zurück ins Hier und Jetzt. Ein Holzschild weist den Weg zum Wildgehege, dem nächsten Ziel der Stiefelreise, die als Gesamtpaket gebucht werden kann inklusive Übernachtung, Wegbeschreibung und Karte. Eine Routenplaner-App ist hilfreich, denn es sind nicht alle Abzweigungen verzeichnet. Vom Hochplateau bei Meistern geht es auf bemoosten Pfaden steil hinab zur munter dahinplätschernden Enz. Links liegen bleibt die stillgelegte Kälbermühle. Ein letzter strammer Anstieg nach Sprollenhaus hinauf, wo Gastwirt Udo Treiber im Hotel Hirsch mit einem urig angerichteten warmen Büfett die müden Wanderer herzlich empfängt – zumindest die, die hierherfinden. „Ich habe auch schon verirrte Gäste um 21 Uhr in Aichelberg abgeholt“, erzählt Udo Treiber gelassen.
INFORMATIONEN
Anreise: Vom Rhein-Main-Gebiet über die A 61 oder die A 5 und A 8 bis nach Calw. Fahrzeit rund 2,5 Stunden.
Unterkunft: Schwarzwaldhotel Gasthof Hirsch, Sprollenhaus, DZ ab 59 Euro, www.gasthof-hirsch.de. Hotel Haus am Kurpark, Schömberg, DZ ab 100 Euro, www.hotel-hausamkurpark.de. Hotel Talblick, Schömberg, DZ ab 117 Euro, www.wellness-talblick.de.
Essen und Trinken: Am ersten Tag gibt es keine Einkehrmöglichkeit. Am zweiten Tag liegt die Grünhütte auf dem Weg. Hier gibt es Pfannkuchen, Maultaschen und hausgemachten Kuchen, www.gruenhuette.de. Am dritten Tag ist eine Einkehr im Hotel Kloster Hirsau möglich, www.hotel-kloster-hirsau.de.
Stiefelreise: Die 3-tägige Rundtour kann pauschal inkl. zwei Übernachtungen im DZ und Frühstück für 139 Euro pro Person gebucht werden. Los geht es in Calw mit einer Wanderkarte und der Tourenbeschreibung, www.calw.de/Calw-gastlich/Stiefelreise. Die Strecke ist rund 70 Kilometer lang und geht 1876 Höhenmeter rauf und runter. Ein Großteil der Strecke verläuft über Pfade, Wald- und Wiesenwege. Gepäcktransfer auf Anfrage.
Am zweiten Tag geht es ohne Gedicht auf die Strecke von Sprollenhaus nach Schömberg. Alles ist hell und leicht, die Arbeit weit weg. Die Waldluft ist am Morgen erfrischend und belebt den Geist. Das Handy bleibt aus, nur die Gegenwart zählt. Jeder Schritt, der über den weichen Waldboden federt. Der Wildsee im Naturschutzgebiet Hochmoor lockt.
Der Weg steigt und steigt, bis auf 900 Meter hinauf. Über Holzbohlen geht es durch Deutschlands höchstes Moor bis zum Wildsee bei Kaltenbronn. Totholz ragt aus dem Morast. Es riecht nach Moos, ein leicht erdiger Geruch. Ein paar Vögel tschilpen und rufen. Hier leben Fichtenkreuzschnäbel und Wintergoldhähnchen. Insekten summen, sonst ist nichts zu hören. Schaurig-schön ist die Stimmung im größten Bannwaldgebiet Baden-Württembergs. Ohne menschliche Eingriffe soll sich hier ein Urwald entwickeln.
Inzwischen sind auch andere Wanderer auf den Beinen. Das mag an der Nähe zur Grünhütte liegen, die seit über 50 Jahren mit Blaubeerpfannkuchen lockt. Ein Abstecher zum Baumwipfelpfad und zur Hängebrücke in Bad Wildbad wäre möglich, aber auch heute gilt es, 25 Kilometer zu schaffen. Über den Sommerberg geht es bequem mit der Bergbahn nach Bad Wildbad hinab. Über den Mittelweg geht es nach Schömberg.
Am dritten Tag laufen die Füße fast von allein. Nur der Kopf tut sich schwer mit den zahlreichen Abzweigungen. Die Sonne strahlt angenehm warm vom Himmel. Die letzte Etappe ist die entspannteste mit 19 Kilometern. Sie führt nach Oberreichenbach und durch das Schweinbachtal bis zum Kloster Hirsau. Zeit für ein bisschen Kultur. Die Ruine des ehemaligen Benediktinerklosters St. Peter und Paul hat eine bewegte Vergangenheit. Es war in der Klosterbewegung von Cluny im 11. und 12. Jahrhundert das bedeutendste deutsche Reformkloster nördlich der Alpen. 1692 wurde es im Pfälzischen Erbfolgekrieg von französischen Truppen zerstört. Führungen finden von Mai bis Oktober statt – samstags um 14.30 Uhr und sonntags um 11 Uhr. Beim Gang über die neue Hirsauer Brücke künden „die drei Zeitzeugen“ von Bildhauer Peter Lenk von der wechselhaften Geschichte des Klosters.
Jetzt ist Calw, Start und Ziel dieser Wanderung, nicht mehr weit. Die Strecke der Stiefelreise war vor einigen Jahren die Route einer 24-Stunden-Wanderung. Daher gibt es keine eigenen Wegzeichen. „Wir wollen nicht an jedem Baum ein buntes Schild anbringen“, erklärt Vanessa Lotz von der Tourismus GmbH Nördlicher Schwarzwals. Kein Problem, das Ziel ist trotzdem erreicht.