Samstag,
10.08.2019 - 00:00
4 min
Hannover überrascht
Von Andrea Erne

Der Maschsee: ein blaues Juwel. (Foto: Peter Sondermann)
München, Köln oder Berlin, das sind Städte, die keine Werbung brauchen. Andere sind kaum bekannt, obwohl sie nicht weniger reizvoll sind. In einer losen Folge stellen wir solche unterschätzten Orte vor.
Hannover galt Ende der 60er-Jahre als „langweiligste Stadt Deutschlands“. Davon ist nichts mehr zu spüren. In der niedersächsischen Landeshauptstadt lässt es sich gut leben und feiern. Gelegenheit dazu gibt es beim Fährmannsfest, Maschseefest oder bei Picknicken und Konzerten in den Herrenhäuser Gärten. Die Hannoveraner lieben ihren Erlebnis-Zoo, das größte Schützenfest der Welt und den Flohmarkt am Leineufer, einen der ersten in Deutschland.
1 Der Maschsee: ein blaues Juwel
Es gibt viel Grün und viel Wasser direkt in und um Hannover herum. Fast zweieinhalb Kilometer lang ist der Maschsee, die Ganzjahres-Attraktion südlich des Zentrums. Rund um das Gewässer verläuft eine beliebte Joggingstrecke, daneben der asphaltierte Rad- und Spazierweg. Wassersportler kommen zum Rudern und Segeln oder zum Baden im Strandbad am Südufer. Wer das maritime Flair bei Speis und Trank genießen möchte, hat die Qual der Wahl zwischen Biergärten, Cafés und Restaurants wie das schicke Pier 51. Romantiker schauen aus lauschigen Buchten am Westufer auf die prägnanten Türme von Marktkirche, Neuem Rathaus und Nord-LB oder schippern mit dem Solarschiff der Maschseeflotte der Sonne entgegen, www.uestra- reisen.de/maschsee.
2 Nie den roten Faden verlieren!
Um in Hannover zu interessanten Orten zu gelangen, folgt man einfach dem 4,2 Kilometer langen roten Faden auf dem Asphalt. Er führt zu 36 Sehenswürdigkeiten, zum Beispiel zum Ballhof, einem der schönsten Plätze in der Altstadt, und zum Neuen Rathaus, das wie ein Märchenschloss aussieht. Besucher erwartet hier eine technische Rarität: ein Bogenaufzug, der mit einer Neigung von 17 Grad zur Aussichtsplattform fährt. Entlang der roten Linie bezaubert auch ein modernes Wahrzeichen Hannovers: Die bunten „Nanas“ von Niki de Saint Phalle. Als die drallen Riesen-Skulpturen 1974 aufgestellt wurden, gab es hitzige Debatten. Alles vergessen: die Künstlerin wurde Ehrenbürgerin, und die „bunten Weiber“ sind längst Selfie-Hotspot. Der Rote-Faden-Rundgang beginnt an der Tourist-Information am Ernst-August-Platz und endet gegenüber am Bahnhofsvorplatz, www.visit-hannover.com.
3 „Um fünf unterm Schwanz“
Wenn sich Hannoveraner verabreden, dann haben sie dafür zwei Treffpunkte, die jeder kennt. Die Kröpcke-Uhr am gleichnamigen Platz mitten in der City oder „unterm Schwanz“. Gemeint ist der Schwanz des Pferdes, auf dem König Ernst August I. fest im Sattel sitzt. Seit 1861 thront sein Reiterstandbild weithin sichtbar auf dem Bahnhofsvorplatz. Heute huldigt ihm das „treue Volk“ nicht mehr, Bürger jeden Alters warten nun noch unter seines Pferdes Schwanz. Der Bahnhofsvorplatz ist auch sonst ein belebter Ort. Hier gibt es häufig Livemusik, einen kleinen Bauernmarkt und wechselnde Aktionen wie das „Urban Gardening“ im August, www.einkaufsbahnhof.de /hannover-hauptbahnhof/ veranstaltungen.
4 Ein Keks mit 52 Zähnen
„Was ißt die Menschheit unterwegs? Na selbstverständlich Leibniz Cakes!“ hieß der Slogan, mit dem das Hannoveraner Familienunternehmen Bahlsen ab 1898 für seine Butterkekse warb. Der Gründer hatte nach einem Aufenthalt in England Geld und Ideen mitgebracht und investierte in Backwaren. Die Cakes wurden von Bahlsen zu „Keksen“ eingedeutscht, und ihr Siegeszug in Schulranzen und Rucksäcken begann. Mehr zur Firmengeschichte erfahren Besucher werktags im Foyer des Stammhauses an der Podbielskistraße 11 oder freitags bei einer Führung durch die historischen Sitzungssäle und das Versuchslabor. An der Jugendstil-Fassade prangt ein vergoldeter Leibniz-Butterkeks, den die beiden Brezelmänner stolz in die Welt tragen, www.thebahlsenfamily.com.
5 Picknick mit Max und Moritz
Hannover ist reich an überregional bekannten Museen wie dem Sprengel-Museum am Maschsee. Doch wer ein paar Stunden nachdenklich schmunzelnd verbringen möchte, der macht sich auf den Weg durch den Georgengarten und besucht „Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst“. Im klassizistischen Georgenpalais befindet sich die umfangreichste Wilhelm-Busch-Sammlung mit Gemälden, Zeichnungen, Briefen, Gedichten und Bildgeschichten wie der von „Max und Moritz“. Auch der englische Landschaftspark rund um das Museum verbreitet heitere Stimmung. Auf den Wiesen lagern an sonnigen Wochenenden unzählige Grüppchen. Besonders stilvoll ist das „Open-Air-Konzert mit Picknick“ am 25. August, das die Chopin-Gesellschaft alljährlich gratis und „very british“ ausrichtet, www.chopin-hannover.de, www.karikatur-museum.de.
6 Wo die wilden Kerle wohnen
Linden war einst ein Dorf, dann eine Industriestadt, und heute ist es als Linden-Limmer der 10. Stadtbezirk von Hannover. Früher lebten zwischen Leine und Ihme viele Arbeiter, heute wird ein multikulturell buntes Miteinander praktiziert. Zu Linden gehören das Kulturzentrum Faust und der Jazzclub auf dem Lindener Berg, einer Erhebung, die immerhin 35 Meter über den Stadtteil ragt. So hoch oben liegen der höchste Biergarten des Viertels und der historische Bergfriedhof, wo im Frühjahr die Blaustern-Blüte beeindruckt. Sehenswert sind auch die Wandmalereien im Stadtviertel wie das Porträt der Philosophin Hannah Arendt, die 1904 in Linden geboren wurde,www.visit- hannover.com/ hannoverliving.
7 Gedenken an Hiroshima
Hannovers grüne Lunge heißt Eilenriede. Im größten Stadtwald Europas wird gejoggt und geradelt, hier geht man spazieren, steuert Spielplätze, das traditionsreiche Milchhäuschen oder den Zoo an. Die Eilenriede geht nahtlos über in das Landschaftsschutzgebiet Alte Bult. Wo früher der Hannoversche Rennverein eine Pferderennbahn betrieb, treffen sich heute Hundebesitzer, und Kinder vergnügen sich beim Ponyreiten. An der Janusz-Korczak-Allee liegt ein besonderer Ort der Erinnerung, der Hiroshima-Gedenkhain. Hell und zart recken sich weiße Hände auf Metallstäben mahnend in den Himmel. Kinder haben sie angefertigt, um an das Leid des Atombomben-Abwurfs von 1945 zu erinnern. www.hannover-hiroshima.de.