Die Wind-Villas sind auf Stelzen ins Meer gebaut. Foto: Pia Hoffmann
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Ein Häufchen Sand mitten im Indischen Ozean, tausend Kilometer von Sri Lanka entfernt. An der breitesten Stelle misst Kanifushi gerade mal 60 Meter. Zu erreichen ist das Eiland nördlich des Äquators nur mit dem Wasserflugzeug. Gut eine halbe Stunde dauert der Flug von der maledivischen Hauptstadt Malé über die türkisfarbene Welt der Atolle mit ihren mehr als tausend Koralleninseln. Aber kann sich der burn-out-gefährdete Aktivurlauber, der im Urlaub durch Großstädte hetzt, Sportkurse absolviert und abends mit Hotelanimateuren Polonaise tanzt, auf wenigen Quadratmetern Sand wohlfühlen, ohne auf die Palme zu gehen?
Das Geheimnis erholsamen Insellebens lautet: Nichtstun. Wer bei Sonnenuntergang ruhig am Strand liegt, kann sogar den Flügelschlag der scheuen Flughunde hören, die über den Bäumen kreisen. „Das liegt an unserer Lage mitten im Ozean“, erklärt der General Manager des Atmosphere Resorts auf Kanifushi, John Bendtsen. „Hier gibt es keine Geräuschkulisse. Keine Autos, keine Züge, keine Polizeisirenen – gar nichts.“ Mit etwas Geduld lässt sich sogar beobachten wie die fledermausähnlichen Tiere auf der Suche nach Nektar ihre Köpfe in Tropenblüten versenken oder kopfüber in der Abendsonne schaukeln. Es lohnt sich, so lange im Sand zu liegen bis sich eine Krabbe an die Oberfläche buddelt, bis ein Einsiedlerkrebs unter seiner Muschel hervorlugt oder ein Gecko vorbeihuscht. Ein paarmal tief einatmen, und schon entfaltet sich der Duft von Strandgardenien, Orchideen, Lilien und Jasmin, in den sich nachmittags ein Hauch von Frangipani mischt.
Beim Tauchen selbst zum Fisch werden
Sogar beim Tauchen intensiviert Nichtstun das Abenteuer, bestätigt Meeresbiologe Marco Millero von Dive & Sail Kanifushi. „Tauchen ist eine Art Meditation, bei der man sich auf die Atmung konzentriert und vom Ozean tragen lässt. Wenn Sie sich einfach ins Wasser fallen lassen und auf dem Meeresgrund sitzen bleiben, dauert es keine fünf Minuten bis die Fische Sie akzeptieren und neugierig auf Sie zu schwimmen“, erklärt er. „Wenn man den Fischen hinterherschwimmt, sieht man viel weniger.“ Auch beim Schnorcheln genügt es, sich auf der Meeresoberfläche treiben zu lassen. Wie Unterwasser-Konfetti ziehen bunte Anemonenfische, Rochen und Papageifische ganz von selbst vorbei. „Das Wasser ist reich an Plankton und das zieht die Fische an wie ein Schlemmerbuffet“, sagt Millero.
REISE-CHECK: MALEDIVEN
Anreise: Condor fliegt ab Frankfurt direkt nach Malé, ab ca 500 Euro, www.condor.com
Reisezeit: Ganzjährig, die beste Reisezeit ist von Oktober bis April.
Preisbeispiele: Im Atmosphere Kanifushi liegt der Preis bei 326 Euro pro Person und Nacht im Doppelzimmer, Pauschalreiseangebot für zwei Personen im Doppelzimmer für 7 Nächte All Inclusive mit Flug und Flughafentransfers vor Ort für 3 584 Euro pro Person; für das Ozenby Atmosphere liegt der Preis bei 434 Euro pro Person und Nacht im Doppelzimmer, Pauschalreiseangebot für zwei Personen im Doppelzimmer für 7 Nächte All Inclusive mit Flug und Flughafentransfers vor Ort für 3 795 pro Person, beide Resorts buchbar unter www.ewtc.de.
Doch es geht auch ohne lästige Tauch- oder Schnorchelausrüstung. Von der Insel Maadhoo im Süd-Malé-Atoll aus bringt Kapitän Ibrahim Waheed Urlauber täglich mit einem Halb-U-Boot zu den fischreichen Riffs. Der obere Teil des Bootes bleibt über Wasser, der Rumpf mit den großen Glasfenstern liegt zwei Meter unter Wasser. Mit an Bord ist die Meeresbiologin Lier Yeo, die unterwegs alle Fragen beantwortet. Die vielen Fischarten hinterher selbst zu googeln wäre für Nichtstuer viel zu anstrengend.
Von oben unsichtbar liegt vor Maadhoo eines der wenigen Unterwasserrestaurants im Indischen Ozean. Über eine Wendeltreppe führt ein schmaler Schacht sechs Meter unter der Meeresoberfläche ins „M 6 m“ (Minus 6 meters), wo an romantischen Zweiertischen exquisite Gerichte von Hummer, Lachs und Oktopus serviert werden, während deren Artgenossen an den gläsernen Panoramawänden vorbeischwimmen. „Ich arbeite seit der Eröffnung hier“, erzählt Kellnerin Nadja Jazenku, „und doch gab es noch keinen Tag, an dem nicht ein Fisch vorbeikam, den ich vorher noch nie gesehen habe.“
Auch einige der Wind-Villas, die auf Stelzen ins Meer hinaus gebaut sind, haben gläserne Bodenplatten. Vom Bett aus Fische zu zählen hilft abends beim Einschlafen; ein Hai unterm Bett beschleunigt morgens das Aufstehen. Aber selbst die Haie scheinen das Prinzip des Nichtstuns zu respektieren. „Bei uns gibt es nur friedliche Haiarten wie Schwarz- oder Weißspitzenriffhaie“, versichert Nathalie Böhmerle von der Ozen-Tauchschule. Die Wind-Villas sind mit gläsernem Bad, Hängematte und teilweise beleuchteten Pools ausgestattet. Selbst die Gesichtsausschnitte der Massageliegen im Spa gewähren Einblick in die Tiefen des Meeres und fördern so die Tiefenentspannung.
Damit Gäste das Gehirn völlig abschalten können, sind fürs Denken auf Maadhoo 320 Mitarbeiter aus 23 Nationen zuständig. „Wir schulen unsere Angestellten darin, anhand der Körpersprache der Gäste vorauszuahnen, was sie als nächstes brauchen könnten“, erklärt der Personalchef des Ozen-Resorts, Raj Sisodia. Wer salzverklebt vom Schnorchelausflug zurückkommt, findet in seiner Badewanne ein Schaumbad mit Rosenblättern vor. Wird der Inselspaziergang zu anstrengend, fährt wie von Geisterhand ein Golfbuggy vorbei. Und droht einmal ein Messer vom Tisch zu fallen, steht längst jemand bereit, um es aufzufangen.
Mit Rundum-Sorglos-Paketen das Gehirn ausschalten
Kokosnüsse fallen den Nichtstuern direkt vor die Füße. Alle paar Meter schmiegen sich kleine Kühlschränke in die Dschungelvegetation, damit Spaziergänger nicht daran denken müssen, eine Wasserflasche mitzunehmen. Lästige Moskitos werden einfach weggeräuchert, und wenn doch eine Stechmücke übrig bleibt, kümmert sich der Haus-Gecko um das Problem. Damit Gäste wirklich an gar nichts mehr denken müssen, gibt es ein Rundum-Sorglos-Paket, in dem auch teure Artikel wie Champagner oder Markenwhisky enthalten sind. „So muss niemand rechnen oder Geld mit sich herumtragen“, sagt Atmosphere-Resortchef John Bendtsen. „Auch Kinder können sich überall Säfte holen, ohne dass die Eltern unterschreiben müssen. Beim Check-out gibt es so keine bösen Überraschungen.“
Am Urlaubsende haben viele Burn-out-Kandidaten die innere Ruhe gefunden. „Dann wünschen sich alle, die aus Angst vor Langeweile nur eine Woche gebucht haben, sie könnten länger bleiben“, lacht Tauchlehrer Millero. Vielleicht liegt das daran, dass Resorts wie Atmosphere und Ozen so viele Freizeitbeschäftigungen anbieten: Surfen, Kanufahren, Jetski, Paddleboarding, Angeln, Tennis, Fitnesscenter, Wasseraerobic, Yoga, Spa-Behandlungen, Kinderclubs, Discos, Bars, Livemusik, Tauchkurse, Schnorcheltrips und Ausflüge mit traditionellen Dhoni-Booten. Denn dafür bleibt vor lauter Nichtstun eigentlich keine Zeit.