Grüner Strom macht Pause

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Der Anteil von Strom aus Kohlekraftwerken ist zuletzt deutlich gestiegen. Im Bild das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde.

Keine Sonne, kaum Wind, dafür bitterkalt: In den vergangenen Wochen sind die Kohle- und Gaskraftwerke volle Pulle gelaufen. Was das für die Energiewende bedeutet.

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Region. Zunächst die gute Nachricht: Das Stromnetz in Deutschland hat sich in den vergangenen Tagen unter erschwerten Bedingungen als stabil erwiesen: Es war sehr kalt, die Sonne schien wenig bis gar nicht, der Wind blies kaum. Zugleich musste reichlich Strom nach Frankreich exportiert werden, weil dort immer noch sehr viele Atomkraftwerke keinen Strom liefern und die Franzosen viel mit Strom heizen.

Die schlechte Nachricht: In den zurückliegenden Wochen war die Stromproduktion in Deutschland so klimaschädlich wie lange nicht mehr. Es gab Tage, an denen bis zu 80 Prozent des Stroms aus Braunkohle, Steinkohle und Erdgas erzeugt wurden. Das zeigen aktuelle Datenreihen der „Denkfabrik” Agora-Energiewende in Berlin und die Energie-Charts des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg.

Im Detail: In der zurückliegenden Kalenderwoche 50 (12. bis 18. Dezember) kamen weit mehr als 40, teilweise bis zu 50 Prozent aus Kohlekraftwerden, mehr als 25 Prozent des Stroms wurden mit Erdgas erzeugt, gut sechs Prozent lieferten die drei verbliebenen Kernkraftwerke. Die Photovoltaik steuerte hingegen nur wenige Prozent bei, kaum besser sah es in der vergangenen Woche beim Wind aus; nur Biomasse (acht bis neun Prozent) und Wasserkraft (zwei bis drei Prozent) lieferten zuverlässig grüne Energie. Zum Vergleich: Übers Jahr gesehen dürften die Erneuerbaren nach Einschätzung des Branchenverbands BDEW auf einen Anteil von 47 Prozent kommen; im Sommer wird der Strom im deutschen Netz inzwischen an manchen Tagen fast zu 100 Prozent CO2-neutral produziert.

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Deutschland verfeuert viel Gas, um Strom nach Frankreich liefern zu können

Der starke Rückgang der Erneuerbaren in den Wintermonaten ist nicht ungewöhnlich, allerdings ist er in den vergangenen Wochen besonders stark ausgefallen. „Dass Sonne und Wind im Winter mal knapp werden, ist strukturell bedingt und überrascht niemanden. Wir haben derzeit aber zusätzlich die spezielle Situation, dass in Frankreich ein Drittel der Stromkapazität fehlt”, sagt Thorsten Lenck, Projektleiter für Strommarktdesign bei der Agora Energiewende.

Diese „spezielle Situation” ist auch eine der Ursachen dafür, dass zurzeit besonders viel Gas verstromt wird: Die nach Frankreich exportierte elektrische Energie wird überwiegend in Gaskraftwerken erzeugt. In der Spitze waren zuletzt 23 der maximal vorhandenen 32 Gigawatt Kraftwerksleistung am Netz. So produzierte Deutschland in der zweiten Dezemberwoche fast 90 Prozent mehr Strom aus Erdgas als im Mittel der Jahre 2010 bis 2020.

Das ist keine Kleinigkeit, sondern hat möglicherweise Auswirkungen auf die mittelfristige Gasversorgungslage. Zur Erinnerung: Im Sommer hatten Bundesregierung und Bundesnetzagentur die Parole ausgegeben, die Stromproduktion aus Gas möglichst stark zu drosseln, um Brennstoff zu sparen, der dringend für die sichere Versorgung im Winter gebraucht wird. Ein gewisser Anteil an Gaskraftwerken wird benötigt, um Spitzenlasten im Netz auszugleichen und im Winter genügend Fernwärme zu liefern, allerdings lässt sich der Gesamtbeitrag im Strommix deutlich reduzieren. Dafür hat die Bundesregierung im Spätsommer eine Reihe von eingemotteten Kohlekraftwerken wieder ans Netz gebracht – was den aktuell sehr hohen Kohleanteil am Strommix erklärt.

Der Füllstand der Gasspeicher ist deutlich gesunken

Zwar ist es den Netzbetreibern gelungen, die Gasspeicher bis Mitte November fast komplett zu füllen. Jedoch haben sich diese zuletzt in einem besorgniserregenden Tempo geleert. Am Montag waren sie laut Bundesnetzagentur zu 87,96 Prozent gefüllt. Das ist in gut vier Wochen ein Rückgang um mehr als zehn Prozentpunkte (19. November: 99,98 Prozent). Am 6. Dezember, also vor Beginn der Kältewelle, waren die Speicher noch zu 96,40 Prozent gefüllt. Dass die Gasreserven so stark abgenommen haben, dürfte nicht nur an den Minusgraden in Deutschland gelegen haben, sondern eben auch an den Stromexporten nach Frankreich. Ursprünglich hieß es, Frankreich liefere den Brennstoff für diese Nachbarschaftshilfe. In der jüngsten Übersicht der Bundesnetzagentur zu den Gasimporten sind allerdings keine nennenswerten Gasimporte aus Frankreich erkennbar.

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Ein Mitarbeiter der Firma Enovos Storage GmbH steht auf dem Gelände des Gasspeichers.
Ein Mitarbeiter der Firma Enovos Storage GmbH steht auf dem Gelände des Gasspeichers. (© Uwe Anspach/dpa/Archivbild)

Für Entspannung beim Gas dürfte in den nächsten Tagen der Wetterumschwung sorgen. Auch beim Strom ist eine gewisse Normalisierung in Sicht: Seit dem Wochenende bläst wieder mehr Wind, was den Anteil der Erneuerbaren am Strommix gleich nach oben gezogen hat. Gleichwohl zeigen die jüngsten Erfahrungen, wie weit der Weg zu einer klimaneutralen Stromproduktion noch ist. „Die vergangenen Wochen haben mit Blick auf die CO₂-Emissionen verdeutlicht, wie dringend der Kohleausstieg ist”, sagt Agora-Projektleiter Lenck. An die Stelle der Kohlekraftwerke müssten Gaskraftwerke treten, „die perspektivisch mit grünem Wasserstoff betrieben werden: Im Sommer mit überschüssiger Energie aus Wind und Sonne produziert, dann eingespeichert, kann dieser im Winter zuverlässig rückverstromt werden”. Doch das ist noch Zukunftsmusik.