Vorsitzende der Linken in Rheinland-Pfalz verlässt Partei

Melanie Wery-Sims erklärte am Montag ihren Rücktritt. Archivfoto: dpa
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Melanie Wery-Sims erklärt neun Monate nach ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden der Linken in Rheinland-Pfalz ihren Rücktritt. Warum sie sich nicht mehr mit ihrer Partei...

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MAINZ. Neun Monate nach ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden der Linken in Rheinland-Pfalz hat Melanie Wery-Sims ihren Austritt aus der Partei erklärt. „Mittlerweile stehe ich nicht mehr hinter einem zu großen Teil unserer Programmatik“, erklärte die 38-Jährige am Montag über Twitter. Außerdem gehe es bei der Linken „viel zu viel um innerparteiliche Grabenkämpfe“, schreibt sie in einer in dem Kurznachrichtendienst und bei Facebook veröffentlichten Erklärung. Sie habe nun vor der Frage gestanden, „was ist es wert, sich in RLP kaputtzuarbeiten, wenn sich auf Bundesebene kaum etwas verändert und man im Endeffekt wieder genau diejenigen fördert, die seit Jahren an ihren Positionen und Ämtern festkleben und für das unsolidarische Klima verantwortlich sind“.

Wery-Sims kritisiert in der Erklärung auch die Rolle der Bundesvorsitzenden Janine Wissler im Vorfeld ihrer Kandidatur für das Amt der Bundesschatzmeisterin im Juni. Die vierfache Mutter war beim Linke-Bundesparteitag für den Posten angetreten, wurde (in krankheitsbedingter Abwesenheit) aber nicht gewählt.

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Umgang in Sexismus-Debatte "unsäglich"

Wery-Sims erwähnt in ihrer Erklärung als einen Grund für ihren Austritt die innerparteilichen Diskussionen über Sexismus und sexualisierte Übergriffe unter dem Stichwort „#LinkeMeToo“. Der Umgang damit sei „unsäglich“ gewesen, zuletzt beim Bundesparteitag, als ein Beschluss zur Handhabe bei Grenzüberschreitungen nicht zustande kam. Noch immer gebe es keine Möglichkeit, „Konsequenzen durchzusetzen, wenn sich jemand danebenbenimmt“. So dürfe „ein bestimmter Kreisvorsitzender wohl weiterhin meine Fotos auf FB (Facebook, d. Red.) als Wichsvorlagen bezeichnen, einen anderen Genossen als ,behindert‘ betiteln“, schreibt sie: „Für einen Ausschluss reicht es wohl eher nicht und maßregeln kann man ihn aufgrund der Satzung auch nicht.“ Sollte ihre eigene 13-jährige Tochter im nächsten Jahr eintreten wollen, „werde ich ihr davon abraten müssen, da linkemetoo ein wahrgewordener Albtraum ist“.

Wery-Sims hatte sich seit Bekanntwerden möglicher sexueller Übergriffe innerhalb der Linkspartei im April mehrmals in die „#LinkeMeToo“-Debatten eingeschaltet und das Vorgehen der Linksjugend Solid, die massiv auf Aufklärung der Vorwürfe gedrängt hatte, unterstützt. Zwei Bundessprecher der Linksjugend, Sarah Dubiel (Wetzlar) und Jakob Hammes (Offenbach), haben im Nachgang zum Linke-Bundesparteitag ebenfalls ihren Austritt aus der Partei erklärt. Ihr Amt als Solid-Bundessprecher üben sie aber weiterhin aus, im Jugendverband sind sie weiterhin Mitglied.

Auch das Verhalten Janine Wisslers nennt Wery-Sims unter der Überschrift „Kein Platz für dich selbst oder deine Familie“ als Austrittsgrund. Als sie im Juni für das Amt der Bundesschatzmeisterin kandidierte, habe ihr die Vorsitzende „klipp und klar“ erklärt, „dass sie mich dort nicht sieht“, schreibt die Rheinland-Pfälzerin. „Denn ich müsse ja mit meinen Kindern nach Berlin ziehen, was sicherlich keine Option wäre“. Zudem „könne man mich für das Amt nicht bezahlen, da nun alle finanziell zurückstecken müssen“ – aus dem Mund einer Bundestagsabgeordneten sei das „eigentlich Realsatire“. Gegenüber dem „Spiegel“ wies Wissler die Vorwürfe zurück: „Wie ich in der Austrittsbegründung wiedergegeben werde, weise ich zurück. Melanie Wery-Sims hatte mich vor dem Bundesparteitag um ein Telefonat gebeten wegen ihrer Kandidatur zur Bundesschatzmeisterin. In dem Telefonat habe ich ihr gesagt, dass ich den anderen Kandidaten Harald Wolf unterstütze. Für mich war es immer wichtig in der Partei ehrlich in der Rückmeldung zu Kandidaturen zu sein. Das war ich auch in diesem Fall.“

Auch Kritik an „Putinversteher*innen“

Darüber hinaus kritisiert Wery-Sims die Haltung vieler Parteimitglieder zu Russland („Putinversteher*innen“). Auch dass sie zum „rechten Flügel der Partei gezählt werde, klingt für mich wie ein schlechter Witz“. Sie wolle weiter politisch tätig bleiben, „aber aktivistisch kann ich so viel mehr erreichen als innerhalb der Partei“.

Die Politikerin aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich war Ende Oktober vergangenen Jahres zur Landesvorsitzenden in Rheinland-Pfalz gewählt worden, zusammen mit Stefan Glander aus Kaiserslautern. Bei der Bundestagswahl war die rheinland-pfälzische Linke kurz zuvor auf ihr bisher schlechtestes Landesergebnis von 3,3 Prozent zurückgefallen. Im März 2021 hatte sie mit 2,5 Prozent erneut den Einzug in den Landtag verfehlt, damals mit Wery-Sims als Spitzenkandidatin.