U-Ausschuss: Wie die Opposition Lewentz in die Enge trieb

Der Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz Roger Lewentz (SPD) kommt zum zweiten Mal als Zeuge zum Untersuchungsausschuss des Landtags zur Flutkatastrophe im Ahrtal.  Foto: dpa
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Die SPD und ihr Innenminister schienen perfekt vorbereitet auf die Befragung zur Ahr-Flut, die Inszenierung saß. Doch es gab Momente, in denen die Choreografie aus dem Takt geriet.

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MAINZ. Vor Roger Lewentz lagen mehrere Din-A4-Seiten, vollgeschrieben mit handschriftlichen Erklärungen. Auf den Seitenköpfen prangte das Logo des Landes Rheinland-Pfalz, wichtige Passagen hatte der Innenminister mit gelbem Textmarker hervorgehoben. Nichts sollte schiefgehen bei seiner zweiten Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages über seine Rolle rund um die Ahr-Flut. Die Vernehmung des SPD-Politikers war allem Anschein nach generalstabsmäßig geplant und choreografiert worden von seiner Partei – doch die gut vorbereitete Opposition brachte Lewentz immer wieder ins Straucheln.

Neben Lewentz stand bei der Vernehmung am Freitag auch der Vorsitzende des U-Ausschusses, Martin Haller (SPD), im Fokus. Die CDU hatte Haller vergangene Woche vorgeworfen, den U-Ausschuss nicht überparteilich zu führen – und kritische Fragen der Opposition teils zu Unrecht nicht zuzulassen, um die Regierung zu schützen. Auch bei der Lewentz-Vernehmung am Freitag kam Kritik an Hallers Führungsstil auf. Der rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Gordon Schnieder twitterte während der Befragung: „Zeuge Lewentz liest sein Eingangsstatement ausschließlich ab, dabei gilt der freie Vortrag. Andere Zeugen wurden darauf hingewiesen. Und heute? Ausschussvorsitzender Haller tut nichts.“

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In der Tat: Über 45 Minuten trug Lewentz aus seinen handschriftlichen Erklärungen vor, hörbar abgelesen. Eine Art selbstverfasste Verteidigungsrede. Auch die anschließenden Befragungen durch Haller sowie die SPD-Mitglieder im U-Ausschuss wirkten in Gänze vorbereitet und inszeniert. Nina Klinkel, SPD-Abgeordnete aus dem Kreis Mainz-Bingen, las etwa eine Frage von einem Zettel ab – und Lewentz antwortete ausschweifend. Teilweise unterfütterte er seine Ausführungen mit Zitaten aus E-Mails, die nicht den Beweisakten vorlagen, oder Fotos, die er griffbereit aus seinen Unterlagen hervorzog – als wäre es geplant gewesen.

Scharfe Kritik von der CDU

Haller nutzte die Vernehmung derweil, um Lewentz mit Zitaten von CDU-Politikern zu konfrontieren. Zitate, in denen die Christdemokraten Lewentz und sein Verhalten rund um die Flut scharf kritisierten. Der Innenminister griff die Vorlagen seines Parteikollegen Hallers auf, um öffentlich und mit deutlichen Worten gegen die CDU auszuteilen. Es waren die Momente, in denen der überparteiliche Aufklärungswille des U-Ausschusses gefühlt in ganz weite Ferne rückte.

Auch auf viele Attacken der Opposition wirkte Lewentz gut vorbereitet – und lieferte zudem eine Erklärung, weshalb. Es war gegen Ende der Befragung, da zog der Minister ein 23-seitiges Dokument hervor, das den Titel trug „Der Fall Lewentz“. Erstellt von der CDU-Fraktion als Vorbereitung auf den Untersuchungsausschuss. Lewentz nannte es pampig „ein Pamphlet“, in dem alle Fragen für seine Vernehmung dringestanden hätten.

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Lewentz bei Befragung unter Druck

Und dennoch, trotz all der Vorbereitung, gelang es sowohl CDU als auch der AfD immer wieder, der SPD in die Vorbereitung zu grätschen – und Lewentz mit Fragen in die Enge zu treiben. Zum Beispiel als die Abgeordnete Annette Moesta wissen wollte, wieso er im Interview mit dem SWR am Tag nach der Flut-Katastrophe geantwortet habe, dass er die ganze Nacht über mit den Katastrophenstäben in Rheinland-Pfalz in Verbindung gestanden habe? Denn: Bei seiner ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss im April hatte er ausgesagt, dass er sich in der Flutnacht um 2 Uhr zum Schlafen gelegt habe. Wie das zusammenpasse? Lewentz strauchelte bei der Antwort – und ließ die Frage letztlich offen.

Lewentz sprach außerdem davon, am Fluttag bis zum Schlafengehen nur von Einzelereignissen an der Ahr erfahren zu haben. Ein Gesamtbild, das habe er nie gehabt. Alle Meldungen am Abend und der Nacht hätten vor allem von eingestürzten Häusern in einer einzigen Gemeinde an der Ahr gehandelt. Als ihn dann Michael Frisch (AfD) daran erinnerte, dass ihm laut Protokoll aber ab 23.45 Uhr Luftbilder von drei bis unter die Dächer gefluteten Dörfer vorgelegen haben müssen, musste Lewentz zurückrudern und in Richtung Frisch antworten: „Sie haben recht.“ Ein Moment, in denen die Choreografie der SPD ebenfalls aus dem Takt geriet.

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Ungewohnt handzahm gab sich indes der Vertreter der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, bei der Befragung. Direkte Attacken gab es in der Vernehmung kaum, auch im Nachgang ließ er sich zu keiner Kritik am Innenminister hinreißen. Immer wieder wird im politischen Mainz spekuliert, dass Wefelscheid aus machtpolitischem Kalkül einen Angriff auf die SPD scheut. Es heißt, die FW wollten als möglicher Koalitionspartner für die Sozialdemokraten nach der Landtagswahl 2026 attraktiv bleiben.