Warum die Studie über den IQ von Schülern umstritten ist

Ein Schüler meldet sich, während die Lehrerin an die Tafel schreibt.

Laut einer wissenschaftlichen Arbeit hat die Intelligenz von Schülern 2020 im Vergleich zu früheren Tests abgenommen. Teilgenommen haben Jugendliche aus Rheinland-Pfalz.

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Wiesbaden/Mainz. Schülerinnen und Schüler in Deutschland schnitten sechs Monate nach Beginn der Coronapandemie in einem Intelligenztest schlechter ab als Vergleichsgruppen in den Jahren 2002 und 2012. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universitäten Trier und Chemnitz, die jüngst in der Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlicht wurde. Daran teilgenommen haben 424 Schüler aus vier Schulen in Rheinland-Pfalz.

Die Siebt- bis Neuntklässler wurden für die Studie zweimal getestet: im August und September 2020 und damit nach den Schulschließungen von Mitte März bis Anfang Juni sowie im Juli 2021. Die Ergebnisse hatten sich da zwar im Vergleich zu 2020 verbessert, der Rückstand zu 2012 wurde aber nicht aufgeholt.

Den Autoren der Studie zufolge liefern die Ergebnisse Anzeichen dafür, dass die Pandemie und die daraus resultierenden Probleme im Bildungsbereich die Intelligenzentwicklung von Schülern beeinträchtigt haben könnten. Allerdings gibt es auch Kritik an der Analyse. Unabhängige Experten stellen laut Science Media Center, einer Austauschplattform für Wissenschaftler und Journalisten, das Ergebnis nicht per se infrage. Sie weisen aber darauf hin, dass sich die Ergebnisse nur schwer verallgemeinern lassen. Die Hälfte der Schüler besuchte Hochbegabtenklassen. Zudem sei denkbar, dass die Unterschiede zwischen 2012 und 2020 auch durch andere Faktoren beeinflusst wurden.

Ergebnisse der Studie vorsichtig betrachten

Die Stichprobe sei zu klein, sagt Detlef Rost, Professor für Psychologie an der Southwest University in Chongqing, China. „Die Studie kann keine belastbare Aussage darüber machen, ob sich in der erfassten Stichprobe Pandemie-Stress – was immer das beinhalten mag – auf Intelligenz auswirkt.“ Professor Eva Stumpf von der Universität Rostock merkt an, die Ergebnisse könnten, „wie das Autorenteam selbst darlegt, nicht kausal interpretiert und nicht ohne Weiteres generalisiert werden”.

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Aus dem hessischen Kultusministerium heißt es, man könne und wolle nicht jede Studie kommentieren. Anders als bei den großen Bildungsstudien gebe es hierfür keine Auswertung des Ministeriums. Eigene Einschätzungen liefert das rheinland-pfälzische Bildungsministerium: Die Ergebnisse der Studie seien insofern relevant, als sie darauf hindeuten, dass sich insbesondere die erste Phase der Schulschließungen negativ auf die Lernleistungen ausgewirkt habe. „Dieser Effekt wurde bereits in zahlreichen Untersuchungen zumindest vermutet”, erläutert Ministeriumssprecher Ulrich Gerecke. Dass sich eine längere Beschulung positiv auf die Ergebnisse von IQ-Tests auswirkt, sei bekannt. Deshalb sei auch ein umgekehrter Effekt gerade im ersten Lockdown, als Schulen noch nicht auf den Fernunterricht vorbereitet waren, zu erwarten, sagt er.

Aufhol-Programme für Schüler seien hilfreich

Um die in der Pandemie entstandenen Wissenslücken der Schüler zu schließen, haben beide Länder Programme aufgelegt. „Wir erhalten von den Schulen die Rückmeldung, dass die Programme als hilfreich wahrgenommen und eingeschätzt werden”, heißt es etwa aus dem hessischen Kultusministerium. Auswirkungen auf die konkreten Leistungen der Schüler ließen sich aber noch nicht ablesen. In Rheinland-Pfalz würden Zwischenevaluationen darauf hinweisen, dass die Maßnahmen das Lernen unterstützen und dazu beigetragen haben, etwaige Lernlücken zu verringern oder zu schließen, erläutert Gerecke. „Die Maßnahmen wurden und werden gut angenommen.”