Grüne: Keine Einigung über Impfpflicht in einigen Bereichen

aus Coronavirus-Pandemie

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Ein Mensch wird gegen Corona geimpft. Foto: dpa

Zunächst hieß es von Seiten der Grünen, die angestrebte Ampel-Koaliton sei sich einig über eine Impfpflicht in manchen Bereichen, dann aber ruderte die Partei zurück.

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BERLIN. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist erneut gestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montagmorgen mit 303,0 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 289,0 gelegen, vor einer Woche bei 201,1 (Vormonat: 68,7) gelegen. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 23.607 Corona-Neuinfektionen. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 3.52 Uhr wiedergeben. Am vergangenem Donnerstag hatte die Zahl der Neuinfektionen mit 50.196 einen Rekordwert seit Beginn der Pandemie erreicht. Vor genau einer Woche hatte der Wert bei 15.513 Ansteckungen gelegen.

Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden 43 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 33 Todesfälle gewesen. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 5.045.076 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.

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Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen - den für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigsten Parameter - gab das RKI am Freitag mit 4,70 an (Donnerstag: 4,65). Der Wert wird am Wochenende nicht veröffentlicht. Bei dem Indikator muss berücksichtigt werden, dass Krankenhausaufnahmen teils mit Verzug gemeldet werden. Ein bundesweiter Schwellenwert, ab wann die Lage kritisch zu sehen ist, ist für die Hospitalisierungs-Inzidenz unter anderem wegen großer regionaler Unterschiede nicht vorgesehen. Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit bei rund 15,5.

Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 4.494.300 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 97 715.

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Ampel-Fraktionen verschärfen Corona-Pläne: Auch Kontaktbeschränkungen

Die möglichen Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP haben sich auf deutliche Verschärfungen bei der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes geeinigt. Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen sollen nun grundsätzlich auch Kontaktbeschränkungen angeordnet werden können, wie aus einer Vereinbarung von Vertretern der drei Fraktionen hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Dabei geht es um Ungeimpfte, wie Grünen-Chef Robert Habeck zuvor bereits in der ARD angedeutet hatte. Zudem sollen Ungeimpfte ohne negativen Test keine Busse und Bahnen mehr benutzen dürfen - unabhängig von der weiter geltenden Maskenpflicht.

"Die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten und im öffentlichen Raum anordnen zu können, soll in den Maßnahmenkatalog ergänzend aufgenommen werden", vereinbarten die Partner einer möglichen sogenannten Ampel-Koalition. Ohne diese Verschärfung der bisherigen Pläne wären Kontaktbeschränkungen nach dem Auslaufen des Rechtsstatus der Epidemischen Lage nationaler Tragweite zum 25. November nicht mehr möglich. An dem Vorhaben, diesen Sonderstatus zu beenden, halten die drei koalitionsbildenden Parteien aber fest. Einen Lockdown für Ungeimpfte lehnt aber beispielsweise der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch ab.

Grünen-Experte findet Verschärfung der Corona-Regeln sei nötig

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen dringt auf weitergehende Schritte zum Eindämmen der drastisch steigenden Corona-Zahlen. "Die Verschärfung der Schutzmaßnahmen war bitter nötig", sagte der Bundestagsabgeordnete am Montag der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf ergänzte Pläne der Ampel-Fraktionen. Dies werde helfen, mit der dramatischen Lage besser umzugehen. Aus der Vergangenheit und der Wissenschaft wisse man, dass Kontaktbeschränkungen die Virusverbreitung effektiv eindämmen können.

Die ergänzten Maßnahmen seien wichtige Schritte in die richtige Richtung, sagte Dahmen. Darüber hinaus halte er eine einrichtungsbezogene Impfpflicht weiterhin für nötig, um vulnerable Gruppe zu schützen. "Regionale Lockdowns sollten in Gegenden, in denen die Inzidenz durch die Decke geht, jetzt bereits umgesetzt werden, um die Virusverbreitung in den aktuellen Hochinzidenz-Gebieten kurzfristig einzudämmen."

Die möglichen künftigen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP wollen nach Angaben der Grünen über eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Bereiche sprechen. "Über eine Impfpflicht in besonderen Einrichtungen wird die Ampel erst noch in einem eigenen Verfahren, unabhängig vom Infektionsschutzgesetz, beraten", sagte eine Sprecherin der Fraktion am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Zuvor hatte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gesagt: "Wir werden eine Impfpflicht brauchen für Einrichtungen, bei Pflegeheimen, bei Kindertagesstätten et cetera. Wir werden das auf den Weg bringen", sagte Göring-Eckardt am Montag in Berlin. Auf Nachfrage hatte sie bestätigt, dass die Mitglieder der angestrebten Ampel-Koalition sich in dieser Frage einig seien. Nach späteren Angaben der Grünen-Fraktion ist dies aber nicht der Fall.

Eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Bereiche wäre nicht Bestandteil der Reform des Infektionsschutzgesetzes, die diese Woche beschlossen werden soll, sondern eines separaten Gesetzgebungsverfahrens, erklärte Göring-Eckardt.

SPD, Grüne und FDP haben verabredet, ihre Gesetzespläne für künftige Eindämmungsmaßnahmen nachzuschärfen. Unter anderem soll die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen doch nicht abgeschafft werden. Zudem soll in Bussen und Bahnen die 3G-Regel - also Zugang nur für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete - eingeführt werden.

Bundesländer sollen Handlungspielraum behalten

Allerdings sollen die Bundesländer auf Beschluss ihres jeweiligen Landtags bestimmte einzelne Maßnahmen beibehalten können, darunter beispielsweise: die Untersagung oder Beschränkung von Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie von Versammlungen, Betretensverbote in Gesundheitseinrichtungen, Alkoholverbote und die Schließung etwa von Hochschulen.

Auch die Länder bekommen aber kein Recht mehr auf Ausgangs- oder Reisebeschränkungen sowie zur Untersagung oder Beschränkung von Gastronomie- oder Hotelleriebetrieben, von Handels- oder Gewerbebetrieben sowie der Sportausübung. "So lässt sich einerseits regional unterschiedliches Infektionsgeschehen sehr gezielt bekämpfen, andererseits verlagern wir die Verantwortung auch dort von der Exekutive zurück in die Parlamente", hieß es zur Begründung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt darauf, dass Bund und Länder angesichts der Verschärfung der Corona-Lage in Deutschland an einem Strang ziehen. Es komme auf "ein gemeinsames und geschlossenes Handeln von Bund und Ländern" an, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Es gebe "eine deutliche Verschlechterung der Pandemielage". Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an diesem Donnerstag dränge. Nötig sei eine gemeinsame Vorstellung von zusätzlichen Maßnahmen ab einem Schwellenwert für Hospitalisierungen.

Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll künftig zusätzlich zur Maskenpflicht eine 3G-Regel gelten: "Wer ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, muss dann entweder geimpft, genesen oder getestet sein", wurde erläutert.

Angela Merkel hat die von SPD, Grünen und FDP geplante 3G-Regel im Nah- und Fernverkehr im Grundsatz begrüßt. Das machte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin deutlich. An der Grundhaltung der Kanzlerin, dass diese Regel im Nah- und Fernverkehr wünschenswert wäre, habe sich nichts geändert, sagte Seibert.

Dagegen zeigte sich der geschäftsführende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) skeptisch. Er verwies bei "Bild live" darauf, dass eine regierungsinterne Prüfung bereits ergeben habe, dass eine 3G-Regel in Fernverkehrszügen und im öffentlichen Nahverkehr nicht praktikabel und unverhältnismäßig sei - vor allem auch die Frage der Kontrolle. Scheuer warf der möglichen neuen Ampel-Koalition Planlosigkeit und eine "Nacht- und Nebelaktion" vor. Fahrgäste dürften nicht verunsichert werden. Es müssten nun alle Experten, Verbände und die Bahn an einen Tisch geholt werden.

Anfang Oktober hatte die Bundesregierung einer 3G-Regel in Bussen und Bahnen sowie Fernzügen noch eine Absage erteilt - also eine Mitfahrt nur für Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete mit entsprechendem Beleg. Damals hatte die Regierung erklärt, dass die Einführung einer 3G-Regel in ICE und Intercity beim jetzigen Stand der Pandemie derzeit nicht weiter verfolgt werde. Das Verkehrsministerium hatte erklärt, nach regierungsinterner Prüfung sei übereinstimmend festgestellt worden, dass eine solche Auflage "weder rechtlich möglich noch praktikabel" sei. Seibert sagte nun, die "Dringlichkeit der Lage" habe sich geändert.

Bei der Deutschen Bahn zeigt sich Unterstützung für die geplante Einführung der 3G-Regel im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Die Bahn werde alles unternehmen, um in der sich zunehmend zuspitzenden Corona-Lage bei der Eindämmung der Pandemie konstruktiv mitzuwirken, hieß es am Montag aus Unternehmenskreisen.

Bei 3G Auskunftsrecht der Arbeitgeber geplant

Bei der geplanten 3G-Regel am Arbeitsplatz ist nach den Worten von SPD-Fraktionsvizechef Dirk Wiese ein Auskunftsrecht der Arbeitgeber geplant. Wiese sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur: "Wir werden regeln, dass das Betreten einer Arbeitsstätte, in denen ein Personenkontakt nicht ausgeschlossen ist, Arbeitgebern und Beschäftigten nur mit einem Impf-, Genesenen- oder Testnachweis erlaubt ist. Das darf und muss der Arbeitgeber selbstverständlich abfragen."

SPD, Grüne und FDP wollen angesichts steigender Infektionszahlen eine 3G-Regel am Arbeitsplatz einführen. Das bedeutet, nur noch Geimpfte, Genesene oder Getestete haben einen Zugang zum Arbeitsplatz. Wirtschaftsverbände hatten in diesem Zusammenhang gefordert, dass Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Beschäftigten abfragen dürfen.

Corona-Maßnahmen sollen bis 19. März 2022 gelten

Die Maßnahmen sollen wie bisher schon vorgesehen bis zum 19. März 2022 gelten. Hinzu kommt nun aber eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit: "Der Bundestag wird ermächtigt, bis zum 19.3.2022 durch einen Beschluss die Geltungsdauer der Vorschriften um maximal drei Monate zu verlängern."

Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist in den Bundestag bereits eingebracht. An diesem Montag steht die zum Gesetzgebungsverfahren gehörende Anhörung von Experten an. Am Donnerstag soll das Parlament abstimmen.

Zahlreiche Kritiker besonders aus der Wissenschaft, aber auch Ländergesundheitsminister des potenziellen Koalitionspartners Grüne hatten in den letzten Tagen gerügt, dass die Ampel-Partner vorgesehen hatten, Kontaktbeschränkungen gänzlich auszuschließen.

Von dpa