A49-Aktivisten seilen sich von mehreren Autobahnbrücken ab

Die Vorwürfe der Aktivisten richten sich an die Grünen. Auf dem Plakat ist auch Tarek Al-Wazir zu erkennen. Foto: René Vigneron
© René Vigneron

Aktivisten sorgten mit dem Protest auf der A3, A5 und A661 gegen den Bau der A49 durch den Danneröder Forst für Stau und Sperren. Die Aktion stößt in der Politik auf harte Kritik.

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WIESBADEN/RHEIN-MAIN. Aus Protest gegen den Weiterbau der Autobahn 49 in Hessen haben sich am Montag Umweltaktivisten von mehreren Autobahnbrücken im Rhein-Main-Gebiet abgeseilt und so für Beeinträchtigungen im Berufsverkehr gesorgt. Zu einer Aktion kam es am Morgen an der Autobahn 3 zwischen dem Wiesbadener Kreuz und Niedernhausen. In Höhe von Breckenheim seilten sich die Aktivisten von einer Autobahnbrücke der Landesstraße zwischen den Wiesbadener Stadtteilen Igstadt und Breckenheim ab. Die Autobahn wurde in beide Richtungen zeitweise abgesperrt, wie eine Polizeisprecherin sagte. Auf Twitter wurde am frühen Morgen bereits ein Bild der Aktion mit dem hashtag #dannibleibt gepostet.

Künstlichen Stau erzeugen

"Dadurch, dass wir hängen, erzeugen wir einen künstlichen Stau und Aufmerksamkeit", sagte eine der Aktivistinnen auf der A3. Weitere Abseil-Aktionen gab es nach Angaben eines Polizeisprechers an der Autobahn 661 und an der Autobahn 5. Die Blockade stehe in Bezug zum Protest gegen die Rodung im Herrenwald und im Dannenröder Forst. Für den Weiterbau der Autobahn 49, die einmal Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden soll, werden derzeit bereits Bäume im Herrenwald gefällt, im Dannenröder Forst stehen die Rodungen noch bevor.

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In beiden Wäldern hatten sich Umwelt- und Klimaschützer in Baumhäusern und auf Plattformen verschanzt, um die Fällarbeiten zu verhindern oder aufzuhalten. Sie halten das Projekt für verfehlt, da es der Verkehrswende entgegenstehe. Befürworter versprechen sich dagegen von dem A49-Lückenschluss weniger Verkehrsbelastung und Lärm sowie ein geringeres Unfallrisiko in den Dörfern der Region, kürzere Wege für Pendler sowie eine bessere Anbindung an das Straßennetz.

Die Polizei hat die A3 entsprechend gesperrt. Foto: Wiesbaden 112
Die Polizei hat die A3 entsprechend gesperrt.
© Wiesbaden 112

Innenministers Beuth: "gezielter Angriff"

Der Hessischen Innenministers Peter Beuth verurteilt die Aktion: "Diese konzertierte Aktion hat nichts mit friedlichem Protest gegen den Lückenschluss der A49 zu tun. Das ist ein gezielter Angriff auf die Infrastruktur in unserem Land. Die Aktivisten, die heute Morgen zentrale Autobahnen im Rhein-Main-Gebiet durch ihre abgesprochenen Abseilaktionen blockiert und kilometerlange Staus produziert haben, haben aus dem schweren Unfall bei ihrer letzten Blockadeaktion nichts gelernt. Abermals greifen sie gefährlich in den Straßenverkehr ein, gefährden Menschenleben, um ihre radikale Gesinnung kundzutun. Erneut nötigen sie zehntausende Pendler, die in Pandemie-Zeiten ihrer Arbeit nachgehen möchten. Das hat nichts mit Umweltschutz zu tun, das sind linksradikale Aktionen, die außerhalb des demokratischen Konsens stattfinden und eindeutige Straftatbestände erfüllen. Ich rufe erneut alle Aktivisten auf, sofort solche gefährlichen Aktionen einzustellen und ausschließlich friedlich zu protestieren."

Mitte Oktober gab es eine ähnliche Abseil-Aktion auf der A3 bei Idstein. Dabei gab es im Stau einen Unfall mit einer schwer verletzten Person.

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UPDATE 13.22 Uhr: Nach mehreren Abseil-Aktionen von Umweltaktivisten an Autobahnbrücken im Rhein-Main-Gebiet sind die betroffenen Autobahnen wieder für den Verkehr freigegeben worden. Am Montagmorgen hatte die Polizei im Berufsverkehr sowohl die Autobahn 3 zwischen dem Wiesbadener Kreuz und Niedernhausen als auch die A661 zwischen Offenbach-Kaiserleikreisel und Taunusring und die A5 in Höhe des Luftbrückendenkmals und Zeppelinheim wegen der Protestaktionen zeitweise voll gesperrt. Dadurch kam es nach Angaben eines Polizeisprechers jeweils zu mehreren Kilometern Stau.

Um die Aktivisten von den Brücken zu holen, kamen auf die Höhenrettung spezialisierte Kräfte der Polizei zum Einsatz, die teils mit dem Hubschrauber zu den Einsatzorten gebracht wurden. Die Polizei nahm insgesamt 30 Aktivisten in Gewahrsam, darunter zwölf, die sich an den drei Brücken abgeseilt hatten sowie 18 weitere, die die Aktionen unterstützten. Auf der A661 kam es in diesem Zeitraum zu zwei Unfällen, ob ein Zusammenhang zu den Aktionen bestand, war nach Angaben eines Polizeisprechers aber zunächst unklar, die Ermittlungen dauerten an.

Schaden für Wirtschaft und Verkehr

Auch der Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK), Robert Lippmann, verurteilte die Aktionen am Montag in Wiesbaden: "Wir sehen mit Sorge, dass der Protest zunehmend in weitere Teile der Wirtschaft und des Verkehrs eingreift. Damit schaden diese Aktionen dem Wirtschaftsstandort Hessen." Der Lückenschluss der A49 habe alle demokratischen Prozesse durchlaufen, längst bestehe Baurecht. Die Wirtschaft und viele Menschen in der Region warteten bereits seit 40 Jahren auf das Projekt. Nord- und Mittelhessen würden besser angebunden, Anwohner und Pendler entlastet und der Wirtschaftsverkehr deutlich effizienter.

"Völlig unverantwortlich"

Äußerst kritisch mit Blick auf die Risiken sieht auch Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die Abseil-Aktionen der Aktivisten. "Ich halte das für völlig unverantwortlich", sagte Brockmann der Deutschen Presse-Agentur. Nicht umsonst seien an Autobahnbrücken auch keine Werbebanner erlaubt, weil die Autofahrer sich konzentrieren müssten. "Hier ist das exponenziell gesteigert", so Brockmann. So könne es zu Schreckbremsungen kommen, wenn Autofahrer etwa fürchteten, dass einer der Aktivisten auf die Straße stürze. "Diejenigen, die - aus ihrer Sicht - für das Gute und Edle stehe, sollten keine anderen Menschenleben gefährden", sagte Brockmann. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, kritisierte die Aktionen ebenfalls und warf zugleich den Grünen in Hessen eine unentschiedene Haltung zu dieser Form des Protestes vor. "Ich erwarte, dass die Grünen zu den Protestaktionen, die Leib und Leben anderer in Gefahr bringen, endlich eine klar ablehnende Position beziehen."

Auch Stefan Naas, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, verurteilt die Aktionen: "Was die sogenannten Aktivisten als Protest gegen den Weiterbau der A49 verstehen, hat mit friedlichen Demonstrationen nichts zu tun, sondern ist ein höchst riskanter Eingriff in den Straßenverkehr. Sie gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch andere", so der FDP-Politiker.

Klaus Gagel, verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, erklärte, es spreche nichts dagegen, auf demokratische Weise gegen den Ausbau der A49 zu demonstrieren, selbst wenn dieser auf allen Ebenen demokratisch entschieden worden sei. "Aber diese Abseilaktionen sind keine demokratiekonformen Proteste mehr, sondern gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr."