Jung und jüdisch: Chana Marks (17) aus Mainz

Chana Marks ist 17 Jahre alt. Sie besucht die zwölfte Klasse eines Mainzer Gymnasiums und gehört der Jüdischen Gemeinde Mainz an. Foto: Sascha Kopp

Woran sich zeigt, dass ich Jüdin bin? (lacht) Vielleicht daran, dass ich im Sommer, wenn meine Freundinnen Hotpants tragen, lange Röcke anziehe. Frauen sollten keine...

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MAINZ . Woran sich zeigt, dass ich Jüdin bin? (lacht) Vielleicht daran, dass ich im Sommer, wenn meine Freundinnen Hotpants tragen, lange Röcke anziehe. Frauen sollten keine Männerkleidung tragen und Männer keine Frauenkleidung, das gebietet mir meine Religion. Ich bin jüdisch erzogen, und weil sich meine Mutter im Lauf der Zeit mehr und mehr mit unserer Religion befasst hat, habe auch ich angefangen, mich dafür zu interessieren. Heute setze ich mich jede Woche ungefähr drei bis vier Stunden intensiv mit allem auseinander, was zu unserer Religion dazugehört. Ich besuche den Unterricht in der Synagoge und diskutiere mit meiner Lernpartnerin über das, was wir dort hören. Im Grunde lebe ich in zwei Welten: hier meine nicht-jüdischen Schulkameraden – und dort mein jüdischer Freundeskreis, mit dem ich so viele Gemeinsamkeiten teile und in dem ich mich aufgehoben fühle. Früher habe ich nicht über meine Religion gesprochen. Warum auch? Zum einen ist das doch etwas sehr Privates – Christen erzählen ja auch nicht einfach so, welcher Religion sie angehören. Und außerdem besteht in Deutschland durchaus die Gefahr, ausgeschlossen zu werden, wenn man jüdisch ist. Einer Freundin, die auf die Realschule ging, ist genau das passiert. Nachdem sie erzählt hatte, dass sie jüdisch ist, wurde sie regelrecht gemobbt.

Mir persönlich ist krasser Antisemitismus noch nicht begegnet. Zwar gab es schon ein paar merkwürdige Sprüche, als an meiner Schule bekannt wurde, dass ich Jüdin bin. Da fielen Sätze wie ,Du hast ja gar keine Goldzähne‘ oder ,Alle Juden sind doch reich‘ oder ,Deine Nase ist gar nicht krumm‘. Das war vermutlich lustig gemeint. Was mich allerdings richtig aufbringt: Wenn ich mich für israelische Politik rechtfertigen soll. Warum eigentlich? Es käme doch auch niemand auf die Idee, einen deutschen Protestanten aufzufordern, die Politik des Protestanten Donald Trump zu verteidigen! Oft verbirgt sich hinter Israel-Kritik nichts anderes als Antisemitismus – dann nämlich, wenn ,jüdisch‘ mit ‚israelisch‘ gleichgesetzt wird. Meiner Beobachtung nach hat der Antisemitismus zugenommen: Hier läuft was schief. Das darf nicht totgeschwiegen werden. Und Juden sollten nach der Shoah weder in die Opferrolle gedrängt werden noch in die Täterrolle, wenn es um den Nah-Ost-Konflikt geht.“

Von Aufgezeichnet von Birgit Schenk