Es ist paradox: Während Ex-05-Torwart Heinz Müller vor dem Arbeitsgericht seinen Kampf für Rentenverträge im Fußball verloren hat, zeigt mit Pierre-Emerick Aubameyang...
. Die Fußballwelt ist verrückt. Da hat gerade der ehemalige Torwart Heinz Müller vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt geklagt, die Befristung von Spielerverträgen in der Bundesliga sei nicht rechtens. Hätten die Richter diesen Fall, der geprägt war von einem Denken in Tarifkategorien für angestellte Normalsterbliche, nicht abgeschmettert, dann hätte ein Klub theoretisch jeden Spieler, der an diesem Standort seine Karriere beendet, bis zum Renteneintritt mit 65, 66 oder 67 auf der Gehaltsliste behalten müssen. Klar, absurd. Auf der anderen Seite beamen sich mit Millionengehältern dotierte Stars der Branche mit erpresserischen Methoden aus bestehenden Verträgen.
Déjà-vu für Borussia Dortmund
Borussia Dortmund kämpft gerade binnen weniger Monate zum zweiten Mal mit einem Profi, der keinen Bock mehr hat auf die Anstellung bei seiner Firma. Der junge Ousmane Dembélé hat im vergangenen Sommer das Training boykottiert, um seinen Wechsel zum FC Barcelona zu erzwingen. Pierre-Emerick Aubameyang hielt sich in der vergangenen Woche fern von einer Mannschaftssitzung mit dem Thema „Teamgeist“. Jetzt steht der begnadete Sprinter und Torjäger vor einem Wechsel zu Arsenal London.
Wir müssen ob dieser Vorgänge nicht in Tränen ausbrechen. Die renitenten Spieler bekommen ihren Willen, sie verbessern sich finanziell (Gehalt, Bonus-Zahlungen, Werbewirksamkeit) und eventuell auch sportlich. Das abgebende Fußballunternehmen kassiert utopische Ablösesummen, mit denen sich der Verlust an individueller Qualität durch den Einkauf von neuen leistungsstarken Profis mit etwas Glück kompensieren lässt; zudem kann es für die innere Dynamik im Kader von Vorteil sein, dauerhafte Störfaktoren loszuwerden. Einen Haken hat die Sache natürlich: Die notwendigen Umbaumaßnahmen können das aktuelle Erfolgsziel gefährden.
Der Verlust von Wertevorstellungen wie Vertragstreue, Arbeitsethos oder emotionaler Bindung führt allerdings in jedem Fall dazu, dass der Profibetrieb immer intensiver als moral- und gesetzlose und ausschließlich am Profit orientierte Wild-West-Branche wahrgenommen wird.
Déjà-vu für Peter Stöger
Die medial extrem unter Beobachtung stehenden Trainer sind in diesem unwürdigen Spiel oft die ärmsten Schweine. Das kurioseste Beispiel: Peter Stöger. In Köln hat der humorvolle Österreicher im Sommer seinen überragenden Torjäger Anthony Modeste verloren. Für den verschuldeten Klub war das wirtschaftlich betrachtet ein Segen. Sportlich war der Franzose (45 Tore in 73 Pflichtspielen für die Geißböcke) unersetzbar. Nach einer beispiellosen Misserfolgsphase wurde der anerkannte Cheftrainer gefeuert. Wie durch ein Wunder ging für den 51-Jährigen die Tür in Dortmund auf: Der größten Enttäuschung in der Karriere Stögers folgte binnen weniger Tage der Sprung zu einem international bewährten Spitzenklub. Ein Traum.
Und jetzt? Kaum hat Peter Stöger damit begonnen, die sportlich ins Wanken geratene Borussia zu stabilisieren, da springt ihm (sehr wahrscheinlich) kurz vor Ende der Winter-Wechselperiode der überragende Torjäger ab: Aubameyang, 98 Tore in 143 Pflichtspielen für die Dortmunder. Wen auch immer Sportdirektor Michael Zorc da in den nächsten Tagen als Nachfolger präsentieren mag, die Saisonquoten des eigenwilligen Mannes aus Gabun, der gerne mit Sportfahrzeugen im Wert von einer halben Million Euro zum Training vorfährt, sind aus einer anderen Welt.
Kommunikative Verrenkungen nötig
Kommunikativ müssen sich die Verantwortlichen in diesen Situationen verrenken. „Ich plane mit Aubameyang, so lange er Gas gibt bei der Arbeit“, verkündete Stöger vor dem anstehenden Auswärtsspiel gegen Hertha BSC. „Wenn da in den nächsten Stunden nichts dazwischenkommt, dann ist er in Berlin dabei.“ Ein Statement zum Spitzenverdiener im Kader. Kurz darauf erklärte Zorc, der Torjäger bleibe zu Hause, weil er im Kopf mit anderen Dingen beschäftigt sei und in Berlin nicht helfen könne.