Darum geht der Bahnstreik trotz Angebot weiter

GDL-Chef Claus Weselsky. Foto: dpa

Am Mittwochabend hat die Bahn noch ein neues Angebot vorgelegt. Die GDL hält am Streik fest.

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BERLIN. Die Lokführergewerkschaft GDL hat trotz eines neuen Tarifangebotes der Deutschen Bahn mit ihrem fünftägigen Streik im Personenverkehr begonnen. Wie der Konzern am Donnerstagmorgen mitteilte, gilt seit der Nacht ein Ersatzfahrplan, mit dem etwa 25 Prozent der Fernzüge fahren sollen. Für den Regionalverkehr besteht demnach das Ziel, 40 Prozent des regulären Angebotes zu fahren. GDL-Chef Claus Weselsky wies die neue Offerte am Morgen zurück. "Der Streik geht weiter."

An Drehkreuzen wie in München oder Hannover war die Lage zunächst ruhig, weil sich offensichtlich viele Fahrgäste über den Ausstand informiert hatten. "Die Streikbeteiligung ist gut, denn der Frust ist gewaltig", sagte ein GDL-Sprecher in Bayern. Die Bahn empfiehlt, Reisen zu verschieben. Alle gebuchten Fernverkehrstickets für die Zeit des Streiks sollen ihre Gültigkeit behalten. Bei Sparangeboten wird die Zugbindung aufgehoben.

Der Ausstand ist im aktuellen Tarifstreit der dritte und soll bis zum frühen Dienstagmorgen dauern. Im Güterverkehr lief die Streikwelle bereits am Mittwoch an. Kurz danach legte die Bahn ein neues Angebot vor. Es enthält eine Corona-Prämie bis zu 600 Euro und sieht eine Laufzeit des Tarifvertrags von 36 Monaten vor. Bislang hatte der Konzern eine Laufzeit von 40 Monaten angeboten und die Höhe der Prämie nicht beziffert.

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Angebot der Bahn enthält eine Corona-Prämie

Das neue Angebot der Bahn enthält eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro und sieht eine Laufzeit des Tarifvertrags von 36 Monaten vor, wie das Unternehmen mitteilte. Bislang hatte die Bahn eine Laufzeit von 40 Monaten angeboten und die Höhe der Prämie nicht beziffert. Das Angebot sei der GDL schriftlich unterbreitet worden, hieß es. Konkret bietet die Bahn an, eine Corona-Prämie in gleicher Höhe wie im Öffentlichen Dienst zu zahlen: Je nach Entgeltgruppe würden damit bei der GDL 400 oder 600 Euro ausgeschüttet.

Tatsächlich gehört eine Corona-Prämie in Höhe von 600 Euro zu den zentralen Forderungen der GDL. Bei der Laufzeit will sie allerdings nicht über 28 Monate hinausgehen. Außerdem will sie, dass die erste Tarifstufe von 1,7 Prozent noch im laufenden Jahr gezahlt wird. Die Bahn hatte für dieses Jahr bislang eine Nullrunde angestrebt. Aus dem neuen Angebot geht zunächst nicht hervor, ob sich daran etwas geändert hat.

Die Deutsche Bahn steht vor dem Problem, dass sie bei ihren Angeboten auch den Abschluss mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Blick haben muss, die mit der kleineren GDL im Konzern um Einfluss konkurriert. Mit der EVG hatte sich die Bahn im vergangenen Jahr auf eine Einkommenserhöhung von 1,5 Prozent ab Anfang 2022 sowie eine Beschäftigungsgarantie geeinigt. Sollte die GDL nun einen besseren Abschluss erzielen, würde dieser mehr oder weniger automatisch auch für die EVG übernommen. Das gilt auch für die nun vorgeschlagene Corona-Prämie. Für den finanziell schwer angeschlagenen Bahn-Konzern ein teures Unterfangen.

Unterdessen hielt die Ungewissheit der Bahnkunden mit Blick auf den Streik im Personenverkehr am Abend an. Sollte die GDL an ihren Plänen festhalten, wäre es innerhalb von wenigen Wochen die dritte und bislang längste Streikrunde im aktuellen Tarifstreit. Insgesamt mehr als fünf Tage sollte der Streik diesmal dauern. Erst ab Dienstagmorgen könnte der Bahnverkehr wieder weitgehend normal laufen.

Doch auch für Logistik-Unternehmen und die Wirtschaft hat der Arbeitskampf Auswirkungen. "Auch bei Unternehmen, die vorgesorgt haben, sind irgendwann die Lager leer", sagte ein Logistikexperte des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik am Mittwoch. "Es kann dadurch schon zu ersten Ausfällen kommen." Das gelte auch für Unternehmen im benachbarten Ausland, denn der Streik durchtrenne europäische Lieferketten.

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Zwar hält die Deutsche Bahn nur noch rund 43 Prozent am Güterverkehr auf der Schiene, das übrige Geschäft übernehmen Konkurrenten. Doch die Bahn dominiert den Einzelwagenverkehr, auf den etwa die Chemie-Industrie in vielen Fällen angewiesen ist. Dabei werden Einzelwaggons in großen Rangierbahnhöfen zu langen Zügen zusammengestellt.

Im Hintergrund des Tarifkonflikts schwelen nicht nur finanzielle Fragen: Es geht auch um den Machtkampf zwischen EVG und GDL, der durch das sogenannte Tarifeinheitsgesetz komplizierter wird. Das Gesetz sieht vor, dass nur noch die Tarifverträge der größeren Gewerkschaft in einem Betrieb angewendet werden. Aus Sicht der Bahn ist das in den meisten der rund 300 Tochter-Betriebe die EVG.

Die GDL sieht das anders und versucht derzeit, ihren Einflussbereich auszuweiten. "Man muss deutlich machen, dass man besser ist als die andere Gewerkschaft, dass man die echte Gewerkschaft ist und dass man auf diesem Wege in der Lage ist, die zukünftige Mehrheitsposition einzunehmen", erklärt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel das aktuelle Vorgehen der GDL. Dies funktioniere vor allem über Konflikte und entsprechende Forderungen.

Dass eine der beiden Seiten in naher Zukunft von ihrer jeweiligen Position abrücken könnte, ist derzeit nicht absehbar. Eine Schlichtung, wie sie bereits im vergangenen Herbst unter der Leitung des früheren Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) versucht wurde, lehnt die GDL derzeit ab. Am Mittwoch äußerte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Hoffnung, dass in diesem Konflikt "zügig eine für alle Seiten tragfähige Lösung" gefunden werde.

Von dpa