Corona-Krise: Wenn das Essen per Rutschbahn ins Auto kommt

aus Coronavirus-Pandemie

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Thomas Metzmacher vom "Lahmen Esel" versorgt seine Kunden weiterhin mit Essen.  Bild: Nadine Peter

Aufgrund der Corona-Krise kämpfen viele Firmen um ihre Existenz. Um sich über Wasser zu halten, werden einige Unternehmer aber auch erfinderisch und stampfen kreative...

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REGION. In dem kleinen Stoffatelier „Little Heroes“ in der Wiesbadener Webergasse werden normalerweise Kleidchen und Hemden für Kinder genäht und Stoffe verkauft. Aktuell geht das nicht. Das Geschäft musste aufgrund der strengen Corona-Vorschriften der Politik schließen. Von heute auf morgen wurde Inhaberin Ann-Katrin Fischer ihre komplette Existenzgrundlage entzogen. „Mir ist alles weggebrochen“, erzählt sie.

Stoffmasken statt Kinderkleidung

Den Kopf in den Sand zu stecken war für Fischer aber keine Option. Sie hat direkt überlegt, wie sie trotzdem weitermachen kann. Ein Onlineshop kam für sie nicht infrage. Dafür sei sie zu klein. Als ein Freund aus Wien sie anrief und ihr berichtete, dass in Tschechien die Stoffläden schon wieder öffnen durften, damit die Leute sich Stoffe für selbstgenähte Gesichtsmasken kaufen können, hatte sie die zündende Idee: Sie darf ihren Laden zwar nicht normal öffnen, aber Stoffmasken kann sie problemlos selbst nähen und diese an Supermärkte und Privatpersonen verkaufen. Noch in der gleichen Nacht legten sie und ihre Mitarbeiterin Donata Zima mit der Maskenproduktion los.

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Bestellt werden die Stoffmasken per WhatsApp oder Mail. „Das hält mich ein bisschen, aber auch wirklich nur ein bisschen über Wasser“, verrät sie. Nach allen Abzügen an Materialen und Zeit bliebe „ein Hungerlohn“ übrig. „Aber es ist wenigstens ein bisschen was“, sieht Fischer das Ganze unterm Strich positiv.

Essen per Rutschbahn direkt ins Auto

Positiv und gut gelaunt ist auch der Wirt des Gasthauses „Zum Lahmen Esel“ in Frankfurt, Thomas Metzmacher. Obwohl auch er sein Restaurant von jetzt auf gleich schließen musste, hat er weitergemacht und hat sich etwas einfallen lassen. „Zuerst“, erzählt er, „haben wir mit einem Lieferdienst angefangen.“ Das habe aber bei weitem nicht ausgereicht.

Also wurde der Lieferservice wieder eingestellt. Und gleichzeitig ein Drive-In eröffnet. „Ich habe 38 Mitarbeiter. Ich musste irgendwie weitermachen.“ Aber ein Drive-In bei einem Bedienrestaurant? Das klingt erstmal merkwürdig, kennt man solch ein Modell doch nur von Fast-Food-Restaurants. Beim „Lahmen Esel“ wurde damit aber aus der Not eine Tugend gemacht. Das Wichtigste dabei: Der Mindestabstand von zwei Metern zwischen Verkäufer und Gast muss eingehalten werden. „Wir haben kurzerhand zwei Barhocker, ein Brett, eine Kiste und eine Teleskopstange genommen und liefern das Essen nun aus einem unserer Fenster per Rutschbahn direkt ins Auto“, freut sich der Gastronom über diese ausgefallene Idee. Und diese wird von den Kunden angenommen. „Es läuft wie verrückt, ich bin super happy. Wir verkaufen pro Tag zwischen 150 und 250 Essen. Sonntags auch mal 300“, so Metzmacher.

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Lieferdienst vor die Tür statt in die Schule

Einen Lieferdienst kann Ben Bantschow vom Caterer "Bantschow und Bantschow" zwar nicht anbieten. Aber auch er musste sich neuerfinden. Schließlich haben die Schulen, an die er sonst täglich rund 3.500 Mittagessen lieferte, schon seit Wochen geschlossen. „Als sich das zugespitzt hat, befand ich mich erstmal in einer Schockstarre“, berichtet der Familienvater. Dieser Zustand habe aber zum Glück nur kurz angehalten. „Wir haben dann schnell geschaltet und noch direkt an dem Wochenende, bevor die Schulen schließen sollten, einen Lieferdienst auf die Beine gestellt.“

Vor allem ältere Menschen, die jetzt nicht vor die Tür gehen sollten und Familien, in denen die Eltern im Homeoffice arbeiten müssen, nehmen dieses neue Angebot dankend an. „Wir liefern aktuell also nicht in die Schulen, sondern direkt vor die Haustür“, erklärt Bantschow. Über Nacht wurde ein Onlineshop aufgebaut und eine Versiegelmaschine bestellt, damit die Gerichte einzeln luftdicht verpackt werden können. Am ersten Tag wurden 40 Gerichte verkauft, inzwischen fahren die Mitarbeiter des Caterers zwischen Langen, Frankfurt, Darmstadt, Weiterstadt, Groß-Umstadt, Aschaffenburg und Miltenberg rund 400 täglich Mittagessen aus. Dennoch könne man damit gerade mal zehn Prozent des eigentlichen Umsatzes abfangen.

Vom Gin zu Desinfektionsmittel

Ähnlich geht es dem „Spirituosenwerk“ in Rimbach. Marcel Gassert und sein Team verkaufen zwar dieser Tage noch ein wenig Genussalkohol. Aber auch dieses Unternehmen steckt in einer wirtschaftlichen Krise. „Es war unvorhersehbar, dass das so kommt“, erzählt Gassert. Doch auch der junge Unternehmer hat sein eigentliches Geschäftsmodell einmal auf links gekrempelt. „Wir haben aus der Bevölkerung vielfach gehört, dass es einen extremen Bedarf an Desinfektionsmitteln gibt, der nicht ansatzweise von der Industrie gedeckt werden kann. Da war uns klar, dass wir etwas tun müssen und können“, meint Gassert.

So kam es, dass im „Spirituosenwerk“ nun Flächen- und Händedesinfektionsmittel in großen Mengen hergestellt wird. „Wir haben uns erstmal informiert, wie man das Ganze umsetzen kann. Also welche Rohstoffe man braucht und so weiter“, erklärt er. Bis zur Markteinführung der neuen Produkte habe es nur eineinhalb Wochen gebraucht. „Wenn man die Krise dafür nutzen kann, etwas Vorteiliges für die Bevölkerung zu produzieren, dann ist das natürlich das Schönste der Welt“, freut sich Gassert.