Ab Donnerstag hat Papst Franziskus zu einem Spitzentreffen in den Vatikan geladen, um die Missbrauchsvorwürfe aufzuarbeiten. Wie sieht es im Bistum Limburg aus?
WIESBADEN. Jahrzehntelang war nichts passiert. Jetzt plötzlich wird der sexuelle Missbrauch durch Priester, Diakone und Ordensangehörige Zug um Zug aufgearbeitet: Im Januar hatte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt die in Hessen vertretenen Bistümer Limburg, Mainz und Fulda gebeten, ihr sämtliche Akten zu übermitteln, in denen Missbrauch dokumentiert ist. Alle drei Bistümer haben zwischenzeitlich Tabellen der bekannt gewordenen Fälle vorgelegt, so ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage dieser Zeitung. Nunmehr werde geprüft, ob unter den gemeldeten Fällen auch strafrechtlich relevante seien, die den Strafverfolgungsbehörden bislang noch nicht gemeldet worden waren. Auslöser war eine Strafanzeige von Rechts-Professoren: Sie hatten Zweifel daran, dass die katholische Kirche in ihrer deutschlandweiten Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen“ tatsächlich alle Fälle benannt hat. Die Studie war im September vorgestellt worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass nunmehr auch all jene ins Visier geraten, die in den Jahrzehnten zuvor sexuellen Missbrauch von Geistlichen vertuscht hatten. Geprüft werde, ob es zu einer Straftat durch Unterlassen gekommen war.
Damit könnten die Spitzen der Diözesen in den Blickpunkt rücken: Generalvikare und sogar Bischöfe, vor allem aber die Personaldezernenten der Bistümer. Die Strafverfolgungsbehörde wird zu prüfen haben, ob einer von ihnen zum Einschreiten verpflichtet war, als ihm Missbrauchsfälle gemeldet wurden.
Pfarrer nach Selbstanzeige plötzlich verschwunden
Auch das Bistum Limburg hat jetzt einen externen Juristen beauftragt. Er soll untersuchen, ob und von wem Missbrauch vertuscht worden war. Mit einem Ergebnis der Prüfung wird im März gerechnet.
In den vergangenen Jahren waren immer wieder Fälle bekannt geworden, in denen Pfarrer, die des Missbrauchs beschuldigt worden waren, in eine andere Gemeinde oder ein anderes Bistum versetzt wurden. „Früher dachte man, der Priester wird ermahnt, dann kommt das nicht mehr vor“, so Pfarrer Georg Franz, seit 2015 Personaldezernent des Bistums Limburg. Doch waren die Pfarrgemeinden über die Umstände der Versetzung im Unklaren gelassen worden.
So hat das Bistum Limburg erst in diesen Tagen den Fall eines Frankfurter Pfarrers publik gemacht. Der Mann war 2007 fast über Nacht verschwunden. Er habe sogar seinen Hund zurückgelassen, erinnert sich ein Pfarrer. Gleichwohl kochte die Gerüchteküche in den betroffenen Bockenheimer Pfarrgemeinden. Und schon damals hatte manch einer vermutet, der verschwundene Geistliche habe sich des Missbrauchs schuldig gemacht. Oder er habe „was mit jemanden“ gehabt.
Offiziell hieß es damals, der Geistliche habe einen Nervenzusammenbruch erlitten. Erst jetzt legte das Bistum nach: Zu seinem Kollaps sei es damals gekommen, nachdem er sich selbst wegen jahrelangen Missbrauchs eines Jugendlichen angezeigt hatte, den er nicht in Bockenheim, allerdings in Frankfurt-Oberrad begangen hatte. Den Fall hat das Bistum erst Jahre später – 2010 – der Staatsanwaltschaft übergeben, als er strafrechtlich verjährt war. Zum 31. Dezember 2011 wurde er in Ruhestand versetzt.
Von Christoph Cuntz