Antje Pieper: "Ein Puzzle der Informationen"

Moderatorin des "ZDF-auslandsjournals": Antje Pieper Foto: ZDF/Jana Kay

Die ZDF-Moderatorin spricht im Interview über Fake-News, den Umgang der Medien mit dem Ukraine-Krieg und ihren Besuch in Estland.

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MAINZ. Kurz vor Beginn des Ukraine-Krieges war Antje Pieper noch in Estland, in diesen Tagen richtet die Leiterin der Redaktion Sondersendungen beim ZDF immer wieder in unterschiedlichen Formaten den Blick auf die neusten Entwicklungen. Die Moderatorin des "auslandsjournals" spricht im Interview über den verantwortungsvollen Umgang der Medien mit dem Thema, das Problem Fake-News und den Einsatz der Reporter vor Ort.

Frau Pieper, Sie waren Mitte Februar selbst noch in Estland. Mit welchem Gefühl sind Sie damals schon abgereist? Wir haben eine große russische Gemeinde besucht und standen direkt an einem Grenzfluss, also nur wenige Meter von Russland entfernt. Russland war so nah und trotzdem hat niemand mit dem gerechnet, was kurz darauf eingetroffen ist. Man hörte damals schon, dass Russland aufrüstet. Wir waren selbst bei einer freiwilligen Heimatwehrübung mit NATO-Unterstützung zu Besuch – aber das machen sie regelmäßig. Jetzt blickt man da natürlich mit anderen Augen drauf. Estlands Premierministerin Kaja Kallas sagte mir, man müsse Wladimir Putin die Stirn bieten, zumal ein Diktator nicht nach unserer demokratischen Denkweise handeln würde. Sie sollte Recht behalten. Wir werden wohl in den nächsten Tagen wieder einen Fokus auf die Situation in Estland und Finnland werfen.

Das ZDF bringt viele Reportagen, viele Bilder. Worauf müssen Sie bei einem solchem Krieg achten? Wir versuchen, diese unfassbaren Bilder möglichst sachlich zu zeigen. Wir schmücken nichts aus, zeigen es so, wie es ist. Natürlich spielen Bilder vom menschlichen Leid eine Rolle, wir wollen O-Töne der Menschen vor Ort bringen. Genauso wollen wir zudem Einschätzungen von Experten zu militärischen Strategien transportieren, ein weiterer Fokus gilt beispielsweise der geopolitischen Lage. Wie reagiert die Nato? Braucht es fixe Truppen in Estland? Welche Auswirkungen haben die Sanktionen? Wie steht es um die Oligarchen? Und wie ergeht es natürlich auch den Russen selbst? Es ist schließlich kein Krieg der russischen Bevölkerung, sondern Putins Krieg. Es sind also viele Facetten mit täglich wechselnden Fokussierungen.

Wie geht es Ihren Reportern vor Ort? Wir haben aktuell zwei Reporter in der Ukraine. Aber keinen in Kiew – denn Sicherheit steht an erster Stelle. Sie müssen natürlich auch immer wieder in Luftschutzkeller (oder Bunker), die Situation ist nicht einfach.

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Sie haben unter anderem lange in Italien gearbeitet, kennen Europa sehr gut. Welchen Effekt hat dieser Krieg für Europa? Man spürt deutlich, dass Europa in diesen Tagen enger zusammengerückt ist. Das hätte Putin selbst wohl nicht gedacht. Dies hatte mutmaßlich Einfluss auf seine Entscheidung. Wie lange es in Europa so bleibt, ist wiederum eine andere Frage. Schließlich gibt es weiterhin viele Herausforderungen – sogar mehr denn je.

Propaganda und Fake-News beeinflussen auch diesen Krieg wieder. Wie können Sie Meldungen und Bilder verifizieren? Das ist eine große Herausforderung für uns. Wir müssen viele Informationen gedanklich durchspielen, ob sie so überhaupt einen Sinn ergeben. Dazu uns Expertenmeinungen einholen. Nehmen Sie Lawrows Behauptungen, die Ukraine hege zur Zeit Atom-Ambitionen. Da war schnell klar, dass dies völlig abwegig ist. Bei Bildern ist dies nicht immer so einfach. Es ist oft ein Puzzle der Informationen, das uns letztlich zu einer fundierten Einschätzung führt.