Nach einem Jahr zieht die Kontrollgruppe Argus der Wiesbadener Polizei Bilanz zu ihrem Schwerpunktthema Raser und Poser. Die Fahrer zeigen nur sehr selten Einsicht.
WIESBADEN. Der Arm hängt lässig aus dem Autofenster, der Motor heult, die „Show“ am Biebricher Rheinufer kann beginnen: Ein Mann fährt mit seinem hochwertigen Sportwagen die Rheingaustraße entlang bis zum Kreisel Glarusstraße, wendet dort und fährt zurück bis zur Straße Am Parkfeld. Dort wendet er erneut, um die Strecke wieder zurückzufahren. Das wiederholt er gleich mehrere Male, zwischendurch lässt er den Motor wieder laut aufheulen, indem er im Leerlauf aufs Gaspedal drückt. Aufmerksamkeit erregen, lautet sein Ziel. Die vielen Spaziergänger sowie Gäste des Weinstands und der Eisdiele an dem sonnigen Sonntag schauen hin. Ziel erreicht.
Bußgeld für unnützes Hin- und Herfahren auf 100 Euro erhöht
Sein Pech: Auch die Kontrollgruppe (KG) Argus der Wiesbadener Polizei beobachtet die Szene mit Videogerät – und schreitet ein. Nach der Personen- und Fahrzeugkontrolle wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet. Heißt: Es gibt 100 Euro Bußgeld für „unnützes Hin- und Herfahren“ des Auto-Posers (vor einem Jahr: nur 20 Euro). „Hier war der Tatverdacht eindeutig. Es handelte sich nicht um jemanden, der zum Beispiel nach einem Parkplatz sucht, denn es gab genug freie Stellplätze im Umfeld“, erinnert sich Polizeihauptkommissar Florian Thrun im Gespräch mit dieser Zeitung. Er ist Leiter der KG, die vor Kurzem ihre Bilanz für das erste Jahr veröffentlicht hat.
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Die Kontrollgruppe ist wegen der enormen Zunahme der Fälle um Raser und Poser („Profilierungsfahrer“) entstanden und besteht aus drei Beamten und einem Wachpolizisten. Sie führt seit 2021 – zivil oder uniformiert – zielgerichtete Kontrolltage zu bestimmten Themen durch. Dazu gehören auch „Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss“ oder „Gurtpflicht“ (siehe Kasten). Diese stationären oder mobilen Kontrollen ergänzen das Tagesgeschäft der Polizeireviere, die die KG unterstützen.
Für die Kontrollgruppe stellen Raser und Poser den Schwerpunkt dar: An ihren 36 Kontrolltagen zu diesem Themengebiet konnten 15 illegale Straßenrennen im Jahr 2021 verhindert werden: Wenn sich Autos an einer Ampel formieren und die Motoren hochjagen, wird frühzeitig gehandelt. „Da Rennen eine enorme Gefährdung für Leib und Leben darstellen, wird nicht erst gewartet, bis der Straftatbestand erfüllt ist“, erläutert Thrun. Dabei werde auch der Fahrzeugschlüssel präventiv sichergestellt, was die KG 39 Mal im Jahr 2021 gemacht hat. Wie in folgendem Fall: „Wenn ein Auto vor dem Schloss innerhalb von Sekunden auf 120 Stundenkilometer beschleunigt, dann war das nicht aus Versehen. Dann müssen wir einschreiten, um größeren Schaden abzuwenden.“
Insgesamt haben dennoch 15 illegale Rennen im Jahr 2021 stattgefunden, fünf davon hat die KG festgestellt. 2020 waren es noch insgesamt 20 erfasste Rennen. Knapp 3000 Geschwindigkeitsverstöße hat die KG allein an den Kontrolltagen zu Rasern und Posern registriert. Bei den Kontrollen zu all ihren Themengebieten waren es insgesamt sogar mehr als 17.000.
Nicht mit der seriösen Tuning-Szene gleichsetzen
Sogenannte Auto-Poser haben 35 Platzverweise im Jahr 2021 erhalten: „Diese gelten in der Regel bis zum Ende der Nacht. Wir müssen die Verhältnismäßigkeit wahren“, sagt Thrun. Die Fahrer können auch wegen Belästigung durch „unnötigen Lärm“ oder „vermeidbarem Abgasausstoß“ mit 80 Euro bestraft werden. „Einige lassen sich die Schalldämpfer an der Abgasanlage entfernen, teilweise sind sie dann weit über 100 Dezibel laut.“ Nicht jedes Tuning – also das nachträgliche Modifizieren etwa der Optik oder Akustik des Autos – ist erlaubt. Zudem müssen Umbauten von offizieller Stelle abgesegnet werden. „Bei Posern ist das oft nicht der Fall.“
Der Polizeibeamte betont, dass man diese Poser nicht mit der seriösen Tuning-Szene gleichsetzen darf. „Sie kritisieren im Gespräch mit uns, dass wir alle über einen Kamm scheren. Dabei haben wir mit diesen Fahrzeugliebhabern, die das als Hobby betreiben, keine Probleme.“ Nicht jedes getunte oder hochmotorisierte Fahrzeug sei ein Poser-Auto.
Von Sachverständigen weiß Thrun, dass seit den gezielten Schwerpunktkontrollen viel mehr offizielle Tuning-Eintragungen vorgenommen werden. Auch gebe es deutlich weniger Beschwerden von Bürgern – dafür aber Lob, vor allem an stark belasteten Ausflugsorten wie der Kasteler Reduit oder dem Biebricher Rheinufer. Einsicht von den Fahrern komme übrigens kaum vor. „Wenn wir sie anhalten, sagen sie, dass das nie so passiert ist. Oder: ‚Machen Sie, was Sie wollen, mein Anwalt regelt das.‘“ Höchstens einer von zehn Rasern oder Posern gebe zu, dass er den Leuten imponieren wollte. Dann heiße es auch mal entschuldigend: „Sie wissen doch, wie es ist: Die Frauen gucken.“