„Kolibris” seilen sich von Brücke an A643 bei Mainz ab

„Wald statt Asphalt” fordern die Klimaaktivisten, die gegen den Ausbau der A 643 im Mainzer Sand bei Gonsenheim protestierten. Ein Demonstrationszug marschierte am Sonntag vom Mombacher Schwimmbad aus über die voll gesperrte Autobahn bis zur Brücke in der Kapellenstraße, von der sich drei Mitglieder des „Kolibri-Kollektivs” abseilten.
© Sascha Kopp

Klima-Aktivisten und Umweltgruppen haben gegen den geplanten Ausbau der Autobahn bei Gonsenheim protestiert. Die Polizei sprach von über 400 Teilnehmern, die Veranstalter von 700.

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Mainz. Mit Plakaten, Sprechchören, Trommeln machen die Demonstranten ihre Forderungen deutlich: „Rettet den Sand” oder „Stoppt Volker Unwissing” und „Bienenland im Mainzer Sand fährt der Wissing an die Wand” ist zu lesen. „Mehr Wald. Mehr Sand. Mehr Widerstand” skandieren die Umweltschützer. Sie protestieren am Sonntag gegen den von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) angestrebten beschleunigten Ausbau der Autobahn A 643. Besagte Autobahn ist für den Demozug zwischen dem Mainzer Kreuz und dem Anschluss Gonsenheim für vier Stunden voll gesperrt. Die Veranstalter sprechen später von knapp 700 Teilnehmern, die Polizei von etwa 420. Die Beamten sind mit 60 Kräften im Einsatz. Um 15.35 Uhr kann die Sperrung der Autobahn wieder aufgehoben werden.

Vom Parkplatz am Mombacher Schwimmbad aus machen sich gegen 13 Uhr Fußgänger und Radfahrer auf den Weg über den Zubringer auf die Autobahn. Auf der Brücke über die A 643 in der Kapellenstraße versammeln sich zeitgleich gut 20 Aktivisten des „Kolibri-Kollektivs”. Drei von ihnen seilen sich ab und entrollen Transparente, als die Teilnehmer des Protestzuges später eintreffen. „Autobahnbau stoppen. Wald statt Asphalt” steht da zu lesen. Die Männer sitzen gut gesichert in Gurten, die von der Brücke herabgelassen werden. Einer von ihnen, Aktivist „Quack”, verweist in einer Ansprache auf die Ausbaupläne an über 140 Autobahnen in Deutschland, durch die 80 Naturschutzgebiete mit einzigartiger Vegetation bedroht seien. Verkehrsminister Wissing solle mal lieber Tempo beim Ausbau der Bahnstrecken machen, sagt er unter dem Beifall der Anwesenden. „Wir können das Schlimmste der Klimakrise noch abwenden”, so „Quack” weiter, der darüber informiert, dass in ganz Deutschland am Sonntag Aktionen gegen den Autobahnausbau vom bundesweiten Bündnis „Wald statt Asphalt” stattfinden.

"Lenni bleibt" hieß es in Anspielung auf den Lennebergwald auf einem Plakat.
"Lenni bleibt" hieß es in Anspielung auf den Lennebergwald auf einem Plakat.
© Sascha Kopp

Neben dem „Kolibri-Kollektiv”, das sich nach eigenen Angaben der „Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aktiv in den Weg stellen” möchte, sind Klimaschutzgruppen wie „Fridays for Future”, die Fahrradfahrer von „Critical mass”, das „Bündnis Mainzer Sand”, Greenpeace und andere Umweltgruppen bei der Veranstaltung in Gonsenheim vertreten. Das Bündnis Mainzer Sand verweist auf 13.369 Unterschriften unter der Petition gegen den A 643-Ausbau im Naturschutzgebiet.

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„Wir wenden uns heute gegen den beschleunigten Ausbau der Autobahn, der die Belange des Umweltschutzes außer Acht lässt”, sagt ein Greenpeace-Mitglied aus Mainz. Eine Mitstreiterin ergänzt, eine temporäre Nutzung der Seitenstreifen an der Autobahn könne für Entzerrung sorgen. „Mehr Straßen haben noch nie für weniger Staus gesorgt, wo sollen denn die ganzen Autos noch hin?”, fragt eine Mainzerin, die per Fahrrad mit Mann und Kind zur Demonstration erschienen ist.

Umweltschützer haben auch Kohlekraftwerk in Mainz verhindert

Ute Wellstein (75) freut sich, dass so viele Demonstranten gekommen sind. „Wir haben ja 2009 auch schon ein Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue verhindert”, sagt sie, die nach eigenen Angaben schon 1961 auf die Straße ging. „Das war in Essen, da sollten damals die Karten für die Straßenbahn nicht mehr 25, sondern 50 Pfennig kosten. Wir haben einen Kompromiss erstritten – 35 Pfennig waren es am Ende.” So einen Kompromiss würde sie sich auch für die A 643 wünschen, etwa die temporäre Nutzung der Standstreifen bei hohem Verkehrsaufkommen.

Der beschleunigte Ausbau von Autobahnen sei nicht mehr zeitgemäß, sagt ein weiterer Teilnehmer der Protestveranstaltung. Angesichts des Klimawandels müsse der Individualverkehr reguliert und nicht noch weiter ausgebaut werden. Der Mainzer Sand sei Heimat seltener Tierarten, eine Betonpiste sei „das Gegenteil von Leben”, heißt es bei einer kleinen Kundgebung, die die Demonstranten auf dem Weg zur Brücke abhalten. Flora, Fauna, Habitat gehörten geschützt. Das Kolibri-Kollektiv wolle dazu anregen, „sich mit unserer privilegierten Lebensweise auseinander zu setzen”, die zur Zerstörung der Erde beitrage.

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Am Ende erklingt an der Autobahnbrücke noch der Protestsong „Power to the people”, bevor der Demozug wieder zurück läuft zum Schwimmbad. Von dort geht es mit dem Bus zurück an den Bahnhof, wo einige Teilnehmer wieder mit dem Zug abreisen.