Der Wiesbadener Hauptbahnhof kehrt ans Schienennetz zurück. Nach monatelanger Sperrung läuft der Bahnbetrieb wieder fahrplanmäßig.
Von Henri Solter und André Domes
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WIESBADEN - Sechs Monate war er vom Großteil des Verkehrs abgeschnitten, jetzt ist der Wiesbadener Hauptbahnhof wieder voll in Betrieb. Nachdem die Hauptgleise wegen der Sperrung und später Sprengung der Salzbachtalbrücke in den vergangenen Wochen wiederhergestellt worden waren, erfolgte am Mittwoch die Wiederaufnahme des fahrplanmäßigen Betriebs, der für den Bahnhof rund 500 Züge täglich bedeutet. Für Fahrgäste gab es zur Begrüßung am Mittwoch Gutscheine und Süßigkeiten, auf dem Bahnsteig der S-Bahn-Linien wurde den Kunden sogar der rote Teppich ausgerollt. Neben den wichtigen Linien S1, S8 und S9 fahren auch die Regionalverbindungen aus Aschaffenburg und auf der Rheingaulinie wieder das Drehkreuz der Landeshauptstadt an. Entsprechend groß war denn auch die Erleichterung bei den Verantwortlichen, die sich am Vormittag zu einem offiziellen Eröffnungstermin in der Bahnsteighalle eingefunden hatten.
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Um 0.54 Uhr rollte der erste Zug der S1 schon in der Nacht zum Mittwoch in den Bahnhof, die erste Abfahrt erfolgte planmäßig um 3.18 Uhr durch eine S8 in Richtung Hanau. Der Schienenersatzverkehr, der über Monate den Transport von Fahrgästen von und zu den kleineren Bahnhöfen Wiesbaden-Ost und Biebrich übernommen hatte, wurde mit der Wiederöffnung eingestellt. Noch bis zum 23. Dezember in Betrieb bleibt dagegen die Expressbuslinie vom Bahnhof Kastel zum Wiesbadener Hauptbahnhof. Vier der fünf von der Sperrung betroffenen Gleise der Haupttrasse sind bereits wieder aufgebaut. Das verbleibende fünfte, es handelt sich um ein Zusatzgleis in Richtung Biebrich und weiter in den Rheingau, soll im Februar folgen. Auswirkungen auf den Personenverkehr habe das vorübergehende Fehlen dieses Gleises aber nicht, heißt es seitens der Bahn.
Die ersten Züge fahren wieder in den Wiesbadener Hauptbahnhof ein.
(Foto: Lukas Görlach)
„Es ist ein Stück Normalität, das wir uns lange herbeigesehnt haben“, gab etwa Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) zu verstehen. Der Hauptbahnhof sei für Wiesbaden „das Tor zur Region“ und wegen der Verbindung zum Flughafen „auch ein Stück weit zur Welt“, auf das man zu lange habe verzichten müssen. Neben einem Dank an die Verantwortlichen bei der Bahn, den anderen Verkehrsgesellschaften und den beteiligten Behörden für das gute Krisenmanagement richtete Mende auch den Appell an die Bahn, die Einbindung Wiesbadens in den Fernverkehr noch zu verstärken: „Unser Bahnhof kann noch mehr.“ Komplimente verteilte auch Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) – und zwar an die Bahn-Verantwortlichen, die es nach der plötzlichen Sperrung der Trasse binnen kürzester Zeit geschafft hätten, Busse für den Schienenersatzverkehr bereitzustellen, Fahrpläne anzupassen und die kleineren Bahnhöfe herzurichten. Zusammen mit den Maßnahmen der Straßen- und der Sicherheitsbehörden lasse der Umgang mit der Brückenhavarie nur den Schluss zu: „Wir können Krise.“
Die Züge fahren wieder im Wiesbadener Hauptbahnhof. Foto: Lukas Görlach / VRM Bild
Die Züge fahren wieder im Wiesbadener Hauptbahnhof. Foto: Lukas Görlach / VRM Bild
Die Züge fahren wieder im Wiesbadener Hauptbahnhof. Foto: Lukas Görlach / VRM Bild
Die Züge fahren wieder im Wiesbadener Hauptbahnhof. Foto: Lukas Görlach / VRM Bild
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Auch Durststrecke für Gewerbetreibende
„Nur ein bisschen grantig“ sei er noch auf die Brücken-Verantwortlichen, sagte der Bahn-Bevollmächtigte für Hessen, Klaus Vornhusen, mit einem Augenzwinkern. Die Havarie habe alle Beteiligten völlig überraschend getroffen und sei, bei allen Provisorien, derer es bedurft hätte, professionell gemanagt worden. „Das muss man sich mal vorstellen. Da kriegst du freitagnachmittags einen Anruf und es heißt: Da ist eine Brücke, die nicht mehr gerade steht“, seien ihm die Ereignisse vom 18. Juni noch gut in Erinnerung. Eine Durststrecke erlebt hätten nicht nur die Fahrgäste, sondern nicht zuletzt auch die Gewerbetreibenden im Bahnhof und Bahnhofsmanager Benjamin Schmidt, die plötzlich ohne Züge und die damit verbundene Kundenfrequenz dagestanden hätten. Alle Betroffenen hätten Geduld bewiesen – auch das sei ein Grund, Danke zu sagen.
Nun, fügte RMV-Geschäftsführer André Kavai an, sei es vorrangiges Ziel, auch die Nutzer der Bahnen wieder in den Hauptbahnhof zurückzuholen. Bei der letzten Fahrgastzählung vor der Corona-Pandemie seien es knapp 44.000 Menschen gewesen, die täglich am Hauptbahnhof Wiesbaden ein-, aus- und umgestiegen seien.
Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtete Stationsmanager Benjamin Schmidt, die Bahn sei den Gewerbetreibenden zwar mit Erleichterungen bei den Pachtzahlungen entgegengekommen, vollends zu kompensieren gewesen seien die empfindlichen Einnahmeausfälle aber dadurch nicht. Wegen der fehlenden Vorwarnzeit habe man die verkehrslose Zeit im Hauptbahnhof auch nicht für größere bauliche Maßnahmen nutzen können – die Vorbereitungszeit für Auftragsvergaben und Anschaffungen habe schlicht gefehlt.
Wiesbaden neu bewegen e.V.
Auch wenn der Hauptbahnhof wieder in Betrieb sei, müssten Angebotsverbesserungen für die Fahrgäste vorgenommen werden, erklärt Wito Harmuth, Vorsitzender des Vereins „Wiesbaden neu bewegen e.V.“. Er fordert: Taktverdichtungen und Maßnahmen zur Fahrplanstabilisierung auf der Regionalbahnlinie 10 vom Rheingau über Wiesbaden nach Frankfurt. Zudem seien durch den Stillstand des Hauptbahnhofs die Missstände an den kleineren Bahnhöfen in den Fokus geraten. „Der Zustand des Bahnhofs Biebrich zeigt, wie stiefmütterlich der Bahnverkehr lange behandelt wurde“, so Harmuth. Grund dafür sei auch, dass Eswe Verkehr mit dem Thema Bahnverkehr beauftragt sei, obwohl deren Kernkompetenz beim Busverkehr liege.