Bedroht der Klimawandel unsere Bienen?

In einigen der sechseckigen Waben sind die Bienenlarven zu sehen.

Höhere Temperaturen, frühe Blüte und später Herbst: Die Erderwärmung ist zugleich positiv und negativ für die Bienen – das hat auch mit einer tödlichen Milbe zu tun.

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Mainz / Kirchhain. Eigentlich sind Bienen für die Erderwärmung gut gewappnet. Sie haben hohe Temperaturtoleranzen – und als Volk können sie gemeinsam die Temperatur in einem Bienenstock auf den Grad genau regulieren. Wird ihnen zu kalt, erzeugen die Arbeiterbienen durch Vibration Wärme. Bei zu großer Hitze verteilen sich die Insekten um ihre Heimat und wedeln mit ihren Flügeln die warme Luft aus dem Bienenstock, um ihn abzukühlen. Andere verlassen den Stock, um mehr Raum und besseren Durchzug zu ermöglichen. Doch während die Temperaturänderungen die Bienen selbst also unberührt lassen, gibt es an einer anderen Stelle durch den Temperaturanstieg Probleme:

Honigbienen sind von der Hilfe der Imker abhängig. Ohne den Menschen würden die Varroamilben die meisten Völker auslöschen.
Honigbienen sind von der Hilfe der Imker abhängig. Ohne den Menschen würden die Varroamilben die meisten Völker auslöschen. (© Tim Würz)

Die Varroamilbe mit dem eindringlichen Namen „Varroa destructor“ ist die größte Bedrohung für die Europäische Honigbiene. Die Tiere sind nur ein bis zwei Millimeter groß, leben auf den Bienen und legen ihre Eier in die Brutzellen der Larven. Die Milben ernähren sich von den Larven selbst und vom Fettgewebe der Bienen, an denen sie haften. So schwächen sie die Bienen und übertragen Krankheiten – an denen im Endeffekt der ganze Stock sterben kann.

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Bisher werden die Milben bevorzugt mit Ameisensäure behandelt. Durch den Klimawandel wird die dafür benötigte Temperatur immer öfter nicht erreicht: Die Säure verdunstet zu schnell und erlaubt keine effektive Behandlung. Neben den bestehenden müssen daher auch neue Methoden gefunden werden, die Milbe zu bekämpfen.

Ohne Milbenbekämpfung würden die meisten Völker nicht überleben

In Kirchhain in Mittelhessen arbeiten Prof. Dr. Annely Brandt und Daniel Brechensbauer mit einem Team an Projekten, die eine geeignete Milbenbekämpfung erforschen. So soll der Effekt, den die Erderwärmung auf die Methode mit Ameisensäure hat, abgefangen werden, indem andere Mittel verwendet werden.

Dr. Annely Brandt und Daniel Brechensbauer an einem Versuchsstand. Mehrere mit Milben befallene Bienenvölker werden hier auf die Effektivität verschiedener Behandlungsmethoden untersucht.
In Kirchhain in Mittelhessen forscht ein Team an Wegen, die Varroamilbe zu bekämpfen.
Bis zu 20 kg Honig brauchen die Bienen, um über den Winter zu kommen. Von Imkern wird dieser durch Zuckerwasser ersetzt.
Jede Woche werden die toten Milben am Boden des Bienenstocks gezählt.
Nach der Auszählung wird das Ausmaß des Milbenbefalls festgehalten.
In den bunten Boxen sind kleinere Bienenvölker für Versuche angesiedelt.

Durch die milderen Temperaturen im Winter und Frühling treiben die Pflanzen früher aus und blühen länger. Der Wein regt sich viel früher, auch im Herbst sind noch blühende Felder zu sehen, Raps wird noch oder wieder angebaut. Diese Verlängerung der Vegetationsperiode bringt erstmal viel Positives. Denn für die Bienen heißt das: Nahrung ist länger im Jahr verfügbar. Doch weil die Tiere dank des Nahrungsangebotes und passender Temperaturen länger brüten, breiten sich die Varroamilben auch länger und stärker aus. Diese vermehren sich nur während der Brutzeit. Pflanzen sich die Bienen also länger fort, vermehren sich die Milben also ebenso – und zwar exponentiell.

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Durch ihre Organisation als Volk reagieren Bienen sehr flexibel auf Temperaturänderungen.
Durch ihre Organisation als Volk reagieren Bienen sehr flexibel auf Temperaturänderungen. (© Tim Würz)

Nahrung ist immer länger verfügbar

In immer mehr Wintern brüten die Bienen sogar komplett durch. Normalerweise halten die Insekten Winterruhe: Dann sammeln sich die Tiere in einer sogenannten Wintertraube, mit der Königin in der Mitte. Im Bienenstock herrscht dann eine Temperatur von durchschnittlich circa 20 Grad, diese kann jedoch zwischen 10 und 35 Grad schwanken. Doch es wird immer öfter beobachtet, dass die Insekten in milden Wintern einfach durchbrüten. Diese wirklich drastische Verhaltensänderung muss erst noch erforscht werden. Vermutet wird, dass die Bienen durch die fehlende Winterruhe geschwächt sind und kürzer leben.

Das ist ein großer Unterschied zu früher, dass es nicht mehr richtig kalt wird und die Bienen den Winter einfach weiterbrüten.

Dr. Annely Brandt Bieneninstitut Kirchhain

Neben einem besseren Nahrungsangebot durch die längere Vegetationsperiode und der Bekämpfung der Varroamilbe hat der Klimawandel auch andere Effekte, die für die Bienen relevant sind: Es wird zum Beispiel immer mehr Mais angebaut. Die wärmeliebende Pflanze wird schon seit Jahrzehnten in Deutschland immer beliebter. Doch die großen Felder bieten wenig Nahrung für die Insekten. Dabei finden die Bienen im Sommer wegen der hohen Temperaturen tendenziell eh schon weniger zu fressen.

Wenn selbst im späten Herbst noch genug Nahrung für die Bienen vorhanden ist, verschiebt dich deren Rhythmus und die Winterruhe kann ganz ausfallen – mit noch unbekannten Folgen.
Wenn selbst im späten Herbst noch genug Nahrung für die Bienen vorhanden ist, verschiebt dich deren Rhythmus und die Winterruhe kann ganz ausfallen – mit noch unbekannten Folgen. (© Tim Würz)

Noch dazu kommt: Die Honigtau-Erzeuger, wie Blattläuse und andere Insekten, sind sehr temperaturempfindlich. Der Honigtau, den die winzigen Insekten produzieren, wird von den Bienen gesammelt und für die Produktion von Honig verwendet. Doch die Erzeuger arbeiten am effizientesten in einem Temperaturbereich, der schon jetzt seltener erreicht wird, sie produzieren also weniger Nahrung. Starke Hitze über 30 Grad ist schädlich bis tödlich für die Läuse. Starke Regenschauer oder Hagel, die immer öfter vorkommen, sind in der Lage, ganze Populationen der Insekten zu vernichten.

Doch der Klimawandel ist nicht die größte Bedrohung für die bestäubenden Insekten. Pestizide, Monokulturen und Nahrungsmangel haben die Populationen der Wildbiene seit Jahrzehnten schrumpfen lassen, die der Honigbienen wird durch Imker konstant gehalten. Dass wir die Insekten schützen, ist überaus wichtig: Honig- und Wildbienen sind existenziell für unsere Landwirtschaft und das Bestäuben von Blütenpflanzen. Ohne Sie sterben auch andere Arten aus – und mit diesen dann immer mehr. Der Verzicht auf Pestizide, der Erhalt von Lebensraum für die Insekten mit einer hohen Artenvielfalt und das Vermeiden von toten Flächen wie Schottergärten können den Insekten helfen.