„helfen helfen“ organisierte in Frankfurt sechstes Weihnachtsessen für Obdachlose
Von Katja Sturm
Rotkohl, Knödel und Gans wurden im Frankfurter Ratskeller kostenlos serviert. Foto: Rita Hartenfelser
( Foto: Rita Hartenfelser)
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FRANKFURT - Vor dem Frankfurter Ratskeller hat sich eine lange Schlange gebildet. Drinnen riecht es nach gebratener Gans, und eine Schar weißbeschürzter Bedienungen hält sich neben der Küche startbereit. Hinter dem scheinbar Alltäglichen verbirgt sich eine besondere Tradition. Zum bereits sechsten Mal hat Bernd Reisig, der frühere Macher des FSV Frankfurt und Manager unter anderem von Nena und Badesalz, mit seiner Stiftung „helfen helfen“ mehr als 600 Obdachlose und Bedürftige aus seiner Heimatstadt in die Katakomben des Römers eingeladen. Oberbürgermeister Peter Feldmann zeigt sich als höflicher Gastgeber, schüttelt möglichst jedem, der das Gewölbe betritt, freundlich die Hand und steht, wie er später sagen wird, auch für persönliche Ansprachen gerne bereit.
Doch es ist nicht die womöglich Hilfe nach sich ziehende Klage über die eigene Situation, die viele sich auf das Weihnachtsessen freuen lässt. Neben Knödeln und Rotkraut genießen die von der Diakonie und anderen Wohlfahrtsorganisationen Informierten das Zusammensein an den festlich geschmückten Tischen, das Wiedersehen mit „Personen, denen man ein halbes Jahr lang nicht begegnet ist“, wie Hartwig Wolfram (52) erklärt. Dass um sie herum lauter Prominente hin und her laufen, Stadt- und Landpolitiker, Chefredakteure, Moderatoren, Sportler und Künstler die Teller balancieren, servieren und abräumen, das spielt nicht für alle eine Rolle.
„Jeder hat einen Platz im Herzen der Stadt“
Doch es gehört zu dem Ansinnen, mit dem Reisig sein Projekt einst startete. „Ich wollte deutlich machen, dass es in der reichen Stadt Frankfurt viele gibt, denen es nicht so gut geht. Diesen Widerspruch wollte ich sichtbar machen“, erklärt der 54-Jährige. In Feldmann fand Reisig damals einen begeisterten Unterstützer der Idee, der die Pforten des Rathauses nicht nur für die 210 Gäste im Auftaktjahr aufsperrte, sondern auch für die bereits bei der zweiten Auflage mehr als doppelt so große Zahl der Geladenen, die jetzt in zwei Schichten bedient wird. „Wir wollen deutlich machen, dass jeder einen Platz im Herzen der Stadt hat“, sagte der OB leicht pathetisch. Auch diejenigen, die abseits der glitzernden Bankentürme im Schatten lebten. „Wir sind die Stadt des Unterhakens.“
HELFEN HELFEN
Unter dem Siegel „helfen helfen“ veranstaltet Bernd Reisig zahlreiche Benefiz- und Charity-Aktionen, darunter neben den mittlerweile drei verschiedenen Essen für Obdachlose und Bedürftige auch die „Hessen Comedy Nacht“ in der Frankfurter Jahrhunderthalle. Die Stiftung soll diejenigen unterstützen, die „nicht auf der Sonnenseite des Lebens“ stehen. Info: www.berndreisig.de/website/3-0-helfen-helfen.html
Dabei kamen die Servierkräfte, unter die sich auch die beiden Redner mischten, schnell ins Schwitzen. Schließlich war längst nicht jeder so geübt wie Moderatorin Bärbel Schäfer, die im Vorbeieilen und mit mehreren Tellern in den Händen und auf dem Unterarm verriet, dass sie eine Ausbildung zur Hotelkauffrau hinter sich hat. Festzelt-Profi Eddy Hausmann sorgte als Dirigent und ruhender Pol dafür, dass jeder den richtigen Weg zu den Hungrigen fand und alle satt wurden. Sein neues Personal sei „übereifrig“ und „sehr motiviert“. Kein Wunder, wie Eva von den Jacob Sisters, eine blinkende Nikolausmütze auf dem Kopf, verriet: „Die Äuglein strahlen überall, da freuen wir uns.“
Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir verlor dennoch die Realität nicht aus dem Blick. „Natürlich wird durch diesen einen Tag für die Menschen hier das Leben nicht einfacher“, und er mache auch Sozialpolitik nicht überflüssig, sagte der Grünen-Politiker. Er selbst habe sich, bevor er erstmals seine Hilfe angeboten hatte, zudem reiflich überlegt, ob die Prominenten die Veranstaltung nicht für ihre Zwecke benutzten. Doch nach einer Viertelstunde schon habe er gemerkt, wie viel Freude sie den Armen damit bereiteten. Und dass man damit ein deutliches Zeichen dafür setzen könne, „dass alle Menschen gleich sind“ und man einander Respekt zollen solle.
Eine gewisse Nachhaltigkeit konnte Cheforganisator Reisig, der das Essen mithilfe von Sponsoren finanziert, aber auch schon feststellen. Auf Anregung eines Obdachlosen hin entstand vor drei Jahren ein Osterbrunch für die gleiche Zielgruppe und zuletzt auch noch ein Grüne-Soße-Essen. „Außerdem jammere ich mittlerweile weniger.“ Denn wenn mal etwas nicht laufe wie geplant, dann denke er einfach an seine Weihnachtsgäste zurück.