Bistum Limburg will Aufarbeitung von Missbrauchsskandal...

Der Limburger Dom. Archivfoto: dpa

Im Herbst wurde eine Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche vorgelegt. Als Reaktion startet nun die Limburger Diözese ein Projekt mit ambitionierten Zielen.

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LIMBURG. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige hat die katholische Kirche in einen tiefen Abgrund blicken lassen. Sie müht sich in Deutschland seither, durch Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen. Im Bistum Limburg ist jetzt Bischof Georg Bätzing bemerkenswert deutlich geworden. „Sexueller Missbrauch ist vor allem auch Missbrauch von Macht“, sagt er. Er wolle die in der Kirche verankerten „männerbündischen Strukturen aufbrechen“. Vorschlagen will er, dass Frauen eine „ihnen angemessene Stellung“ einnehmen und auch an Leitung und Aufsicht im Bistum partizipieren.

Pädophilie, sinniert Bätzing, mag eine mögliche Ursache von Missbrauch sein. Überdurchschnittlich häufig sei aber Unreife und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung das wahre Problem. An den Tabus der katholischen Sexualmoral will er rühren. Und er stellt sich gegen die „römische Linie“, wenn er gegen das Verbot argumentiert, Homosexuelle zum Priester zu weihen. „Ich habe das immer für einen Fehler gehalten, weil dadurch Tabus stark gemacht werden“.

Kein Zweifel: Seitdem im vergangenen September die katholische Kirche ihre Studie zum sexuellen Missbrauch öffentlich gemacht hat, ist eine Lawine ins Rutschen gekommen. Die Ergebnisse hatten Katholiken wie Ingeborg Schillai, Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, „schockiert, wütend und fassungslos“ gemacht. Nun geht es ihr um die „Verpflichtung, sexuellen Missbrauch künftig zu verhindern“. Wozu „die Perspektive der Opfer an Gewicht und Bedeutung gewinnen“ müsse. Kaum ein Bistum in Deutschland hat sich bislang so weit auf den Weg gemacht wie das in Limburg. Mit externem Sachverstand und festem Zeitplan will die Diözese Konsequenzen aus der Missbrauchs-Studie ziehen: Im Juni kommenden Jahres sollen die Ergebnisse vorgestellt werden, die nunmehr in verschiedenen Projekten erarbeitet werden, bei denen es eben um Sexualmoral, die Rolle der Frau oder auch um Machtmissbrauch geht. Der Bischof formuliert das Ziel dieser Projekte klar und eindeutig: „Kinder und Jugendliche sollen im Bistum wieder sicher leben und ihren Glauben erfahren können“.

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Dabei hatte das Bistum Limburg in den vergangenen Monaten erhebliche Schwierigkeiten gehabt, das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in Zahlen zu fassen. Die Angaben waren widersprüchlich und unverständlich. Jetzt spricht der Bischof von 45 Priestern, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden, gut die Hälfte ist bereits verstorben. 15 haben den Missbrauch eingeräumt, 26 bestreiten diesen. Vier Fälle, die nicht strafbar waren, wurden disziplinarisch geahndet.

Strafrechtlich dürfte der überwiegende Teil der Vorwürfe verjährt sein. Kirchenrechtlich nicht. Im Bistum laufen aktuell vier kirchenrechtliche Verfahren gegen Kleriker und Nicht-Kleriker. Eines davon, das ist bekannt, richtet sich gegen einen Pfarrer, der im Ruhestand und nunmehr in Franken lebt. Derjenige, den er als Kind jahrelang missbraucht haben soll, war kürzlich mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen. Der heute 42-Jährige hat in vielen Details geschildert, wie er dem damals zuständigen Personaldezernenten Helmut Wanka vom Missbrauch durch den Pfarrer berichtet hatte. Und wie es Wanka gelungen sei, das alles unter den Teppich zu kehren.

Stand heute bestreite der Personaldezernent den Vorwurf der Vertuschung, sagt der Bischof, der mit Wanka und dem mutmaßlichen Opfer gesprochen hat. Er scheut sich nicht, den Eindruck, den er nach diesen Gesprächen gewonnen hat, publik zu machen: Er glaube dem Opfer, sagt Bätzing. Gleichwohl lässt der Limburger Bischof den Fall von einem pensionierten Gerichtspräsidenten aufarbeiten. Zum einen, weil ihm an der notwendigen Sorgfalt gelegen ist. Zum anderen, weil in den Akten, die das Bistum zu dem Fall geführt hat, möglicherweise „relevante Dinge fehlen“.

Von Christoph Cuntz