Es gibt viele Gründe, das Allianzhaus zu erhalten. Auch wenn es wahrlich nicht durch seine Optik besticht, für die Stadtentwicklung hat das Gebäude eine epochale Bedeutung.
MAINZ. Geringschätzung für die Architektur vergangener Epochen ist ein Grundübel, das in Mainz nach den ohnehin schon schweren Zerstörungen des Krieges überlebende Bauten dem Abbruch ausgeliefert hat. Der von der Stadt bereits beschlossene Abriss des Schönborner Hofs konnte knapp verhindert werden, dafür verschwanden das Bischofspalais, das gut erhaltene kaiserzeitliche Bankhaus Kronenberger in der Großen Bleiche und am Bahnhofplatz das Pendant zum Central-Hotel. Bei kurzem Nachdenken kommt man auf mindestens zwei Dutzend prägende Bauten, weil in den 50ern selbst der Barock wenig galt, weil noch bis in die 80er Jahre die kaiserzeitliche Architektur als schwülstiger Kitsch galt, und um ein Haar hätte man ja die ganze Altstadt platt gemacht. Zum Glück sieht man es heute anders, saniert und rekonstruiert Altbauten – doch dafür sind nun die Gebäude der Aufbauzeit der 50er und 60er dran.
Dass eine Stadt sich häutet, dass Gebäude verschwinden, um Platz zu schaffen, für Neues – daran ist nichts verwerflich. Auch die Barock-Idylle des Schillerplatzes konnte ja im 18. Jahrhundert nur entstehen, weil dort das Alte fiel, ebenso Lu und Gutenbergplatz. Allerdings ist es wichtig, wichtige, exemplarische Bauten zu erhalten.
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Zu den wichtigen Bauten der Aufbauzeit gehört das Allianzhaus, das nach den kargen 50ern gemeinsam mit der wiederhergestellten Peterskirche, der Landesbank und dem Landesmuseum als Ensemble ein städtebauliches Signal für den Aufbruch darstellt. Dennoch schwebt seit 2014 über dem Gebäude die Abrissbirne der MAG. Ein erster Anlauf scheiterte – zum Glück. Denn mittlerweile ist Bewusstsein für das Bauwerk erwachsen. Nicht nur die AZ hat vor einigen Jahren ein Plädoyer für das Gebäude gehalten, es gibt auch Initiativen wie „Die Betonisten“ oder „Architects4Future“, die den städtebaulichen Wert wie auch die architektonische Qualität hoch einschätzen und das Gebäude unbedingt erhalten wollen. Und die jungen Mainzer erhalten Schützenhilfe. Schon vor Jahren hatte der renommierte Architekt Hellmut Kanis (1921-2020) sich für den Erhalt ausgesprochen, ebenso der Mainzer Stadtplaner Dr. Rainer Metzendorf, der schon in seinem Werk „Mainz 1945-1970. Die verkannte Epoche des Wiederaufbaus“ ein Plädoyer für die Bauten jener Zeit hält.
Natürlich hat das Allianzhaus nicht die Schönheit des Osteiner Hofs oder das Heimelige der Altstadt. Aber die pure Optik, schon gar nicht der wankelmütige Zeitgeschmack, darf beim Erhalt nicht entscheidendes Kriterium sein. Wie beim Rathaus, das einst gefeiert wurde und heute angefeindet wird. Fürwahr keine Schönheit, dafür spannend, international gefeiert und für die Stadtentwicklung epochal, was der Denkmalschutz mit der Unterschutzstellung honoriert hat. Zurecht.
Was will man folgenden Generationen, wenn exemplarische Bauten wie das Allianzhaus abgerissen werden?
In der Tat ist Mainz mehr als Barock, Fachwerk und Rekonstruktionen. Und wie wir wurden, wer wir sind, das lernt man nicht nur aus lang vergangenen Jahrhunderten, sondern auch und gerade aus der Nachkriegszeit, als unzählige fleißige Hände diese Stadt von Trümmern befreit und wieder aufgebaut haben. Deshalb ist es eine Form des Respekts gegenüber der Aufbaugeneration, dass man deren Leistung würdigt und eben jene Bauten, auf die ganz Mainz stolz war. Was will man folgenden Generationen über jene Zeiten erzählen, wenn gerade so exemplarische Bauten wie das Allianzhaus abgerissen werden? Bleibt zu hoffen, dass es nicht so kommt. Die Verlustliste ist jetzt schon lang genug.