Mainzer Jugendamt: Verwaltung äußert sich zu Vorwürfen

Einige Veränderungen sind schon umgesetzt, um die ASD-Mitarbeiter künftig zu entlasten, andere sind in Planung. Foto: Harald Kaster
© Harald Kaster

Nach Schilderungen über extreme Arbeitsbedingungen nehmen Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD) und ASD-Leitung im Gespräch Stellung. Wurden bereits Maßnahmen ergriffen?

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MAINZ. „Ja, unsere Leute haben Druck“, das sieht Ulrike Scherhag. Offen und ehrlich geht die Leiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) ins Gespräch mit dieser Zeitung. Gewillt zu erklären, wo genau die Probleme liegen – und wie man im Stadthaus darauf reagiert.

Hier lesen Sie den Auslöser zur Diskussion um das Jugendamt: Jugendamt-Mitarbeiterin: "Haben täglich Angst zu versagen"

Aber auch, um gemeinsam mit Sozialdezernent Eckart Lensch (SDP) deutlich zu machen: „Unser ASD macht seine Aufgabe gut!“ Dass er das nicht tun könnte, stand in den vergangenen Tagen nie zur Diskussion. Wohl aber die Bedingungen, unter denen die Mitarbeiter arbeiten. Von einer hohen Arbeitsbelastung, steigenden Fallzahlen und einer dünnen Personaldecke haben uns verschiedene Quellen erzählt. Und das ist es auch, was Scherhag bestätigt.

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Überlastungsanzeigen steigen an

Deutlich wird dieses Spannungsverhältnis unter anderem an der Anzahl der Überlastungsanzeigen, die Mitarbeiter des ASD stellen. Etwa eine Überlastungsanzeige im Jahr sei in der Vergangenheit die Regel gewesen, so Scherhag, in diesem Jahr habe sie drei Einzelmeldungen von Mitarbeitern sowie Meldung aller sechs Teamleitungen und der Sachgebietsleitung. Wenn solche Überlastungsanzeigen gestellt werden, dann schaut die Teamleitung zunächst innerhalb der Teams, ob Kollegen helfen, Aufgaben umverteilt werden können. Geht das nicht, erweitert man diesen Radius auf alle sechs ASD-Teams. Jetzt schaut die zuständige Sachgebietsleitung, ob ein aktuell weniger beanspruchtes Team die Aufgaben des momentan überlasteten übernehmen kann. Zeitgleich informiert Scherhag die Amtsleitung und sucht gemeinsam nach Lösungen, wie für Entlastung gesorgt werden könnte. Etwa durch Reduzierung des Außendienstes.

Natürlich, die Situation sei momentan angespannt und Corona habe das Miteinander, den Austausch untereinander nicht leichter gemacht. Dennoch habe sie stets versucht, so transparent wie möglich vorzugehen, an jede Teamleitung zu kommunizieren, wie es um die Besetzung der offenen Stellen steht – etwa zehn Fachkräfte sollen in den nächsten Monaten dazu kommen, eine wird demnächst gehen –, so Scherhag.

Zweimal in der Woche treffe man sich zur Leitungsrunde und jetzt, wo es wieder möglich sei, wolle sie auch wie vor der Pandemie regelmäßig alle Abteilungen besuchen. Auch mit Mitarbeitern, die gekündigt haben – seit Mai 2021 sind das sieben Fachkräfte – oder kündigen möchten, suche sie das Gespräch, frage danach, was es brauche, um sie in der Verwaltung zu halten. „Wir sind da, wir lassen keinen im Regen stehen“, das ist Scherhag wichtig. „Die Fürsorgepflicht bei unseren Teamleitungen ist ausgeprägt.“

Schwierige Entscheidungen unter Druck treffen

Bei allen Schwierigkeiten, auch das ist Scherhag wichtig, sei aber mitnichten so, dass sich die Mitarbeiter wegen des Arbeitsdrucks nicht voll auf aktuelle Fälle konzentrieren könnten: „Wenn wir kommen, dann sind wir zu 100 Prozent da!“ Und Lensch unterstreicht: Man wisse, wie es ist, unter Druck schwierige Entscheidungen zu treffen. „Wir sehen das und wir schätzen die Arbeit der Mitarbeiter sehr.“ Ja, man habe die genannten Schwierigkeiten. Mit einigen, etwa der dünnen Berwerberlage, müsse man leider umgehen. „Andere können wir ändern.“

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Nach den Zeitungsberichten habe man das Team auch nach Ideen gefragt, berichtet Scherhag. Aktuell sei geplant, so Lensch die Fälle, die sich auf das Bundesteilhabegesetz beziehen, aus der Zuständigkeit des ASD in einen anderen Fachdienst innerhalb des Jugendamtes auszugliedern. Unter anderem sei die exorbitante Zunahme der Fallzahlen im Bereich Eingliederungshilfen – von 103 im Jahr 2016 auf 233 im Jahr 2020 – nämlich dieser Gesetzesänderung zuzuschreiben, so Scherhag. Eine große Herausforderung für die ASD-Mitarbeiter, die sich die dafür nötigen Gesetzesgrundlagen erst erarbeiten müssen. Eine zusätzliche Belastung, die man ihnen nehmen möchte. Die dafür nötigen acht Stellen sind Teil der anstehenden Haushaltsberatungen.

In Sachen Rufbereitschaft und Kinderschutz-Innendienst sollen ebenso Umstrukturierungen stattfinden, wie bei der Einarbeitung neuer Fachkräfte. Zudem laufe eine stetige Gefährdungs- und Belastungsanalyse zur Beurteilung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz. Auch die Forderung des Personalrates, die bisher noch befristeten Stellen der ASD-Fachkräfte zu entfristen, möchte Lensch im Rahmen der anstehenden Haushaltsverhandlungen unterstützen. Nicht alle Maßnahmen, die in der Zwischenzeit ergriffen wurden – aber eine erste Übersicht. Wir werden in kommenden Berichten hier noch weiter ins Detail gehen.