Unbekannte sprengen Geldautomat in Finthen

aus Blaulicht

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In der Nacht zum Dienstag haben Unbekannte in Mainz-Finthen einen Geldautomaten gesprengt.

Am frühen Dienstagmorgen gingen bei der Polizei ab 2.21 Uhr mehrere Notrufe wegen zwei massiven Knallgeräuschen im Sertoriusring in Mainz-Finthen ein. Die Fahndung läuft.

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Mainz. Es war um 2.21 Uhr in der Nacht auf Dienstag, als zwei laute Knallgeräusche durch den Sertoriusring in Finthen hallten. Bislang unbekannte Täter hatten einen Geldautomaten in einer Bankservicestelle gesprengt. Gleich mehrere Anwohner wählten den Notruf. Derweil beobachteten Zeugen, wie mehrere dunkel gekleidete Personen mit Gegenständen den vollständig zerstörten Pavillon auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes und eines Drogeriemarktes verließen und mit einem dunklen Fahrzeug – Golf-Klasse – flohen. Im Umfeld des Automatenhäuschens wurden einzelne Geldscheine gefunden.

Die Polizei leitete eine überregionale Großfahndung ein, in die über 80 Kräfte eingebunden waren. Während Beamte des Polizeipräsidiums Mainz das direkte Umland übernahmen, fahndeten Kräfte der Präsidien Westpfalz an A6 und A63 und Koblenz an der A61. Auch hessische Polizei, Bundespolizei und Wasserschutzpolizei beteiligten sich. Darüber hinaus wurde eine internationale Fahndung, speziell in Richtung der Beneluxstaaten, eingeleitet.

Entschärfer des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes (LKA) suchten währenddessen am Tatort nach Sprengstoffresten. Die Täter sollen Festsprengstoff eingesetzt haben. Auch Spürhunde kamen zum Einsatz. Ermittler von LKA und des für Bandenkriminalität zuständigen Fachkommissariats 15 der Mainzer Kriminalpolizei übernahmen den Fall schließlich.

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Bereits in der Nacht auf den 15. Juli 2017 war in derselben SB-Stelle ein Geldautomat gesprengt worden. Gegen 3.38 Uhr fuhren an jenem Samstag zwei Täter mit einem grünen Motorroller vor. Sie leiteten Gas in den mit 125.000 Euro befüllten Geldautomaten ein. Doch ein Gaserkennungssensor löste aus. Es kam zur vorzeitigen Explosion. Die Täter flohen ohne Beute. Den Roller zündeten sie in der Damentoilette des Gonsenheimer Waldfriedhofs an. Dort fand die Polizei in der Daumenbeuge eines zurückgelassenen Handschuhs DNA.

In einer Bankservicestelle im Sertoriusring in Mainz-Finthen wurde erneut ein Geldautomat gesprengt.
In einer Bankservicestelle im Sertoriusring in Mainz-Finthen wurde erneut ein Geldautomat gesprengt. (© Tim Würz)

Diese DNA tauchte später noch in einem Karlsruher Fall auf: Es war am 26. März 2018, als sich vier von der niederländischen Polizei observierte Verdächtige in einer Lagerhalle in Berghem mit Werkzeug, Gasflaschen und Tarnkleidung ausstatteten und gegen 22.30 Uhr mit einem BMW-SUV sowie einem Audi RS 6 auf den Weg nach Deutschland machten. An der Grenze übernahmen deutsche Kripo-Ermittler, folgten ihnen bis kurz vor Karlsruhe. Dort verloren sie den Anschluss. Die Verdächtigen versuchten im Stadtteil Knielingen, zwei Geldautomaten zu sprengen. Es folgte eine Verfolgungsfahrt über mehrere Hundert Kilometer. Die Täter fuhren sich mit dem über 500 PS starken Audi immer wieder Vorsprünge heraus, die sie zum Tanken und Entsorgen von Beweisen nutzten. Der Wagen wurde später in einer Tiefgarage in Köln gefunden. An einer Sturmhaube, einer Jogginghose, einer Cola-Dose und einem Schaltknauf fand man dieselbe DNA wie am Handschuh aus dem Finther Fall. Im September 2018 wurde ein 33-jähriger, in den Niederlanden lebender Marokkaner in Spanien festgenommen und im Juni 2019 vom Landgericht Mainz zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Allein in Rheinland-Pfalz 56 Geldautomatensprengungen im Jahr 2022

Seit 2015 steigen die Fallzahlen bundesweit massiv an – auf die Höchstmarke von rund 450 Sprengungen in 2022. Auch in Rheinland-Pfalz wurde im vergangenen Jahr mit 56 Taten ein Rekordwert verzeichnet Die Beute betrug über zwei Millionen Euro, der Schaden über acht Millionen. Die jüngste Finther Tat ist bereits die 14. Geldautomatensprengung in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr. In Mainz kam es zuletzt am 5. Juli 2022 zu einer Sprengung, zuvor am 8. März 2022 im Heiligkreuzweg in Weisenau sowie im Dezember 2021 sowohl auf dem Gelände der Johannes Gutenberg-Universität als auch im Westring in Mombach. Jüngst waren im Umland Saulheim und Gensingen betroffen.

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Die Täter gehen immer brutaler und skrupelloser vor, setzten 2022 in 80 Prozent der Fälle auf Festsprengstoff statt Gas. Im Jahr 2018 waren es noch acht Prozent. Die Gefahren und Schäden nehmen zu. Ein Großteil der Taten geht auf das Konto professioneller Banden aus dem Ausland, insbesondere aus den Niederlanden.

Behörden und Banken suchen in Rheinland-Pfalz nun den Schulterschluss. Am 24. Januar dieses Jahres traf man sich im Innenministerium. Mit dabei auch das LKA sowie Vertreter von Sparkassenverband Rheinland-Pfalz, Genossenschaftsverband, Sparda-Bank Südwest und Bankenverband Mitte. Das Ziel: Tatanreize reduzieren. Die Banken wollen den Behörden einen Überblick zu Anzahl und Standorten ihrer Geldautomaten vorlegen – als Basis für eine Risikoanalyse. Zudem sollen Nachrüstungen, etwa mit Mechanismen, die Bargeld bei Sprengungen durch Verfärben oder Verkleben unbrauchbar machen, vorangetrieben werden. In Belgien und Frankreich sind diese bereits Pflicht. Auch in den Niederlanden wurde aufgerüstet. Wie nun bekannt wird, haben letztlich aber nur drei der vier an dem Austausch im Januar beteiligten Banken und Verbände die Kooperationsvereinbarung auch tatsächlich mitgezeichnet. Der Bankenverband Mitte, der die privaten Banken in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland vertritt, hat sich distanziert.

Dabei sind gerade Standort- und Risikoanalysen zentrale Faktoren. Wiederholt kam es vor, dass lukrative Standorte mehrfach angegangen wurden. Wie im Finther Fall. Oder auch eine SB-Stelle im Westring in Mombach, die im April 2019 und im Dezember 2021 gesprengt wurde, ebenso ein Automat in Ockenheim, der im April und im August 2022 ins Visier Krimineller geriet sowie eine inzwischen geschlossene Bankfiliale an der Berliner Siedlung in der Oberstadt, die im März 2017 und Dezember 2020 heimgesucht wurde.