Zwei Schülerinnen zeigen den Weg des Kunststoffs in die Pflanzen. 3000 Euro Preisgeld für ihre Forschungen
Von Jens Etzelsberger
Lokalredaktion Main-Spitze
Das UV-Licht bringt es an den Tag: Daniela Schwarz, Paula Becker, Jasmin Schleunes und Volker Zimmermann (von links) betrachten die Plastikanreicherung in dem Pilz-Präparat.
(Foto: Jens Etzelsberger)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
FLÖRSHEIM - Es ist dunkel in dem kleinen Hörsaal im Erdgeschoss des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums. Das einzige Licht kommt von den zwei UV-Lampen, die das Champignon-Präparat unter dem 50 000 Euro teuren Digitalmikroskop beleuchten und von dem großen Flachbildschirm, der in 500-facher Vergrößerung zeigt, was das Kameraauge sieht. Doch es ist noch viel mehr Erhellendes in dem Raum als Lampen und Bildschirm. In der Dunkelheit leuchtet auch das Licht der Erkenntnis, das Jasmin Schleunes und Paula Becker entzündet haben. Die Ergebnisse ihrer Forschungen haben den beiden 15-jährigen Schülerinnen nicht nur den mit 3000 Euro dotierten ersten Preis beim hessenweiten Mint-Wettbewerb gebracht, an dem sich 14 Schulen beteiligten, sondern auch ihren Lehrer Volker Zimmermann, der den Wahlpflichtkurs Biologie leitet, in helle Begeisterung versetzt. „Wir haben völliges Neuland betreten“, sagt Zimmermann.
Zwei dritte Plätze und zwei Sonderpreise haben Schüler von ihm bei Mint-Wettbewerben schon gewonnen. Einen ersten Platz gab es noch nie – bis Jasmin und Paula kamen. Ihre Arbeit findet Zimmermann über den Wettbewerbssieg hinaus besonders bemerkenswert. Denn die Fragestellung „Können Pflanzen Mikroplastik aufnehmen“ ist nicht nur von besonderer Aktualität in der öffentlichen Diskussion, die Ergebnisse sind auch erschreckend. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: In allen untersuchten Pflanzen fand sich Mikroplastik, wenngleich in verschiedener Menge.
Doch zur Vorgehensweise. Zunächst musste ein Weg gefunden werden, das Plastik in den Pflanzen sichtbar zu machen. Jasmin und Paula entschieden sich dafür, optisch einfach detektierbaren Kunststoff zu verwenden. Fluoreszierendes Plastik, sogenanntes Disco-Acryl, das unter UV-Licht neonartig leuchtet, wurde in einer alten Kaffeemühle, zusammen mit Eis zur Kühlung, staubfein zermahlen. „Das war so fein wie Mehl“, sagt Jasmin. Dieses Mikroplastik wurde in Wasser gegeben und damit seit Februar verschiedene Pflanzen ernährt.
Das UV-Licht bringt es an den Tag: Daniela Schwarz, Paula Becker, Jasmin Schleunes und Volker Zimmermann (von links) betrachten die Plastikanreicherung in dem Pilz-Präparat. Foto: Jens Etzelsberger
Was hell leuchtet, ist Mikroplastik: Hier etwa im Blatt einer Minze. Foto: Paula Becker und Jasmin Schleunes
2
Reine Wasserpflanzen, wie etwa Entengrütze, ebenso wie Javamoos, Weizen, Minze, Kresse, Bohnen, Gurken, Champignons und Mais. Mal wuchsen die Pflanzen in der Erde, dann zwischen Tonkügelchen.
Präparate der Pflanzen wurden dann unter UV-Licht mit dem Digitalmikroskop betrachtet. Jeder leuchtende Punkt steht für einen Partikel Mikroplastik. Und es gibt eine Menge leuchtende Punkte zu sehen. Der im Plastikwasser gewachsene Pilz sieht unter dem Mikroskop aus, wie eine Großstadt aus dem Weltraum: Überall leuchtende Punkte. Neben den Pilzen waren es Pfefferminze und Sumpf-Wasserstern, die besonders viel Mikroplastik absorbierten. Es gab aber keine einzige Pflanze, die nichts von dem Plastik aufgenommen hat, berichten die beiden Forscherinnen. Auch in den menschlichen Nahrungspflanzen Weizen und Mais konnten sie das Mikroplastik nachweisen.
MINT
Mint steht für Mathematik, Informationstechnologie, Naturwissenschaft und Technik. Die Mint-Messe wird seit 2004 jährlich von der Vereinigung hessischer Unternehmerverbände, der Landesarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft und Partnern unter der Schirmherrschaft des hessischen Landtagspräsidenten ausgerichtet. (etz)
Und wie geht es weiter in der Nahrungskette? Da kam den beiden Mädchen der Zufall zu Hilfe. Die Gurke, die sie eigentlich noch analysieren wollten, wurde von Spinnmilben gefressen. Und damit hatten sie das weitere Glied in der Nahrungskette. Unter dem Mikroskop leuchten auch die Spinnmilben. Besonders die Eier im Körper des Muttertieres fluoreszieren auffallend. „Damit ist auch die nächste Generation betroffen“, sagt Jasmin. Ein Effekt, der auch bei Wasserflöhen, die sich in dem Plastikwasser ansiedelten, deutlich zu beobachten gewesen sei.
„Solche Bilder hat noch niemand gesehen“, lobt Volker Zimmermann die Arbeiten seiner Schülerinnen. Nachdem ihre Forschung zur Mikroplastikaufnahme von Pflanzen schon preiswürdig war, will Volker Zimmermann Jasmin und Paula, die übrigens beide Tiermedizin studieren wollen, mit dem Anschlussprojekt der Spinnmilben nun zu Jugend forscht anmelden.
Das Preisgeld von 3000 Euro wird anderen Nachwuchsforschern an der Schule zugute kommen. Volker Zimmermann hat von dem Geld schon zehn neue Mikroskope bestellt. Und ganz leer gehen auch Jasmin und Paula nicht aus. Neben Ruhm und Ehre gab es von Mint-Fachbereichsleiterin Daniela Schwarz noch einen Büchergutschein über 20 Euro für jede der Beiden.