Im Wohnheim der Lebenshilfe gibt es verstärkt Bedarf an Tagesangeboten (rechts Sozialarbeiterin Marianne Huth-Broser). Foto: Etzelsberger
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FLÖRSHEIM - Seit 50 Jahren gibt es die Lebenshilfe im Main-Taunus-Kreis. In Flörsheim ist der Verein seit 1985 mit einem Wohnheim in der Untermainstraße 9 vertreten, 1995 kam das Haus Flesch in der Riedstraße hinzu. Die Menschen mit Behinderung, die in den beiden Einrichtungen leben, 22 in der Untermainstraße, zwölf im Haus Flesch, sind mit der Lebenshilfe alt geworden. In der Untermainstraße sind es mittlerweile fünf Rentner zwischen 63 und 75 Jahren, die dort ihren Ruhestand genießen, im Haus Flesch zwei. Auf absehbare Zeit wird die Zahl der behinderten Ruheständler zunehmen, und das stellt die Einrichtung vor neue Herausforderungen. Denn während die jüngeren Bewohner in der Regel ihrer Arbeit in Behindertenwerkstätten nachgehen, haben die Rentner jetzt 24 Stunden Freizeit am Tag. Eine Zeit, die mit Inhalt und Angeboten gefüllt werden muss.
Zivildienstleistende werden schmerzlich vermisst
„Wir arbeiten derzeit an einer Konzeption für eine Tagesstruktur“, sagt Marianne Huth-Broser, Sozialarbeiterin in dem Haus in der Untermainstraße. Das Problem, wie so oft im sozialen Bereich: Es gibt viele Ideen, aber zu wenig Geld. Schwimmengehen, ein Kino- oder Theaterbesuch, ein Einkaufsbummel oder eine Kegelpartie – Vorschläge, die neu gewonnene Freizeit zu gestalten, fehlen nicht. Allerdings mangelt es an Personal für solche Freizeitaktivitäten, denn die Menschen sind auf Transport und Aufsicht angewiesen. Ein Bus mit neun Sitzen steht zwar zur Verfügung, doch der Stellenplan der Einrichtung gibt nicht genügend Personal her, um auch noch die Freizeitgestaltung zu organisieren.
Im Gegenteil: Derzeit werden für die Untermainstraße eine Einrichtungsleitung und eine weitere Kraft mit medizinischem Hintergrund gesucht. Karin Schleith, ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe Main-Taunus, vermisst die Zivildienstleistenden deshalb besonders schmerzlich, die für solche Aufgaben eigentlich prädestiniert wären. Junge Menschen, die sich für ein freiwilliges soziales Jahr entscheiden würden, hätten dabei selten Einrichtungen für behinderte Menschen im Blick, klagt Schleith. „Der Zivildienst fehlt uns total“, sagt sie. Denn dadurch seien früher nicht selten Menschen für den Bereich der Behindertenhilfe begeistert worden, die im Zivildienst die Liebe zum Beruf entdeckt hätten. Dazu kommt, dass der Fachkräftemangel nun auch die Einrichtungen der Behindertenhilfe erreiche, sagt Schleith.
ANSPRECHPARTNER
Menschen, die sich für eine ehrenamtliche Unterstützung in den beiden Flörsheimer Lebenshilfe-Wohnheimen interessieren, können sich an Katrin Kleebach in der Untermainstraße 9, Telefon 06145-8995, und an Regina Hartmann im Haus Flesch, Riedstraße 63, Telefon 06145-970192, wenden. Vorstandsvorsitzende Karin Schleith betont, dass auch für ehrenamtliche Helfer Versicherungsschutz besteht. (etz)
Bisher hätten sich diese noch aufgrund der im Vergleich zur Altenpflege höheren Attraktivität keine allzu großen Sorgen machen müssen, doch mittlerweile sei das Problem auch in diesem Bereich angekommen. Die Lebenshilfe versucht, mit der vereinseigenen Schule für Heilerziehungspflege in Hochheim eigenen Nachwuchs heranzubilden. Grundsätzlich liege das Problem aber in der schlechten Bezahlung im Sozialbereich, so Schleith.
Sie hofft darauf, auch das üblich im sozialen Bereich, Freiwillige für die Tagesgestaltung der Menschen in den Einrichtungen gewinnen zu können. Der Bedarf ist da und wird in Zukunft wohl auch weiter steigen, denn der grundsätzliche Ansatz der Behindertenhilfe verschiebe sich aktuell von einem möglichst behüteten Leben zu einer verstärkten Teilhabe. Heimbeiräte, Bemühungen um leichte Sprache, das Eingehen auf individuelle Wünsche der Lebensgestaltung sind einige Aspekte dieser Bemühungen. „Wir wollen die Menschen so weit wie möglich in Mündigkeit und Selbstbestimmung bringen“, sagt Schleith.
Manchmal geht es um ganz einfache, aber unverzichtbare Hilfen. Britta Heemann, etwa, die erst seit einigen Monaten in der Untermainstraße lebt, würde sich eine Begleitung zum Spazierengehen wünschen. Die ehemalige Geschäftsleitungsassistentin leidet seit einer Hirnblutung vor viereinhalb Jahren unter epileptischen Anfällen und kann ohne Begleitung, die im Notfall Hilfe holen kann, das Haus nicht verlassen. In der Untermainstraße fühlt sie sich zwar sehr wohl, doch eine Runde am Mainufer an der frischen Luft würde sie glücklich machen.