Die Bewohner des Ingelheimer Tierheims sollen die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten. Doch das kostet die Tierhelfer viel Geld - bis zu 85 000 Euro im Jahr.
INGELHEIM. Ob sie nun Hektor oder Tarkan, Harmony oder Fredy heißen, ob sie bellen oder miauen - Wehwehchen oder auch größere gesundheitliche Baustellen haben sie hier fast alle. "Immer mehr Tiere landen im Tierheim, weil sie alt oder krank sind - und ihre bisherigen Besitzer die Tierarztkosten nicht tragen können oder wollen", sagt Thomas Geyer, Vorsitzender der Ingelheimer Tierhelfer. Diese freilich lassen kein Tier, das in ihre Obhut kommt, unversorgt. Wenn ein Hund, eine Katze, ein Kaninchen ärztliche Behandlung braucht, kriegt es sie. Punkt. "Wir finanzieren keine Schönheitsoperationen", stellt Geyer klar. "Aber wenn eine OP die Lebensqualität eines Tieres verbessert oder ihm Schmerzen nimmt, dann machen wir das möglich." Auch, wenn schnell Beträge im vierstelligen Bereich zusammenkommen.
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Und so werden im Ingelheimer Tierheim auch in diesem Jahr wieder schätzungsweise 85 000 Euro für Operationen und Behandlungen ausgeben. Was das für den Verein bedeutet? Schatzmeisterin Sigrid Crämer, die sich wie so viele hier ehrenamtlich für Tiere in Not engagiert, spricht Klartext: "Die Tierarztkosten fressen uns auf." Neben den Ausgaben fürs Personal sind sie der größte finanzielle Posten, den die Tierhelfer zu stemmen haben. Freilich, der Verein bekommt eine "Fundtierpauschale" von umliegenden Kommunen. "Doch die ist nach eineinhalb, spätestens zwei Monaten aufgebraucht."
Dann müssen die Tierschützer selber sehen, wie sie den Betrieb am Laufen halten. Auf Spenden sind sie dringend angewiesen, in diese Rubrik fallen auch die Patenschaften, die Unterstützer für ein Tier übernehmen können - vorzugsweise für eines, das lange im Tierheim sitzt und viel Geld kostet. Kein Pate freilich muss Angst haben, plötzlich Riesensummen für sein krankes Paten-Tier ausgeben zu müssen. "Jeder entscheidet selbst, wie viel er monatlich beisteuern will", erklärt Barbara Blachnik. Die Masse macht's - viele Helfer, viele Spenden. Und durch den regelmäßigen Fluss hat das Tierheim zumindest etwas Planungssicherheit.
Einer, der viele Fans hat und braucht, ist Tarkan. Der Kangal-Mix ist allein schon wegen seiner Größe schwer zu vermitteln, dazu kommt, dass ein Herdenschutzhund nicht in jedermanns Hände gehört. Sein Zuhause verlor er allerdings völlig unverschuldet, und es gibt keinen im Tierheim, der nicht findet, dass er ein Supertyp ist. Allerdings einer mit Baustellen: Nicht nur, dass seine Nieren nicht ganz gesund sind, weshalb er teure Spezialkost braucht - wovon der sanfte Riese täglich zweieinhalb Kilo frisst. Der fünfjährige Rüde hat auch Probleme mit Skelett und Muskulatur, doch dank vieler Spender können ihm Physiotherapie und Trainings im Wasserbad spendiert werden. Auch wenn er "nur" ein Tierheimhund ist - Tarkan soll die bestmögliche Pflege bekommen. Er dankt es mit stetigen Fortschritten.
Das gilt auch für Hektor. Wegen eines Beißvorfalls im Tierheim gelandet, wurden ihm hier die äußerst schmerzhaften "Rolllider" operiert. Endlich frei von den Qualen, die ihm jeder Blick und jedes Blinzeln bescherten, kann Hektor zeigen, dass er ein toller Hund ist. "Er holt jetzt seine Jugend nach, hat nichts als Flausen im Kopf", grinst Geyer.
Auch im Katzenhaus gibt es Patienten. Waltraud, eine ältere Fundkatze, war in schlechtem Zustand und wird aufgepäppelt. Harmony hat Epilepsie, ist aber medikamentös gut eingestellt - daher hoffen die Tierhelfer, dass die liebenswürdige Katzendame doch noch ein neues Zuhause findet.
Die Schicksale kranker Tiere - sie gehen den Tierschützern besonders ans Herz. Können sie ihnen helfen, ihnen ein zweites Leben schenken? Der Ausgang ist ungewiss. Da gab es den kleinen, alten Rüden, der am Klärwerk ausgesetzt worden war. Eine Woche lang kämpfte das Tierheim-Team, das ihm den Namen Felix gab, um sein Leben, letztlich vergebens, er war zu krank. "Ich würde mir wünschen, dass Menschen ihrem Tier einen letzten Dienst erweisen und es bei uns abgeben würden. Dann kennen wir die Vorgeschichte, die Krankheiten, und können gezielt behandeln." Doch Felix hatte man zum Sterben ausgesetzt.
Und dann gibt es Fälle wie Andy. Auch dieser Hund kam todkrank ins Tierheim, der Arzt gab ihm noch drei Monate. Andy sollte nicht im Tierheim sterben, er durfte auf eine Pflegestelle ziehen. Dort lässt er sich heute noch, fünf Jahre später, bekuren. Nimmt täglich seinen Tablettenmix, den ihm der Verein spendiert, und erfreut sich seines Lebens. Die Tierhelfer kostet er einen Haufen Geld, doch die zahlen das gerne. Andy, auch wenn ihn sein alter Besitzer nicht mehr wollte, ist jeden Cent wert. Wie jedes Tierheim-Tier.