Bei der Versammlung werden unter anderem Aussagen für ein Video mit dem Titel „Ich mach da nicht mit“ gesammelt.
HOFHEIM/TS. Die Stimmung ist entspannt auf dem Platz „Am Untertor“. Vor der nach eigenen Angaben 20. Veranstaltung der „Freiheitsboten“, zu der sich rund 100 Teilnehmer versammeln, sitzen manche mit einem Eis oder einer Pizza in der Frühlingssonne. Eine Maske tragen an diesem Abend nur die Ordnungskräfte. Oder Passanten, die an der Versammlung vorbeieilen, bei der ein „offenes Bürger-Mikrofon“ die Gelegenheit bietet, „einfach mal zu sagen, was Euch bewegt“.
Bevor es losgeht informiert die Moderatorin, die Katja genannt wird und vor einem Auto mit Wiesbadener Kennzeichen steht, zunächst einmal über die Auflagen der Kundgebung. An erster Stelle steht dabei das Einhalten der Abstandsregel. Auch wenn sich manche nicht die Freiheit nehmen lassen möchten, sich mit einer herzlichen Umarmung oder per Handschlag zu begrüßen, wird der Abstand an diesem Abend doch weitgehend eingehalten. Auch wenn Kinder mit einem kleinen Karton unterwegs sind, um Spenden für die Auslagen der Organisatoren zu sammeln.
Zu Beginn der Veranstaltung sollen Aussagen gesammelt werden für ein Video mit dem Titel „Ich mach da nicht mit“. Als Erstes ergreift ein Mann, der sich Martin nennt, das Mikrofon. Er hat gleich elf Gründe notiert, warum das für ihn gilt. „Weil ich es ablehne, dass ein Impfpass entscheidet, welche Grundrechte ich noch ausüben darf“, lautet eine seiner Aussagen. Eine etwas ältere Dame, die durch eine gelbe Weste als Ordnerin ausgewiesen wird, glaubt, dass sie ein funktionierendes Immunsystem habe. Sie könne auf sich selber aufpassen und bittet darum, vor der Regierung beschützt zu werden. Zu dem guten Dutzend Teilnehmer, die sich für das Video zu Wort melden, gehört auch eine junge Mutter, die argumentiert: „Weil ich glückliche Kinder haben möchte“. Es liegt keineswegs nur in dem Slogan begründet, dass ein Wort sehr häufig fällt: „ich“. Unter den Teilnehmern, die in der überwiegenden Mehrheit zur jüngeren und mittleren Generation gehören, wird nur ausgesprochen selten von einem „Wir“ gesprochen. Und wenn, dann in erster Linie in Abgrenzung zu denen, die anderer Ansicht sind, sodass höchstens eine eingeschränkte Solidargemeinschaft angesprochen wird. Diese jedoch wächst, denn die Zahl der Abonnenten des dazugehörigen Kanals steigt innerhalb von 24 Stunden um neun Personen auf 474 am Morgen nach der Kundgebung.
Mehrfach wird bei der Veranstaltung für Meinungsfreiheit plädiert. Ein Mann, der sich als Dominik vorstellt, ärgert sich darüber, dass immer gleich die Keule des Rechtsextremismus herausgeholt werde, wenn Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie geäußert werde. Folgt man Rosa Luxemburg, ist Freiheit jedoch immer Freiheit der Andersdenkenden. „Du äußerst doch deine Meinung“, reagiert ein Mann von außen auf Dominik. Die Aufforderung eines Teilnehmers der Kundgebung, der Rufer könne ja in ihre Mitte kommen und das Mikrofon ergreifen, ist dann nicht gerade in einem einladenden Tonfall gehalten. Der Hauptredner der Kundgebung, der als Peter vorgestellt wird, wiederum verspottet diejenigen, die sich zeitgleich durch gebührenfinanzierte Medien über die Pandemie informieren. Eine Frau, die sich Anna nennt, wirbt wiederum für die im Sommer 2020 gegründete Basisdemokratische Partei Deutschland. Ein Kreisverband für den Main-Taunus befinde sich gerade in Gründung.
Von Jan Hendrik