Es war wieder mal voll im Klosterhof am 11. Oktober. „Jetzt berichte ich bei Alt-Hochheim einmal über eine Neu-Hochheimer Geschichte der letzten 50 Jahre,“ begann Egon...
HOCHHEIM. Es war wieder mal voll im Klosterhof am 11. Oktober. „Jetzt berichte ich bei Alt-Hochheim einmal über eine Neu-Hochheimer Geschichte der letzten 50 Jahre,“ begann Egon Schwab seinen lockeren Vortrag. Es begann 1975 mit dem Ozonloch über Australien und dem drohenden Verbot von FCKW-haltigen Treibmitteln. Schwab kündigte seine feste Anstellung und entwickelte als Erstes eine FCKW-freie Sprühmöglichkeit für Haarfestiger, die mittels eines Föhns funktionierte. Die Lösung wurde erfolgreich verkauft, was im Wesentlichen an den vertrieblichen Aktivitäten lag. „Ich bin damals rumgefahren, wie ein Hausierer,” erinnerte sich Schwab. 1976 wurde dann die Aero Pump GmbH gegründet. Es gab allerdings keine Fabrik, sondern in seiner Garage in der Otto-Schwabe-Straße arbeiteten zwei Spritzgussmaschinen, eine Dreh- und eine Fräsmaschine an den Bauteilen und die fertigen Produkte wurden in der näheren Umgebung in Heimarbeit hergestellt. Als die Aufträge mehr wurden, fand die junge Firma eine Fertigungshalle in Hofheim, die allerdings anfangs viel zu groß war, sodass der Gründer den firmeneigenen VW-Bus in die Halle stellte, „damit überhaupt was drin war.“
Alleinstellungsmerkmal Dosiergenauigkeit
Der erste Großkunde 1979, die Farbwerke Hoechst, brauchten eine Sprühvorrichtung für ihr Krebsmedikament. Wichtig war die Dosiergenauigkeit von 24 mg, da das Medikament 1 Million DM pro Gramm kostete. Außerdem passen auch nicht mehr als 24 mg in die Nase. „Der Rest wäre wieder rausgelaufen und dann wäre Geld zum Fenster rausgeschmissen worden“, beschrieb Schwab die Anforderung. Aeropump konnte am genauesten dosieren und gewann den Auftrag. Der Großkunde Farbwerke hob das Ansehen der jungen Firma und war die Basis für weitere Erfolge. Das nächste Produkt waren 1988 Sprühfläschchen für ein Herzinfarktmedikament, das im Notfall unter die Zunge gesprüht werden muss.
Der erste Großauftrag für Nasenspray-Pumpen kam von der Firma Merckle, heute Ratiopharm, die 10 Millionen Sprühfläschchen pro Jahr beauftragen wollte. Schwab sagte zu. „Auf dem Heimweg habe ich dann überlegt, wie machste das nur?” Offensichtlich ging es gut. Der Jahresbedarf an Sprühfläschchen von Ratiopharm liegt heute bei 60 Millionen pro Jahr. Eine der Herausforderungen war immer, den richtigen Materialmix zu finden. Ein Sprühfläschchen besteht heute aus 13 Einzelteilen und alle sind aus unterschiedlichen Kunststoffen. Diese Zusammensetzung wurde in unendlich vielen Versuchen ausgetüftelt.
„Es gab auch immer wieder Mitbewerber, die unsere Produkte kopieren wollten, so richtig geklappt hat das bei keinem,” freut sich der Erfinder Schwab und erklärt, dass das Hauptproblem, die Maßhaltigkeit der Kunststoffe sei.
Sinuhe, der Ägypter als Inspiration für steriles Nasenspray
1999 begann die Entwicklung der Fläschchen für Nasenspray ohne Konservierungsstoff. Die bis dahin verwendeten Konservierungsmittel griffen die Nasenschleimhaut an und führten zu Abhängigkeiten. Den Trick, in den Sprühkopf eine Mikrospirale aus einer Silberlegierung zur Sterilisierung einzubauen, holte Schwab aus einem Buch, in dem Schädeloperationen im alten Ägypten beschrieben wurden. Dazu kam die Kompetenz von Aeropump, Kunststoffteile mit einer Passgenauigkeit im My-Bereich zu bauen, die verhindert, dass Keime ins Innere der Pumpen gelangen. Die Keimresistenz wurde unter anderem erfolgreich in einem Hühnerstall getestet.
2001 zog Aero Pump GmbH dann wieder nach Hochheim in die Dr.- Ruben-Rausing-Straße. Das Unternehmen erwirtschaftet heute einen Umsatz von 65 Millionen Euro im Jahr und ist produktionstechnisch auf dem allerneuesten Stand. Die hohen Investitionen rechnen sich nur, wenn sehr große Mengen produziert werden. Aero Pump musste sogar einmal einen Auftrag von Karl Lagerfeld ablehnen, der von einem speziell für ihn gestalteten Parfümzerstäuber „nur“ 100.000 Stück gebraucht hätte. Der Auftrag wäre wirtschaftlich nicht darzustellen gewesen. Die pharmazeutischen Kunden hingegen nehmen über Jahre sehr hohe Stückzahlen ab. Sie führen allerdings auch jährlich strenge Qualitätsaudits durch. „Es wurde uns nichts geschenkt“, erinnerte sich Egon Schwab. „Wir haben unsere Gewinne immer in das Unternehmen gesteckt, um qualitativ an der Spitze zu bleiben. Man muss immer wieder neue Lösungen anbieten, denn Stillstand ist Rückschritt.“ Egon Schwab hat die Geschäftsleitung vor zehn Jahren an seine Tochter Alexandra Paasch und ihren Mitgeschäftsführer Stefan Christ abgegeben, die das Unternehmen erfolgreich weiterführen. In den nächsten Monaten werden die neuen Lager- und Schulungs- und Produktionsstätten im Rheingaubogen eröffnet werden.
Von Achim Munck