Nächstes Ziel ist der Meisterbrief

Beim Spaziergang mit den Hunden können Matthias und Zabih Probleme bereden und Pläne überlegen – und Freizeit genießen. ©

Zu meiner Person: Ich heiße Zabih Yaghoobi, bin 33 Jahre alt und lebe in Flörsheim-Weilbach. Momentan bin ich auf Jobsuche als Fahrzeuglackierer. Diese Ausbildung habe ich...

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HOCHHEIM. Zu meiner Person: Ich heiße Zabih Yaghoobi, bin 33 Jahre alt und lebe in Flörsheim-Weilbach. Momentan bin ich auf Jobsuche als Fahrzeuglackierer. Diese Ausbildung habe ich gerade erfolgreich abgeschlossen.

Beim Spaziergang mit den Hunden können Matthias und Zabih Probleme bereden und Pläne überlegen – und Freizeit genießen.
Zabih Yaghoobi hat in Matthias Schollmaier einen aufmerksamen Unterstützer gefunden.

Ich bin im Norden Afghanistans – in Kapisa – geboren und meine Eltern sind, als ich 6 Jahre alt war, mit der ganzen Familie über Pakistan in den Iran geflohen. Das geschah über Schleuser und war illegal. Das bedeutete, keine Schule, keine Arbeit, keine Wohnung, kein Geld … Also ein Leben im „Untergrund“, um nicht erkannt zu werden. So wuchs ich auf, lebte und arbeitete als „falscher Iraner“, um mit meinen Eltern und Geschwistern Geld zu sparen für eine erneute Flucht mit der Familie nach „Westen“. Wohin genau, wussten wir nicht.

Diese Flucht begann im Jahr 2015 über Schleuser in die Türkei. Allerdings gelang es nur meinem jüngeren Bruder und mir, in die Türkei zu kommen. Wir wurden vor dem Grenzübertritt in mehrere Autos verteilt. Der Rest meiner Familie wurde erwischt und wieder in den Iran zurückgebracht. Meinem Bruder und mir gelang es mithilfe von Schleusern mit einem Schlauchboot nach Griechenland (Kos) und von dort über Athen, Budapest, Fürstenfeld (Österreich), Wien, Frankfurt und anschließend nach Gießen zu kommen. Dort wurden wir als Flüchtlinge datentechnisch erfasst, bekamen Kleidung und Essen. Nach einigen weiteren Stationen über Eschborn und der Trennung von meinem damals noch minderjährigen Bruder kam ich schließlich nach Hochheim in die Gemeinschaftsunterkunft in der Frankfurter Straße.

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Das Wichtigste war jetzt, Deutsch zu lernen. In der Volkshochschule in Hofheim erreichte ich schließlich den Level B1. In dieser Zeit traf ich, vermittelt durch Frau Benner, Integrationskoordinatorin der Stadt Hochheim, meinen „Paten“ Matthias.

Mein Wunsch war immer, Fahrzeuglackierer zu werden. Mit dieser Arbeit hatte ich schon im Iran Erfahrung gemacht. Da ich jedoch nie in meinem Leben eine Schule besuchen konnte, musste ich dringend in ganz kurzer Zeit Mathematik, Deutsch, Physik und ein bisschen Chemie lernen. Wie gesagt, mit null Vorkenntnissen.

Parallel dazu stand auf dem Plan: Wohnung suchen, Lehrstelle suchen. Beides Dinge, die zunächst ziemlich aussichtslos schienen. Wohnungen werden nicht an Flüchtlinge ohne Beruf, Schulabschluss, Einkommen vermietet und mit Lehrstellen verhält es sich ähnlich.

Endlich eine Lehrstelle als Autolackierer

Mittlerweile hatte Matthias mir die Grundlagen der Mathematik vom 1. bis zum 8. Schuljahr beigebracht und ich hatte das Glück, in Wiesbaden-Medenbach bei einer Fahrzeuglackiererei eine Lehrstelle zu bekommen. Eine Wohnung zu mieten gestaltete sich als fast unmöglich. In der Gemeinschaftsunterkunft waren die hygienischen und sozialen Verhältnisse katastrophal. Ich hielt mich also bei Freunden oder in dem kleinen Dachgeschosszimmer meines Bruders auf und lernte, wenn er schlief, schlief, wenn er lernte oder arbeitete.

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Dazu kam, dass die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Hochheim oder Wiesbaden nach Medenbach bis zu vier Stunden pro Tag dauerte. Ich musste also hauptsächlich im Bus lernen. Das war eine extrem stressige Zeit. Dazu kam noch der Kampf mit der einen oder anderen Behörde, die sich selbst und die Flüchtlinge mit einer wahrhaft dschungelartigen Bürokratie erstickt.

Mit ordentlichen Noten nach oben gekämpft

Trotzdem habe ich durchgehalten und mich mit intensiver Nachhilfe meines Paten in allen Fächern der Berufsschule zu recht ordentlichen Noten nach oben gekämpft.

Einige Phasen des „Aufgebenwollens“, hervorgerufen durch die Aussichtslosigkeit der Wohnungssuche, will ich aber nicht verschweigen. Das hat mein Pate wohl auch so gesehen und dann selbst die Initiative bei der Wohnungssuche ergriffen. Das war dann auch aufgrund seiner Reputation, Erfahrung und seinen finanziellen Möglichkeiten (Übernahme Bürgschaft, Miete, Kaution ...) in zwei Wochen erledigt. Ich konnte in meine eigene Wohnung einziehen – halleluja. Damit war eines meiner größten Probleme gelöst.

Im Juli 2022 habe ich meinen Gesellenbrief als Fahrzeuglackierer erhalten. Von den 22 Auszubildenden, die vor drei Jahren angefangen hatten, haben nur drei bestanden. Ein katastrophal schlechter Wert. Hier sollte man dringend Konzepte erarbeiten, wie man eine so schlechte Quote verbessern kann. Eine solche Verschwendung von Lebenszeit, Geld, Integrationsaussicht, … können wir uns eigentlich nicht leisten. Von den dann zu erwartenden sozialen Konflikten erzeugt durch Perspektivlosigkeit oder potenzieller Arbeitslosigkeit ganz abgesehen.

Dank der Unterstützung meines Paten konnte ich im September für drei Wochen meine Familie im Iran besuchen – tolle Wiedersehensfreude nach sieben Jahren.

Jetzt sind meine wichtigsten Ziele, eine Arbeitsstelle zu finden, den Führerschein zu machen und mich mittelfristig auf eine berufliche Weiterbildung vorzubereiten mit dem Ziel, den Meisterbrief zu erhalten.

Von aufgeschrieben von Matthias Schollmaier