Die Partnerstädte aus Galanta, Šumperk und Tuchów, hatten kleine offizielle Besuchergruppen entsendet und waren der Einladung zum Pollauer Weinlesefest vom 9. bis 11....
HOCHHEIM. Die Partnerstädte aus Galanta, Šumperk und Tuchów, hatten kleine offizielle Besuchergruppen entsendet und waren der Einladung zum Pollauer Weinlesefest vom 9. bis 11. September nach Mikulov gefolgt, ebenso Hochheim, die jüngste Partnerstadt. Sommerliche Temperaturen mit hie und da vereinzelten Regentropfen aus einigen dunklen Wolkenbändern, die sich recht flott Richtung Österreich verzogen, bildeten eine hervorragende Kulisse für ein Festwochenende in angenehmer Atmosphäre.
Das abgegrenzte Festgebiet im Kern der Altstadt war in diesem Jahr wieder gut bevölkert von vielen Menschen meist jüngeren Jahrgangs. Gleiches galt für die Open-Air-Konzerte im Amphitheater, das rund einen Kilometer vom Stadtplatz entfernt liegt. War im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie die behördliche Erlaubnis nur erteilt worden, wenn maximal 26.000 Eintrittskarten verkauft werden, so gab es jetzt keinerlei Einschränkungen mehr. Ob es in diesem Jahr mehr als 50.000 Besucher gewesen sein mögen, ist schwer abzuschätzen. Ein Menschengedränge mit sich durch die Straßen schiebenden Besuchern, die zum Schloss oder Rathaus an die dortigen Veranstaltungspunkte wollten, blieb auch in diesem Jahr aus. Auch wenn der Bettenzahl-Platzhirsch vor Ort, das Galant-Hotel, sowie zahlreiche Pensionen und Appartements wieder ausgebucht waren, ging es an diesem Pálavské vinobraní trotz des vielfältigen Angebots, gemütlich zu. Das könnte durchaus mit der Konkurrenz des Weinlesefestes im 55 Kilometer entfernten Znojmo zusammenhängen, das zeitgleich stattfand. In der Region Znojmo gibt es ebenfalls hervorragende Produkte des Weinanbaus. Aber, wie die Gesprächspartner aus Mikulov insistierten, „unser Weinlesefest hat mehr Flair“.
Viele Menschen, aber kein Gedränge im Festgebiet
So schlenderten in Mikulov die Besucher entlang der zahlreichen Verkaufsstände, die unter anderem handgefertigten Schmuck, Holzarbeiten, Trockenblumengestecke, bedruckte T-Shirts oder Kuscheltiere aus echtem Schafsfell feilboten. Unzählige Essensstände lockten mit Käsespezialitäten, Nüssen und Gebäck, französischen Crȇpes, ungarischen Wurstspezialitäten und Langoš, gegrillten Klobassa (Würstchen), Prager Schinken oder Forellen zum Probieren und Verspeisen. An unzähligen Ständen wurden Unmengen von Burčak (Federweißer, Sturm) umgesetzt, zumeist abgefüllt in 1,5 Literflaschen und mit einem Plastikhenkel versehen, sodass die Käufer die Behältnisse mit dem gärenden Saft leicht transportieren konnten. Zusätzlich hing vielen Besuchern an handgefertigten Haltern ein Weinglas vor der Brust.
In der zentralen Straße zum Rathausplatz waren auch einige größere Winzerbetriebe vertreten. Wer an der Gruftkirche der Dietrichsteiner vorbeiging, gelangte in die Kapuzinergasse, die auf ihrer ganzen Länge mit Ständen von Winzern aus Mikulov und Umgebung bestückt war, die Mitglied im Weinbauverband sind. Auch die Weinbauschule aus Valtice (Feldsberg) war vertreten und präsentierte Weine aus der Produktion der Weinbau-Azubis. An den Ständen konnten die Besucher gleich den Wein kaufen, der ihnen mundete. In der Winzergasse gab es eine kleine Bühne, auf der traditionelle Hackbrettmusik und Chorgesang zu hören waren.
Das Schloss als ein Zentrum der Programmangebote
Ein eigenes großes Veranstaltungszentrum bildete das Schloss. Zahlreiche kulturelle Angebote wurden im Schlossgarten angeboten: Von Theater für Kinder über Märchenerzähler, Jongleure und Gaukler, mittelalterliche Lieder, die von einer Liveband mit historischen Instrumenten vorgetragen wurden bis hin zu Bogenschieß- oder Fechtvorführungen.
Auf der Ostterrasse hielten Wenzel (Vaclav) IV. und seine Königin, die in Marseille geborene Chantal Poulain, Audienz. Im Hauptsaal des Schlosses hatten Besucher mit zusätzlichem Ticket für den Zutritt die Chance, sich an den teilnehmenden Produkten des nationalen Wettbewerbs des Mikulover Weinanbaugebiets zu erquicken. 700 unterschiedliche Weine und Sekte standen zur Verkostung bereit. Bei dieser Weinmesse schenkten Servicekräfte aus. Die Weine reihten sich in großen Kühlbatterien hinter ihnen an der Wand auf und waren (querbeet) nummeriert. Die Verkoster erhielten beim Eintritt, neben einem Weinglas zwei grüne Zettel an die Hand, die in jeweils zehn kleine Abrissbereiche perforiert waren. Pro Glaseinschank musste man je nach Qualität des Produkts zwei bis sieben Abrisse hinblättern. Wer sich ganz auf die Jury verlassen mochte und sich nicht in die gewöhnungsbedürftige Systematik des etwas zu klein gedruckten Probenhefts einarbeiten mochte, fragte einfach nach entsprechend Zettel verzehrenden Kreszenzen.
Auch die Hochheimer Delegation testete sich von Trocken bis Edelsüß durch und genoss im Freien auf der Terrasse hoch über den Dächern der Stadt verschiedene Weine und die unvergleichliche Aussicht auf die Altstadt mit St. Wenzelskirche und der benachbarten Propstei, dem heiligen Berg mit St. Sebastianskapelle und Glockenturm sowie die Landschaft Richtung Österreich. „Das ist doch fast wie am Belvedere in Hochheim“, stellte ein Mitglied der Gruppe die sehr gewagte These auf, was vermutlich an dem edelsüßen Wein lag, der der Person bestens mundete. Die realitätsnahe Entgegnung war dann ernüchternd: „Naja, der Ausblick hier ist wohl eher Belvedere hoch drei.“
Im Keller des Schlosses mit dem großen Weinfass und den historischen Weinpressen wurden in mehreren Durchgängen Weinproben eines Winzerbetriebes angeboten; Weinbauern aus dem Nachbarort Sedlec, das ganz in der Nähe der historischen Portzinsel-Brücke liegt, zeigten interessiertem Publikum, wie die Trauben auf traditionelle Weise verarbeitet wurden. Auf der Ostterrasse unter den Arkaden wurden Weine aus der Weingesellschaft Vino Mikulov Sommelier Club und dem Weingut Pavlov verkostet und das Weingut Marcinžak war mit einer Auswahl seiner hochwertigen Weine im Schlossgarten mit Pavillon und Ausschank vertreten.
Amphitheater bot täglich mehrere Livekonzerte
Neben dem Schloss fungiert das städtische Gelände am Amphitheater als ein weiterer Veranstaltungshotspot. Auch hier gab es Wein- und Essensstände, handwerkliche Produkte sowie einen kleinen Jahrmarkt mit Fahrgeschäften, die den Schwerpunkt auf das Interesse der Kinder legten. So gibt es hier ein putziges „Riesenrad“ im Miniaturformat, das das ganze Jahre über dort steht.
Und dann das Amphitheater selbst mit seinen 2.500 Sitzplätzen und gigantischer Bühne und technischer Ausstattung. Einmal quoll die Musikarena mit Zuschauern regelrecht über. Nicht alle Fans fanden einen Platz und konnten die neuen Stars am tschechischen Musik-Himmel nur hören. Samstagabend spielte der 30-jährige Mirai Navrátil mit seiner gleichnamigen Band, die feinste und tanzbare Mucke mit gehaltvollen Texten kombinieren. Die Pop-Rock-Formation Mirai war bei den tschechischen Musikpreisen Andĕl im Mai aufgrund ihrer CD „Maneki Neko“ zur Band des Jahres gekürt worden. Kein Wunder, dass bei ihrem Liveauftritt das Amphitheater aus allen Nähten platzte und die Fans vor Freude ausgelassen tobten und mitsangen.
Weinfest, Kultur- und Musikfestival und Jahrmarkt
Das Pálavské vinobraní ist wie ein riesengroßer „Kessel Buntes“, ein Schmelztiegel aus Kultur, Jahrmarkt, Weinwirtschaft und Musikfestival. Ansatzweise könnte man das Weinlesefest vielleicht vergleichen mit einem kleinen Hochheimer Markt, einem Weinfest inklusive Weinmesse plus historischem Mittelalterspektakel, inklusive Festumzug durch die Stadt und einem Konzertfestival am Rathausplatz und im Amphitheater, bei dem einen schon mal die Ohren klingeln. Wäre so etwas in Hochheim denkbar? Wohl eher nicht.
Empfangen wurden die Delegationen von Bürgermeister Rostislav Koštial freitags im Galant-Hotel. Für die Gruppen aus den Partnerstädten standen selbstverständlich wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rathauses zur Verfügung, die sich während des gesamten Wochenendes engagiert um ihre Gäste kümmerten.
Am Samstagvormittag fand dann der offizielle Empfang im großen Saal des Rathauses statt. Mikulovs Bürgermeister freute sich, alle Gäste zu einem Weinlesefest zu begrüßen, das ohne Einschränkungen stattfinden könne. In seiner Funktion als „starosta“ war es nach 16 Jahren das letzte Mal: „Ich danke euch allen. In den langen Jahren, in denen wir uns kennen, sind unsere Partner fast schon zu einer Familie geworden.“
Vize-Bürgermeisterin Leona Alexová schloss sich den Worten des Rathausleiters an und wünschte allen ein tolles Weinlesefest mit vielen guten Weinen. Die zweite Vize-Bürgermeisterin Sylva Chludilová zeigte sich überzeugt davon, dass „kein räumlicher Abstand zu groß ist, als dass unsere Freundschaft nicht beständig bleiben würde“. Neben Hochheim (780 Kilometer) hatten die polnischen Gäste aus Tuchow (480 Kilometer) die weiteste Anreise.
Petra Eliášová, die als Direktorin der städtischen Gesellschaft Mikulovska Rozvojova als Veranstalter des Weinlesefestes auf das vielfältige Programmangebot im Festgebiet und Amphitheater hinwies: „Wir haben das Programm so abgestimmt, dass mit Sicherheit für jeden etwas dabei ist“.
Nach guten Gesprächen unter anderem mit dem Bürgermeister aus Ottenthal, Erwin Cermak, ging es dann „an die Arbeit“. Der Festumzug stand bevor und die Delegationen reihten sich hinter den Standartenträgern mit den städtischen Wappen ein.
Zügig unterwegs durch die Stadt zum Amphitheater
Anders als in den Vorjahren bewegte sich der imposante Lindwurm schnellen Schrittes durch die Stadt bis zum Amphitheater. Der Zug bestand aus Trommlern, Fahnenträgern, König und Königin hoch zu Ross, dem Bacchus, Ritter in Rüstungen und weiteren Schauspielern, die in mittelalterliche Gewänder gekleidet waren, dem Kulturverein NS Palava mit seinen vielen Mitgliedern vom Kleinkind bis zum Hochbetagten, die in wunderschönen historischen Trachten mitgingen, tanzten und musizierten sowie die Blaskapelle Mikulovanka, die dem Königspaar den Marsch bliesen.
Im Amphitheater endete der Zug mit dem Auftritt auf der großen Bühne. Kateřina Korandová, ständige Begleiterin der Hochheimer Gruppe an diesem Wochenende, hatte noch rasch auf dem Gelände für Getränke gesorgt, und so mischte sich die Hochheimer Delegation einen trockenen Wein des Weinguts Popela aus Perná zur Schorle und verfolgte gelassen das bunte Treiben auf der Bühne.