Seit mehreren Jahrzehnten ist das Problem am Hochheimer Bahnhof bekannt. Wer Richtung Frankfurt fahren möchte, der muss in die Unterführung und dann Treppen hinaufsteigen....
HOCHHEIM. Seit mehreren Jahrzehnten ist das Problem am Hochheimer Bahnhof bekannt. Wer Richtung Frankfurt fahren möchte, der muss in die Unterführung und dann Treppen hinaufsteigen. Gleiches gilt für ÖPNV-Nutzer, die aus Richtung Wiesbaden auf Gleis 2 anlanden und sich ins Stadtgebiet aufmachen möchten. Ein Treppengang ist in allen Fällen ein Muss. Für Menschen, die gehbehindert oder auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist dann am Gleis 2 Endstation. Aber auch ÖPNV-Nutzer, die älter an Jahren und vielleicht noch zusätzlich mit einem schweren Koffer unterwegs sind, oder Mütter mit Kinderwagen und Einkaufstaschen haben große Mühe, diese Treppenbarriere zu meistern. Bis 2025, so die Ankündigung der Bahn AG in einem Bauausschuss des vergangenen Jahres müsse spätestens mit dem Umbau des Hochheimer Bahnhofs für einen barrierefreien Zugang wegen des zeitlich befristeten Zuschussprogramms begonnen werden. Demnächst wollen Bahnvertreter im Bau-, Verkehrs- und Umweltausschuss aktualisierte Planungen vorlegen.
Von der geschilderten Situationsbeschreibung der Gegenwart ausgehend könnten bis dahin helfende Hände tätig werden, um Bahnkunden beim Ein- und Aussteigen zu helfen, schwere Lasten abzunehmen und auch beim obligatorischen Gang zur Treppe unterstützend an der Seite zu sein. Die CDU-Fraktion hatte einen entsprechenden Antrag in die politischen Gremien eingebracht. Dabei wurde auf ein Hilfsprojekt am Hattersheimer Bahnhof verwiesen. Im Rahmen des Förderprogramms für Langzeitarbeitslose „Engagement (Ent-) lohnt hätten dort zwei Personen Serviceleistungen am Bahnhof zwischen 7.00 und 9.00 Uhr und von 16.00 bis 19.00 Uhr. „Das Angebot besteht nicht mehr. Die beiden Personen sind abgesprungen“, berichtete Dr. Rainer Berg vom Main-Taunus-Kreis, der in der Verwaltung zuständig ist für das Programm „Engagement (Ent-) lohnt“. Das Projekt sei mitten in die Pandemiezeit gefallen, erläuterte Berg, wo soziales Miteinander im öffentlichen Raum nur reduziert stattgefunden habe. Eine der Helfer am Bahnhof hätte zudem über aggressive Übergriffe geklagt. „Der Arbeitsort Bahn ist so eine Geschichte. Aber jede Form von vernünftiger Beschäftigung ist gut“, meinte Berg.
Auf die Situation am Hochheimer Bahnhof bezogen sind nach Ansicht von Petra Westedt (FDP) die grundlegenden Rahmenbedingungen nicht gegeben. Es fehlten die Räumlichkeiten. Weder Toiletten noch Aufenthaltsräume seien vorhanden. Um Bahnfahrenden wirklich helfen zu können, müssten die Servicemitarbeiter für die Menschen sichtbar sein. Dies bedeute, dass man sie in entsprechenden Räumen auf dem Bahnsteig von Gleis 2 unterbringen müsste. Ebenso müsse die soziale Komponente erfüllt sein, betonte Ute Reidies (SPD). Der Arbeitgeber habe eine gewisse Fürsorgepflicht. Die dort tätigen Menschen deshalb bräuchten einen Ansprechpartner während ihrer Arbeitszeit. Linda Blessing (GRÜNE) ergänzte, so eine Arbeit auf sich alleine gestellt und nahezu isoliert zu sein, empfinde sie nicht als ausfüllende Tätigkeit. Dies einen Menschen nicht positiv, sondern fördere im Gegenteil frustrierende Erlebnisse.
Der CDU-Antrag wurde auf die nächste Sitzung vertagt.
Dr. Rainer Berg war in den Ausschuss geladen worden, um das Förderprogramm Engagement (ent-) lohnt, in seinen Grundzügen den Ausschussmitgliedern vorzustellen.
Durch entsprechende Gesetzesänderungen 2019 wurde das Förderprogramm entfristet und für Job-Center und Kreisverwaltungen Planungssicherheit hersgestellt. Zielgruppe sind Langzeitarbeitslose, die mindestens sechs Jahre keiner Arbeit nachgegangenen sind. Es geht um persönliche Schicksale. In einem Profilierungsgespräch werde versucht, die Potenziale der Betroffenen auszuloten. In diesem Gespräch erfahre man weit mehr, als es der Lebenslauf hergibt, betont Berg. Grundsätzlich ist jeder Person freigestellt, ein Gespräch mit dem Coach zu führen. Die Erfahrung zeige aber, lassen sich Langzeitarbeitslose darauf ein, wisse man im Idealfall, wie es konkret weiter gehen könnte.
So werde ein erster Kontakt mit Arbeitgebern geknüpft, die an dem Projekt teilnehmen. Danach schließt sich ein 14-tägiges Praktikum an, und wenn dies positiv für beide Seiten ausfällt, werde mit dem Arbeitgeber für die ersten sechs Monate ein behutsamer Einstieg für den neuen Mitarbeiter in die geregelte Arbeitswelt mit rund 30 Stunden die Woche vereinbart. Bei diesem Wiedereingliederungsprozess wird der Arbeitende begleitet und nicht alleine gelassen.
Das Programm ist für Arbeitgeber durchaus lohnend. Die ersten zwei Jahre erhalten sie den kompletten Bruttolohn als Zuschuss, im dritten Jahr sind es 90 Prozent, im vierten Jahr 80 Prozent und im fünften Jahr 70 Prozent. Arbeitgeber können sich zunächst auch für eine kürzere Laufzeit des Förderprogramms entscheiden. Allerdings kann das Projekt nur einmal verlängert werden, erklärt Berg zum Abschluss seiner Ausführungen.