Pyrotechniker können nach Corona noch nicht ganz aufatmen
Der Wickerer Mario Kern ist professioneller Feuerwerker. Die erhoffte Normalisierung hat 2022 ihm nicht gebracht. Sorgen bereiteten etwa die Trockenheit und der Ukraine-Konflikt.
Flörsheim. Und – alles wieder normal nach Corona? Von wegen. Nach zwei Jahren mit abgesagten Silvesterfeuerwerken, nach Jahren mit ausgefallenen Festen, abgesagten Feiern und verschobenen Hochzeiten hat auch das Jahr 2022 für den Wickerer Feuerwerker Mario Kern nicht die erhoffte Normalisierung seiner Branche gebracht.
„Normal wird das gar nicht mehr”, lautet die pessimistische Einschätzung des 56-Jährigen. Denn die Hoffnung, dass die professionellen Feuerwerker nach den Einbußen durch Corona wieder an alte Zeiten anknüpfen können, haben sich recht schnell als verfrüht erwiesen. Denn die Branche sah sich plötzlich ganz anderen Beschränkungen ausgesetzt. Mit dem Zuzug der Ukraine-Flüchtlinge habe sich nämlich ein ganz neues Debattenfeld aufgetan, so Kern. Die Frage dahinter: Kann man den ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland Feuerwerke zumuten oder muss man wegen möglicher Traumatisierungen darauf verzichten?
Mario Kern kann darüber nur den Kopf schütteln. Für ihn ist die Sache mit der empörten Antwort einer Ukrainerin erledigt, die er mal nach ihrer Position zu dem Thema gefragt habe. Man sei nicht blöd und könne sehr wohl zwischen Kriegslärm und Feuerwerk unterscheiden, habe sie ihm geantwortet.
Blau-gelbe Solidarität am Himmel
Doch das Thema war in der Welt und der prächtige Strauß der Kritikpunkte an der Feuerwerkerei um eine Blüte reicher. Mit deutlichen Konsequenzen für Mario Kerns Geschäft. Die Feuerwerke in Marburg und Korbach, die er im vergangenen Sommer in den Himmel hätte schießen sollen, seien ihm mit Verweis auf die möglichen Folgen für ukrainische Flüchtlinge abgesagt worden. Dass es auch anders gehe, habe der Pfingstmarkt in Frankenberg gezeigt, wo Kern in diesem Jahr sein größtes Feuerwerk geschossen habe. Das Schlussbild: Ein Himmel in gelb-blau als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine.
Doch das sollte noch längst nicht das Ende der Beschwernisse sein, mit denen sich der Pyrotechniker in diesem Jahr auseinandersetzen musste. Einen weiteren Teil zu seinem rund 30-prozentigen Umsatzrückgang im Vergleich zu einem Vor-Corona-Jahr habe der Hitzesommer beigetragen. Angesichts ausgetrockneter Wälder und dürrer Felder war ein Feuerwerk nicht mehr Ausdruck von Lebensfreude oder glanzvoller Abschluss eines rauschenden Festes, sondern geriet in den Verdacht vorsätzlicher Brandstiftung.
Absagen wegen Trockenheit
Und genauso rigoros, wie Feuerwerke wegen der Ukraine-Flüchtlinge abgesagt worden seien, habe man sie nun wegen der Trockenheit gestrichen, berichtet Kern. Dabei habe er in den 25 Jahren, in denen er professionell Feuerwerke abbrenne, noch nie einen Brand verursacht. Seltenheitswert habe dagegen der Einsatz der Harxheimer für ihr Weinfest-Feuerwerk gehabt. Das bunte Spektakel am Himmel sei der Gemeinde so wichtig gewesen, dass man in Kooperation mit der Feuerwehr sichere Umstände für das Feuerwerk habe gewährleisten können.
12,5 Gramm Feinstaub beim Flörsheimer Kerbefeuerwerk
„Wenn man will, geht es”, sagt Mario Kern, aber oft wolle man eben nicht so recht. Auch deshalb, weil das Feuerwerk verstärkt in der Kritik stehe. Tierschützer klagen, der Lärm würde ihre Lieblinge ängstigen, Umweltschützer bemängeln den Müll im Allgemeinen und die Feinstaubbelastung im Speziellen. Die Branche versucht, mit plastikfreiem Feuerwerk, biologisch abbaubarer Pappe oder gar Alternativen zum Schwarzpulver zu kontern, berichtet Kern. Und auch er selbst hat schon die Feinstaubbelastung ausgerechnet, die er mit dem Feuerwerk zur Flörsheimer Kerb verursacht habe. Basierend auf Berechnungsgrundlagen des Branchenverbandes Pyrotechnik kommt er auf 12,5 Gramm. „Das meiste ist gepresster Ton, der zerbröselt”, sagt Kern. Und der sei harmlos, keineswegs vergleichbar etwa mit Bremsenabrieb, wie er beim Autofahren entstehe.
Die Alternativen zum klassischen Feuerwerk – Laser- und Drohnenshows – sieht er skeptisch. „Feuerwerk ist eben Feuerwerk.” Und das schätzen auch seine treuesten Kunden, die Amerikaner der Erbenheimer Airbase. Sie haben sich weder von Corona noch von Trockenheit oder Flüchtlingen von ihrem Feuerwerk abbringen lassen. Zum 4. Juli wurde geböllert, in jedem Jahr.
Mit Abstand der beste Eindruck
Für Fans des Feuerwerks hat Kern nach zwei Jahren Zwangspause in diesem Jahr auch wieder seinen Garagenverkauf vom 29. bis zum 31. Dezember geöffnet. Hier verkauft er, was er selbst bei professionellen Feuerwerken in den Himmel schießt. Nicht die intensiv beworbene Supermarktware, auf die er nur herablassend blickt, sondern Profi-Ware. „Damit schieße ich auch das Feuerwerk zur Flörsheimer Kerb”, sagt Kern und fügt hinzu: „Kaliber 16 bis 28.” Ein Qualitätsmerkmal für Kenner, würden im Supermarkt doch nur viel schwächlichere Kaliber verkauft. Auf Wunsch verlängert er auch die Zündschnur seiner Feuerwerksbatterien, denn mit Abstand sei das Lichterbild am Himmel am eindrucksvollsten. „Für das beste Erlebnis sollten es schon 15 bis 20 Meter sein”, rät Kern.