Um Spekulationen und einen möglichen Stillstand rund um das Rüsselsheimer Karstadt-Areal zu verhindern, wollen SPD, Grüne und Linke die Gewobau als Bauherrin einsetzen. Man...
RÜSSELSHEIM. „Wir können uns angesichts der Situation der Innenstadt nicht leisten, dass das Karstadt-Areal zum Spekulationsobjekt wird.“ Diese Sorge habe seine Überlegungen als Baudezernent, Stadtplanungsdezernent und die politischen Bündnispartner dazu bewogen, in den laufenden Prozess der Karstadt-Entwicklung einzugreifen, sagt Nils Kraft (SPD). Linke, Grüne und SPD hatten kurz vor Beginn des geplanten Investorenwettbewerbs gefordert, dass das Areal nicht verkauft, sondern von der Gewobau entwickelt wird.
Der Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft beschloss, diesen Vorschlag anzunehmen. Eine Entscheidung, die auf Kritik stieß, nicht nur beim politischen Gegner, sondern auch bei lokal ansässigen Investoren und dem Gewerbeverein.
Kraft sieht den Schritt dennoch als richtig an. „Die Immobilie war vor dem Kauf durch die Gewobau 15 Jahre lang auf dem freien Markt, passiert ist aber nichts“, sagt der Baudezernent. Kein Investor habe in dieser Zeit zugegriffen. Über die Gewobau habe sich dann ein Weg gefunden, den Stillstand endlich zu beenden. Dafür habe die Wohnungsbaugesellschaft Geld in die Hand nehmen müssen. Das aktuell vorliegende Wertgutachten zeige, dass die bisherigen Investitionen bei einem Verkauf aber kaum wieder reinzuholen seien. Das sei nicht wirtschaftlich.
Still- und Leerstand verhindern
Der vorgesehene Verkauf an einen Investor habe ihm aber auch aus anderen Gründen schwer im Magen gelegen. Kraft denkt an die Brandruine in der Innenstadt. Sie sei von einem Investor gekauft worden, der sogar fertige Pläne vorgezeigt habe - doch dann passierte nichts. „Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, die Brandruine nicht zu erwerben. Wir hätten das Vorkaufsrecht der Stadt in Anspruch nehmen sollen.“ Das Beispiel zeige, dass man nie wissen könne, was ein Investor aus einem Objekt tatsächlich macht. Still- und Leerstand könne man sich im Fall von Karstadt nicht leisten.
Auch das Löwencenter, das heute gut funktioniere, sei ein Beispiel dafür, dass die Stadt die City nicht sich selbst und privaten Investoren überlassen sollte. Das Center sei jahrelang gehandelt worden, bis zu einer positiven Entwicklung aber habe es lange gedauert. Auch das will Kraft für das Karstadt-Areal nicht.
Stadt würde Abrisskosten übernehmen
Anstelle von Gewerbeflächen im Neubau auf dem Karstadt-Gelände, bei denen es fraglich sei, ob ein Investor sie wirklich vermietet bekomme, sei es eine durchaus sinnvolle Maßnahme, bei geringer Interessenlage an den Flächen im Erdgeschoss der Stadtverwaltung Platz zu geben. „Wir haben jetzt schon Räume angemietet, weil das Rathaus aus allen Nähten platzt“, sagt Kraft. Die Verwaltung würde an die Gewobau ortsübliche Mieten zahlen. Von einer Quersubventionierung könne nicht die Rede sein.
Mit Blick auf die Abrisskosten erklärt Kraft, die Stadt habe sich der Gewobau gegenüber beim Kauf der Karstadt-Immobilie bereit erklärt, die Abrisskosten zu übernehmen, um der Gesellschaft diese Last abzunehmen. Bei 1,05 Millionen Euro Abrisskosten sei eine Förderung in Höhe von 384.000 Euro aus dem Programm „Stadtumbau in Hessen“ möglich - diese sei unter Auflagen bereits genehmigt. Sollte allerdings doch noch ein Investor zum Zuge kommen, müsste der die verbleibenden Abrisskosten - so die Meinung Krafts - schon übernehmen. Auf den Tisch zu legen wären also deutlich mehr als die 1,9 Millionen Euro, die das Areal laut Gutachten Wert ist. „Ansonsten geht es zu Lasten des Steuerzahlers“, sagt Kraft, während der Investor am Ende Gewinne abschöpfen könne.
"Wir hatten es früher nicht auf dem Schirm."
Warum aber kommen all diese Erkenntnisse, speziell zu den Nachteilen eines Kaufs durch einen Investor, erst jetzt zum Tragen? Kraft gibt zu: „Wir hatten es früher nicht auf dem Schirm.“ Der städtebauliche Wettbewerb sei der erste wichtige Schritt bei der Entwicklung des Areals gewesen. Dann seien viele andere Baustellen zu regeln gewesen. Erst jetzt habe man sich intensiv mit der Thematik befassen können und neue Erkenntnisse durch Recherchen über die Immobilienlage insgesamt gewonnen. „Jetzt ist es aber immer noch nicht zu spät“, sagt Niels Kraft. In der Sitzung der Stadtverordneten am Donnerstag, 21. Juni, soll über das weitere Vorgehen beraten und abgestimmt werden.
Von Heike Bökenkötter