Eine Maschine im Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen ist 2020 viel zu früh, viel zu tief geflogen. Wie kam es dazu? Zwei Jahre später haben Experten die Ursache gefunden.
RÜSSELSHEIM. Gefährlich nah ist ein Passagierflugzeug am Neujahrstag 2020 über Rüsselsheimer Stadtgebiet im Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen geflogen. Offenbar ist der Tiefflug mit 324 Passagieren an Bord, davon 18 Besatzungsmitglieder, auf eine Fehleinschätzung der Piloten zurückzuführen. Das geht aus dem Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung hervor, der dieser Zeitung vorliegt. Das Flugzeug hatte an seinem tiefsten Punkt nur noch eine Höhe von rund 200 Metern. Normalerweise fliegen Maschinen hier mehr als doppelt so hoch. Wie kam es dazu?
Der Airbus 350 der Fluggesellschaft Thai Airways war nach rund 14 Stunden Flug am Abend des 1. Januar 2020 aus der thailändischen Stadt Phuket gekommen, als die Piloten ihren Landeanflug auf die Südlandebahn des Flughafens schließlich abbrachen und ein Durchstartemanöver einleiteten.
Piloten „zeitlichen Stress ausgesetzt“
Zuvor hatte der Lotse am Frankfurter Flughafen an die Cockpitbesatzung von Flug TG926 die Anweisung gegeben, den Sinkflug zu beschleunigen und ursprünglichen Anflugweg auf die Südlandebahn zu verkürzen.
Grund war ein erkrankter Passagier an Bord, der direkt nach der Landung medizinisch versorgt werden sollte. Darüber hatte die Crew den Flughafen schon vier Stunden vor der Landung informiert. Ein Krankenwagen sollte bereitgestellt werden. Durch die Anweisung des Lotsen wurde die Cockpitbesatzung aus vier Piloten einem „zeitlichen Stress ausgesetzt“, heißt es im Abschlussbericht der Untersuchungsbehörde. „Die nachfolgenden Handlungen der Besatzung waren unkoordiniert und führten zu einem Verlust des Situationsbewusstseins.“
Dass der Lotse des Flughafens die Anweisung zum Sinkflug gab, sei nicht nötig gewesen, da keine medizinische Notlage vorlag, kommt die Behörde zwar zum Schluss.Doch die Crew schätzte laut Bericht die tatsächliche Position des Flugzeugs in der Folge falsch ein. Es folgten Fehler in der Eingabe der neuen Wegpunkte für den Gleitanflug in das System des Flugzeugs. Die vorgegebene Route auf die Südlandebahn wurde dadurch erst nach oben durchflogen, anschließend mit hoher Sinkrate unterflogen. „Die Piloten erkannten die Bodenannäherung nicht“, heißt es im Untersuchungsbericht.
Der Co-Pilot, der den Landeanflug unternahm, brach schließlich erst die Landung in nur noch gefährlich niedriger Flughöhe ab und startete durch. Nach einer Schleife um den Flughafen klappte der Anflug im zweiten Versuch und die Maschine setzte ohne Probleme auf. Verletzt wurde dabei niemand.
Lesen Sie auch: Ostwind treibt immer häufiger Jets über die Dächer
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung stuft den Vorfall nach wie vor als „schwere Störung“ ein. In einer anschließenden Befragung gaben die Piloten gegenüber der Behörde keine Erklärung ab. Auch nicht dazu, warum der Co-Pilot etwa vom Kapitän nicht darauf hingewiesen wurde, dass sich die Maschine nicht auf der vorgesehen Anflugroute befand und zu steil sank. Ein Rätsel bleibt auch der Umstand, dass von den zwei weiteren zusätzlichen Co-Piloten, die sich auf dem Flug im Cockpit befanden, keiner erkannte hatte, dass das Flugzeug während des Anflugs zu tief war. Die Experten der Bundesstelle bescheinigen „Mängel in der Kommunikation und der Zusammenarbeit innerhalb der Cockpitbesatzung“. Auch nach dem Durchstartemanöver habe keine Fehleranalyse seitens der Piloten stattgefunden, so wie es eigentlich hätte sein müssen.