Therapeutisches Reiten: Wirkung auf den ganzen Körper

Ulrike Beudt wird mit dem Lifter auf Kuba gehoben. Trainerin Carmen Stowasser hält das Pferd. Foto: Jens Etzelsberger
© Jens Etzelsberger

Ulrike Beudt nimmt beim Therapeutischen Reiten im Rüsselsheimer Reitsportverein teil und weiß als Medizinerin, wie effektiv dies ist. Ihre Erfahrung mit der Reittherapie.

Anzeige

RÜSSELSHEIM/ FRANKFURT. Mit einem Lifter wird Dr. Ulrike Beudt, eine der erwachsenen Therapieteilnehmer, auf Pferd Kuba gehoben. „Es ist nicht angenehm, aber anders komme ich nicht hoch“, lacht die 63-Jährige. Seit einem Operationsfehler war sie lange Zeit gelähmt. Mittlerweile kann sie wieder laufen, leidet aber noch immer unter den Folgen. Daher geht sie zur Reittherapie beim Rüsselsheimer Reitsportverein. Früher hat sie die Reittherapie ihren Patienten selbst empfohlen, als sie noch als Kinderärztin und Genetikerin praktizierte. „Die Reittherapie ist extrem effektiv als Ergänzung zu anderen Therapien“, hat die Frankfurterin Ulrike Beudt schon früh erkannt und hätte es oftmals gerne verschrieben – doch die Reittherapie ist bei vielen Krankenkassen als Leistung nicht anerkannt.

Viele Jahre hat sie als Oberärztin in der Frankfurter Uniklinik gearbeitet und war beruflich auch in den USA unterwegs. In Frankfurt war ihre Praxis für Humangenetik, die sie im Jahr 1995 eröffnete, damals eine Besonderheit. Mit einem an die Praxis angeschlossenen Labor hat sie sich unter anderem auf die Diagnose und den Umgang mit Behinderungen spezialisiert. Vor allem Eltern haben sie aufgesucht, um sich über die Behinderung ihres Kindes zu informieren und sich genetisch beraten zu lassen. „Dabei geht es nicht nur ums Benennen der Krankheiten, sondern darum zu wissen, wie man damit umgehen kann“, sagt die Medizinerin, die sich im Ruhestand befindet.

Eine Therapieform für den ganzen Körper und für verschiedene Krankheitsbilder stelle dabei das Therapeutische Reiten dar: Dieses habe unter anderem eine entspannende Wirkung auf die Muskeln und fordere sie doch zugleich. So können beispielsweise schlaffe Muskeln Stück für Stück aufgebaut werden oder bei neurologischen Krankheitsbildern mit Spastik, wie zum Beispiel Multiple Sklerose (MS), die Muskeln gelockert werden. Der Gang des Pferdes im Schritt bewege den Körper genauso, als ob er normal laufen würde, was eine besondere Wirkung für gehbehinderte Menschen habe, sagt Ulrike Beudt. Die Wirbelsäule wird bewegt und richtet sich durch den Sitz auf dem Pferd auf.

Anzeige

Auch die Wärme, die vom Pferd ausgeht, wirkt entspannend und lindernd, beispielsweise bei Spastiken, zählt die Ärztin auf. Zudem trage der Umgang mit dem Pferd wie zum Beispiel bei autistischen Kindern zur Kontaktfähigkeit bei. Auch Selbstbewusstsein und -vertrauen werden gestärkt – laut Beudt ein einmaliger Nebeneffekt. Dabei spiele nicht nur das Sitzen auf dem Pferd eine Rolle, sondern auch das ganze Drumherum wie das Pferd aus der Box holen, durch die Halle führen und das Putzen nach dem Reiten.

Eine solche Reittherapie ist effektiver als so manch andere teurere Methode. Bisher sei diese Therapieform aber noch nicht im Leistungskatalog vieler Krankenkassen enthalten. Nach Beudt ein großer Fehler: „Das sollte unbedingt Kassenleistung werden“, ist ihre Empfehlung. Besonders nachdem sie den Effekt an sich selbst gespürt hat. Die ersten Wochen sei sie noch mit dem Rollator zum Therapeutischen Reiten gekommen. Nach den ersten Monaten ging das schon ohne, berichtet sie. Damit das so bleibt, kommt sie weiterhin wöchentlich von Frankfurt in den Rüsselsheimer Reitstall.