Die gehandicapte Laura Schlick hat beim RSVR einen Job gefunden. Foto: Vollformat/Volker Dziemballa
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RÜSSELSHEIM - , Einfach raus an die frische Luft, mit Pferden arbeiten, den Stall misten und Reitlehrerin Carmen Stowasser zur Hand gehen will die 23jährige Laura Schlick. Das Arbeiten in einem Büro oder überhaupt in geschlossenen Räumen wäre nichts für die junge Frau, die nach zweijährigem Praktikum seit vergangenem Dezember eine feste Anstellung im Reitsportverein Rüsselsheim (RSVR) bekommen hat. Sie liebt Herausforderungen, besonders wenn diese körperlich anstrengend sind.
Zutrauen mit Pferden und durch Pferde
So eine Arbeit hat die leicht Gehandicapte schon immer gesucht. Der RSVR hat bekanntlich sein Augenmerk auf das Therapiereiten gelenkt, das Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit gibt, durch geschultes Personal das Zutrauen mit Pferden und durch Pferde zu lernen. Warum also nicht auch eine geeignete junge Frau anstellen, die sich nichts sehnlicher wünschte, als den erlernten Tätigkeiten bei den Werkstätten für Behinderte (WfB) in Königstädten den Rücken zu kehren.
Dort, so erzählte Laura, habe sie vieles gelernt, habe verschiedene Abteilungen durchlaufen, vom Küchendienst bis zum Herstellen von Sicherungsgurten für Fluggepäck oder in der Verpackung und Montage. Bei der WfB habe sie nach wie vor ihre Festanstellung. Doch schon da war ihr klar, dass sie ein „Draußenmensch“ ist. Daher war also neben der Ausbildung in der WfB eine ihrer Stationen vor dem RSVR die Fasanerie in Groß-Gerau, wo sie ebenfalls bei Wind und Wetter für Ordnung und Sauberkeit sorgte. Später hatte sie ihre Betreuerin auf ihren Traumberuf angesprochen und noch ein Telefonat mit Vorsitzenden Cora Feldmann später war klar: Sie durfte in den Stall.
FESTANSTELLUNG
Bei der WfB hat Laura nach wie vor ihre Festanstellung, der Reitsportverein entlohnt die junge Frau mit einem Taschengeld. Bei der Prüfung zum Reitabzeichen musste Laura theoretische Kenntnisse über Pferdepflege und Haltung beweisen und ohne Longe oder Führzügel reiten.
Ihr wichtigstes Arbeitsmaterial sind Respekt vor den Tieren und ihre Handschuhe. (nat)
Gerade ist Laura dabei, das Stroh für die Pferde vorzubereiten. Mit einer Mistgabel wirft sie gekonnt aus der Hüfte eine riesige Portion in die bereitgestellte Schubkarre, damit sie während des laufenden Reitunterrichts die Boxen neu befüllen kann. Die beiden „älteren Modelle“ Taiga und Ati, die beiden Shettys draußen am Eingang zum Stall bekommen allerdings besondere Behandlung. „Ati ist schon 27 Jahre alt und Taiga sogar Jahrgang 1970“, weiß Laura zu berichten. Und weil in diesem Alter die Zähne nicht mehr so gut sind, brauchen sie Spezialfutter, sogenannte Heucobs, die in Wasser eingeweicht werden müssen. Dafür ist Laura ebenso zuständig, wie für das Entfernen der Pferdeäpfel aus den Boxen oder vom Reitgelände, wie für die Reinigung der Wasserbottiche. „Wenn Carmen Hilfe braucht, gehe ich ihr ebenfalls zur Hand“, meinte sie selbstbewusst.
Sie kann sich noch genau an ihren ersten Arbeitstag im August 2016 erinnern. Damals sei sie sehr aufgeregt gewesen, aber nach einem Tag einarbeiten und dem Kennenlernen der Reitschüler und Angestellten habe sie gewusst: hier macht es mir Spaß. Mit einem guten Gefühl sei sie abends zwar erschöpft, aber glücklich ins Bett gefallen. Ihrem Selbstbewusstsein habe es neuen Auftrieb gegeben, denn mittlerweile traue sie sich auch an die etwas schwierigeren Fälle heran. „Wenn ein Pferd einmal nicht richtig pariert, muss ich auch mal energisch werden“, lächelt sie.
Für alle Aufgaben, mit denen sie betraut ist, bekommt sie so viel Zeit, wie sie braucht. Allerdings vergisst sie manchmal vor lauter Euphorie, Pause zu machen, besonders wenn es um das korrekte Aufsetzen des Misthaufens geht. Das ist eine Kunst für sich, weil der Mist nicht nur auf einen Haufen geworfen werden kann. „Man muss den auch festtreten und Stufen einbauen, damit man höher kommt und nicht so viel Kraft braucht“.
Obwohl das polnische Warmblut Kuba mit einem Stockmaß von mehr als einem 1,60 Meter ihr Liebling ist und sie mit ihm das Reitabzeichen bekommen hat, hält sie Beruf und Hobby strikt auseinander. „Reiten gehe ich in Kriftel“. Beim Putzen von Kuba kämmt sie sorgsam jeden Krümel aus seinem Fell, damit der Sattel nicht scheuert. Und weil sie jetzt genug erzählt hat, zieht sie sich wieder ihre Handschuhe an und wendet sich wieder dem Misthaufen zu.