RÜSSELSHEIM - Umdüstert, zunächst nur als rötlicher Schimmer wahrnehmbar, hat das Objekt der Begierde von Teleskopen, Kameras und Smartphones sowie des bloßen Auges am Freitagabend seinen 103-minütigen „Auftritt“ am Firmament eingeleitet. „Da isser!“, ruft jemand aus der Menge auf dem Gelände der Rüsselsheimer Sternfreunde: Mondfinsternis, auch Blutmond genannt.
Längste Mondfinsternis im 21. Jahrhundert
Gebannt blicken die astronomischen Nachtschwärmer auf dem Areal südlich des Autobahnanschlusses Mitte allesamt in eine Richtung. Umliegende Feldwege sind zugeparkt, Menschen dazwischen, die das beginnende Schauspiel verfolgen. „Jetzt im Flugzeug sitzen...“, hört man sagen. Leise frühabendliche Befürchtungen des Vize-Vorsitzenden der 60 Mitglieder zählenden Sternfreunde, Horst Tremel, eine heraufziehende Wolkenwand könnte das Ereignis am Ende vereiteln, sind gegenstandslos geworden.
Sternfreunde sehen diese totale Mondfinsternis als eines der großen astronomischen Ereignisse des Jahres, gar als die längste ihrer Art des 21. Jahrhunderts. Auf dem Vereinsgelände gehört das wissenschaftliche Darumherum gewissermaßen zum Standardwissen: Der Mond geht in Mitteleuropa während dieser partiellen Phase gegen 21 Uhr auf. Daher kann die Totalität bis kurz nach Mitternacht verfolgt werden. Er wandert dabei „errötend“ in den Kernschatten der Erde. Grunde für die „Errötung“: Durch Brechung und Streuung des Sonnenlichtes in der Erdatmosphäre wird der Kernschatten aufgehellt.
LANGE WARTEN
Übertroffen wird die zurückliegende Mondfinsternis-Dauer erst am 9. Mai 2123. Für dieses Datum sind 105 Minunten vorausberechnet. Übrigens bekommen die Bewohner Nordamerikas, vieler pazifischer Inseln und der Gebiete nördlich des Polarkreises nichts von dem Himmelsschauspiel mit. (cll)
Aber auch nach diesem nächtlichen Spektakel wird es den Sternfreunden nicht langweilig. „Wir sind eine rege Gruppe“, berichtet Vereins-Urgestein Tremel, dem einst als Kind ein aufmerksamer Volkschullehrer den Weg zu den Sternen gewiesen hat. Man fotografiert im Vogelsberg-Gebiet Sterne, Planeten, Gasnebel und Galaxien. „Dabei gibt es auch immer wieder Überraschungen.“ Etwa? „Vor 40 Jahren hat einer mit einer Tiefkühlkamera eigentlich unsichtbare Gasnebel entdeckt und fotografiert.“ Oder man beteiligt sich mit Kameras und Messgeräten, die Sauerstoffgehalt und Ozon erfassen, als Partner der Hochschule Rhein-Main an Ballonstarts zum Zwecke der Stratosphärenforschung bis in 40 Kilometer Höhe.
Mit einem Augenzwinkern relativiert Horst Tremel das Urgewaltige des Mondes, dem die Menschen zu allen Zeiten verfallen sind: „Der Mond hat einen Durchmesser von 3478 Kilometer.“ Aber: „Man kann ihn sechsmal hinter dem ausgestreckten und peilenden Daumen verstecken.“