Rüsselsheimer Schultüten: Weniger Süßes, mehr Nützliches
Schultüten gehören nach wie vor bei vielen Schülern zum Tag der Einschulung - auch in Rüsselsheim. Eine kurze Umfrage zeigt: Es ist immer weniger Süßes drin, dafür andere Dinge.
Von Michaela Kriewitz
Lokalredakteurin Main-Spitze
Viele Kinder bekommen zur Einschulung eine Schultüte.
(Archivfoto: dpa)
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RÜSSELSHEIM - Vorsichtig wickelt die sechsjährige Aalyah das Band ihrer Schultüte ab und lunzt hinein. Ihre Augen werden ganz groß, als sie den Inhalt erspäht: „Das habe ich mir gewünscht“, ruft sie freudestrahlend ihrer Mutter Rachida Stechmann zu und zieht ein rosafarbenes Freundebuch heraus. Die Überraschung ist offensichtlich geglückt.
„Die Einschulung ist ein besonderer Tag – da gehören auch Schultüten dazu“, sagt der Leiter der Grundschule Innenstadt, Jan Klein. Doch mit einem Blick über den Pausenhof fügt er hinzu: „Die Tüten haben aber keinen Pflichtcharakter.“ Bei 75 Abc-Schützen sind längst nicht so viele der spitzen Behältnisse im Hof zu sehen.
Ritual weckt Erinnerungen bei den Eltern
Dort passen die Eltern auf die bunten Tüten auf, während die Erstklässler im Innern des Gebäudes ihre erste Unterrichtsstunde erleben. Ein besonders kreatives Exemplar hütet Mutter Jana Bastian für ihren Sohn Justus. Der Sechsjährige hat sich als großer Sams-Fan – natürlich – auch eine Schultüte in Gestalt des orangehaarigen Geschöpfes im Taucheranzug gewünscht. Mama Jana hat sie extra für ihren Sohn nähen lassen, samt knubbeliger Schweinchennase und strubbeligen Haaren. Auf einen Papprohling ist der Stoff aufgezogen und bildet so die typische Kegelform. Auch nach dem großen Tag soll das Objekt weitergenutzt werden: „Wir wollen den Stoff füllen und daraus ein Kissen machen“, sagt die Mutter.
723 Kinder eingeschult
In den Rüsselsheimer Grundschulen sind 723 Kinder eingeschult worden. 685 davon besuchen die 1. Klasse oder eine Eingangsstufe, 38 eine Vorklasse.
90 Kinder hat die Albrecht-Dürer-Schule in der 1. Klasse empfangen, an der Goetheschule sind es 62 und 74 an der Grundschule Hasengrund. An der Grundschule Königstädten sind 106 Kinder eingeschult worden und 51 an der Otto-Hahn-Schule.
In der Georg-Büchner-Schule gehen nun 60 Kinder in die 1. Klasse, 50 in die 1. Eingangsstufe und zwölf in die Vorklasse. An der Eichgrundschule besuchen 50 Kinder die 1. Klasse und 19 die 1. Eingangsstufe.
Die Grundschule Innenstadt hat 75 Erstklässler und 16 Vorklässler. An der Schillerschule sind 48 Kinder in die 1. Klasse eingeschult worden und zehn in die Vorklasse. (mkr)
Wichtig ist aber nicht nur das Äußere, sondern auch der Inhalt: Jana Bastian, die selbst Grundschullehrerin ist, hat für Justus eine Überraschung zusammengestellt. Neben wenigen Süßigkeiten findet sich darin unter anderem eine Trinkflasche, das Buch „Der Ernst des Lebens“, ein Kartenspiel, Seifenblasen und weitere Kleinigkeiten.
Reich gefüllt hatte Mutter Kenza Rezgui die Tüte für ihren Sohn Zakaria: „Seine Lieblingssüßigkeiten, Spielsachen und Dinge für die Schule“, zählt sie auf. Alles verpackt in einer von ihr selbst gebastelten blauen Tüte mit bunten Buchstaben. Etwa 45 Euro habe sie der Inhalt und die Gestaltung der Tüte gekostet – der Füller sei dabei das teuerste Geschenk. Doch das sei es wert gewesen: „Er war ganz stolz mit seinem Ranzen und seiner Schultüte“, berichtet die Mutter.
Aufheben wird die Familie die Tüte wahrscheinlich nicht. „Die wird nicht lange halten“, schätzt Mutter Rezgui mit Blick auf den Karton. Deswegen mache sie während der Einschulung viele schöne Fotos zur Erinnerung.
Es muss nicht immer neu sein
Die gebrauchte Schultüte seines Cousins hat der sechsjährige Erik übernommen. „Die war noch wie neu“, sagt Mutter Gloria März-Marino. „Ich habe ihn gefragt, ob er die gebrauchte Schultüte möchte, eine neue oder eine selbst gebastelte. Er war mit der Gebrauchten zufrieden – darauf bin ich sehr stolz.“ Mit ein paar Stickern hat die Mutter die Roboter-Tüte noch etwas verfeinert und sie mit seinem Namen versehen. Den Inhalt durfte sich der Erstklässler zuvor selbst aussuchen: Seine Wahl fiel unter anderem auf eine Dino-Figur und ein Freundebuch. „In meiner Heimat gab es so etwas nicht“, sagt März-Marino, die ursprünglich aus Peru kommt. Den Brauch der Schultüten findet sie ein bisschen übertrieben. „Es ist einfach zu viel. Die Kinder wissen gar nicht, mit was sie spielen sollen“, sagt sie. Aber: „Hier gehört das halt dazu.“
Wenige Süßigkeiten, dafür viele nützliche Sachen für die Schule hat Mutter Rachida Stechmann in Aalyahs Einhorn-Tüte gepackt. An ihre eigene Einschulung in die Grundschule Innenstadt denkt sie gerne zurück._„Das sind schöne Erinnerungen“, sagt sie. „Ich hatte eine gelbe geriffelte Tüte.“ Für ihre Tochter möchte sie die von der Oma gebastelte Einhorntüte aufheben. „Vielleicht macht Aalyah irgendwann Abitur und braucht sie dann für eine Motto-Woche noch einmal.“