Gebaut und betoniert wird allerorts, Folge sind steigende Temperaturen und sinkendes Grundwasser. Der Nabu warnt vor gravierenden Folgen. So will Rüsselsheim das Problem bekämpfen.
RÜSSELSHEIM. Es wird gebaut und betoniert. Folge der betonierten Flächen: Hitze und Trockenheit setzen wochenlang Mensch und Natur zu, im Kreis versiegen Bäche, weil ihnen das Wasser fehlt. Und wenn es, wie vor wenigen Tagen, dann plötzlich stark regnet, laufen Abwasserkanäle über. Entsiegelung von Flächen kann helfen. Was wird in Rüsselsheim bereits getan?
„Grundsätzlich befürwortet die Stadtverwaltung alle Entsiegelungsbemühungen“, sagt Stadtsprecher Asswin Zabel. Ein übergeordnetes oder generell verbindliches Entsiegelungskonzept existiere bislang nicht. Das soll sich in Zukunft aber ändern.
In Stadtgebieten ist es deutlich wärmer
„Es ist nicht genug, was wir tun“, betont Bernd Petri, Vorsitzender des Nabu Kreisverbands Groß-Gerau. „Die Flächenversiegelung im südhessischen Raum ist enorm.“ So gebe es beständig Flächenverlust durch Gewerbeflächen, Logistikhallen oder Verkehrswege, so der Biologe und Naturschützer.
Ehemalige Hallen und Industriebauwerke lasse man stehen. Diese heizten sich auf und erhöhten die Temperatur des Mikroklimas. Die Folge: „Es wird höllisch heiß.“ In Stadtgebieten sei es gegenwärtig zwei bis drei Grad wärmer als in Naturgebieten. Im Sommer bedeute das eine erhöhte Sterblichkeit bei älteren und geschwächten Menschen, so Petri.
Gefährdet ist auch das Grundwasser. Denn Regenwasser, das nicht versickert, fehlt seinerseits dem unterirdischen Wasservorrat, in Bächen und Flüssen. Wenn Wasser auf Betonflächen, etwa Parkplätze, regnet, kann es kaum versickern, sondern fließt in die Abwasserkanäle, erklärt Petri: „Das muss dringend geändert werden. Wasser muss in Flächen laufen, wo es als temporärer See stehen kann. Böden brauchen Versickerungsflächen, damit Wasser nicht gleich wegfließt.“ Mancher Einkaufspark, wie etwa der Helvetia-Park in Büttelborn, habe bereits Wasserpolder.
Stadt prüft bei Neuplanungen die Entsiegelung
In Rüsselsheim werden offene Böden auch ohne verbindliches Konzept bereits berücksichtigt, so Stadtsprecher Zabel. Dafür prüfe die Stadt bei allen Neuplanungen oder Umplanungen im Hoch- und Tiefbaubereich, ob diese Flächen dauerhaft entsiegelt und begrünt werden können. Voraussetzung sei, dass der Untergrund eine Entsiegelung und Begrünung hergibt, so Zabel. Dazu würden beispielsweise Leitungsabfragen gemacht. Dort, wo es nicht möglich sei, eine Fläche zu entsiegeln, werde geprüft, ob sich nicht mehr benötigte Flächen für umweltfreundliche Mobilität nutzen lassen. Diese können beispielsweise für Fahrradabstellanlagen genutzt werden.
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Ansonsten habe die Stadt auch den Hebel, über Bebauungspläne das Maß der Versiegelung festzulegen, so Zabel. „Als Beispiel ist das Neubaugebiet Eselswiese zu nennen, wo im derzeit öffentlich ausliegenden Rahmenplan Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung, zusammenhängende öffentliche Grünflächen und Vorgaben zu privaten Gärten vorgesehen sind.“
Einen Beitrag zur Entsiegelung könnten auch private Grundstücksbesitzer leisten, sagt Petri. „Kommunen und der Landkreis sind gefordert, aufzuklären. Keine Steingärten, genug größere Bäume, mehr Beschattung“ unterstützten die Bodenqualität. „Nicht alle drei Tage den Rasen mähen, damit Wasser nicht gleich verdunstet“, rät der Umweltschützer.
Gravierende Folgen für die Region
Petri warnt, dass das Problem nicht nur den urbanen Raum betonierter Flächen, sondern die gesamte Region betrifft. Es gebe eine zunehmende Versteppung im hessischen Ried. Ursprünglich sei das Ried eine Sumpflandschaft gewesen, die durch Nebenarme des Rheins gebildet wurde, erläutert Petri. Seit dem Generalkulturplan Hessisches Ried von 1929 werde auf Entwässerung abgezielt. Es gebe immer noch Entwässerungsgräben, erläutert Petri, der Grundgedanke sei immer noch: „Wenn Wasser da ist, muss es weg.“
Noch gibt es kein verbindliches Regelwerk für Bebauungsflächen, aber das soll sich in Zukunft ändern, berichtet Zabel. Die Aufstellung einer Gestaltungssatzung „Freiraum und Klima“ sei bereits in Planung. Diese soll die Nutzung, Gestaltung und Bepflanzung von Grundstücksfreiflächen und die Begrünung baulicher Anlagen in klimaangepasster Form sicherstellen. Dies betreffe auch das Thema Schottergärten, so Zabel.
„Aber auch ohne rechtliche Verpflichtungen können natürlich auch Privatpersonen ihren Beitrag zur Entsiegelung leisten“, betont Zabel, „denn grundsätzlich sollten auf Grundstücken nur die notwendigen Flächen versiegelt werden.“
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