Die Pferde beim Reitsportverein Rüsselsheim müssen ruhig, nicht schreckhaft und sehr personenfixiert sein. Foto: Reitsportverein
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RÜSSELSHEIM - Vor etwa fünf Jahren fasste der Reitsportverein Rüsselsheim (RSV) den Entschluss, keine Privatpferde mehr im Verein anzunehmen. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass der Verein sich auf den Schulbetrieb und vor allem das therapeutische Reiten konzentrieren wollte. Als mutig bezeichnet die Vorsitzende Cora Rothenstein diese Entscheidung heute, doch sie habe sich als die richtige herausgestellt. Schließlich könne sehr vielen psychisch oder physisch Erkrankten geholfen werden. Mittlerweile kommen zusätzlich zu den 80 „normalen“ Reitschülern noch etwa 80 Therapiereiter wöchentlich in den Stall. Die Beeinträchtigungen seien dabei ganz unterschiedlicher Art.
Zum Teil gibt es undenkbare Entwicklungen
Inwiefern das Reiten bei den verschiedenen Erkrankungen hilft, beschreibt Rothenstein an zwei Beispielen. „Autisten brauchen klare Strukturen und haben meist ein großes Problem mit Nähe. Über die Pferde haben sie direkten körperlichen Kontakt zu einem anderen Lebewesen und lernen hier diese Nähe zuzulassen. Später übertragen sie das dann auch auf Menschen.“ Als weiteres Beispiel führt Rothenstein Menschen an, die nicht laufen können. Darunter leide nicht nur die Muskulatur der Beine, sondern auch die des Oberkörpers. Da die Bewegung des Pferdes die Gehbewegung des Menschen simuliere, würden beim Reiter die gleichen Muskeln wie beim Laufen stimuliert, erklärt Rothenstein. Zum Teil sehe man über die Jahre zuvor undenkbare Entwicklungen. „Man erlebt hier ganz tolle Momente. Da geht einem schon das Herz auf.“, schwärmt auch Anke Lorig, die Pressewartin des Vereins.
Weiter betont sie, dass der Verein die Gehandicapten weitestmöglich unterstütze, sei es im finanziellen oder zwischenmenschlichen Sinne. Da sei auch die Inklusion der Therapiereiter in den normalen Reitunterricht sehr wichtig. „Es gibt hier keine Abgrenzung, die Therapiereiter gehören einfach dazu“, stellt Lorig klar. Und Rothenstein fügt hinzu: „Wer damit ein Problem hat, der passt nicht zu unserem Stall.“
FÜR GUTEN ZWECK
Am Samstag, 16. September, geben die „HighKnees“ ein Benefizkonzert zugunsten des therapeutischen Reitens.
Das Konzert findet auf der Anlage des Reitvereins in der Darmstädter Straße statt. Einlass ist um 18 Uhr, die Karten kosten im Vorverkauf 8 Euro und an der Abendkasse 10 Euro.
Von dem eingenommenen Geld soll ein sogenannter Lifter gekauft werden, mit dem körperlich Beeinträchtigte auf das Pferd gehoben werden können. Bisher werden zum Teil drei Personen benötigt, um die Beeinträchtigten auf das Pferd zu heben. (red)
Die Entscheidung, keine Privatpferde mehr anzunehmen, habe jedoch noch einen weiteren Effekt. Der Rüsselsheimer Reitsportverein sei kein Stall, in dem es rein um reiterische Erfolge gehe. So etwas gebe es nicht allzu häufig. „Hier im Stall fällt sicher kein Satz wie ‚Ich brauche ein neues Pferd, aus dem alten bin ich rausgewachsen‘. Die Pferde sind hier keine Gebrauchsgegenstände, sondern wie unsere Kollegen“, betont auch Anke Lorig. Momentan stehen im Stall des Vereins 21 Pferde. Sieben davon sind speziell für die Therapiereiter ausgebildet. Die Ausbildung der Pferde übernimmt der Verein selbst. Dafür müssen zunächst die Grundvoraussetzungen beim Pferd gegeben sein. So müsse das Pferd unter anderem sehr ruhig, nicht schreckhaft und vor allem sehr personenfixiert sein. Schließlich müsse das Tier allein auf den Longenführer achten. Die hilfsbedürftigten Reiter könnten ihm nämlich meist keine klaren Anweisungen geben, stellt Lorig dar. Doch auch wenn die Voraussetzungen stimmen, sei die Ausbildung noch ein langer Weg. Manchmal dauere sie nur wenige Monate, in manchen Fällen jedoch auch mehrere Jahre.
Lorig und Rothenstein erklären auch, dass der Verein die Anlage selbst unterhalte, da sie keinen Besitzer habe. Da sei die Finanzierung schon eine größere Aufgabe. Spenden, Sponsoren, das jährliche Turnier oder Benefizkonzerte tragen zur Finanzierung bei. „Da muss dann auch jeder hier im Stall mit anpacken.“