Ein Vorhaben von PSA-Chef Tavares mit dem Titel „Darwin“ sorgt bei Opel für Stirnrunzeln. In der Autoindustrie muss man seiner Ansicht nach „Darwinist sein, um zu überleben“.
Von Ralf Heidenreich
Leiter Redaktion Wirtschaft
PSA-Konzernchef Carlos Tavares vor dem Opel-Logo.
(Foto: dpa)
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RÜSSELSHEIM - Der Opel-Betriebsrat steckt mitten in den Verhandlungen zur weiteren Sanierung des Rüsselsheimer Autobauers, da sieht die Arbeitnehmervertretung weiteres Ungemach auf die Belegschaft zukommen. Der Gesamtbetriebsrat fordert einer internen Mitarbeiterinformation zufolge, vom Arbeitgeber „umfassend über das von ihm offenbar beabsichtigte Vorhaben ‚Darwin‘“ informiert zu werden.
Was steckt dahinter? Am Ende gar ein neues Restrukturierungsprogramm für den gesamten PSA-Konzern, wie es derzeit über die Opel-Flure wabert? „Es geht hier nicht um ein konkretes Programm oder Projekt über einen bestimmten Zeitraum und mit detaillierten Maßnahmen. Vielmehr geht es um eine Grundhaltung, eine Grundausrichtung, die auf allen Ebenen des Gesamtkonzerns gelebt werden soll“, erklärte ein Opel-Sprecher.
Was hat der Rüsselsheimer Autobauer mit dem Naturforscher Charles Darwin zu tun? Die Antwort dazu liegt bei Carlos Tavares. Der PSA-Chef sieht sich und sein Unternehmen in einer chaotischen Welt, die sich rasend schnell verändert. In der Autoindustrie müsse man „Darwinist sein, um zu überleben“, sagte Tavares jüngst in einem Interview. „Wir fürchten nichts, denn wir haben einen darwinistischen Ansatz: Entweder man passt sich an oder man verschwindet. Wir haben die mentale Kraft, uns zu wandeln. Wir sind Leistungspsychopathen“, so Tavares.
Die Welt als Chaos, in dem man überleben muss
Wenn es um seine Haltung als Manager geht, zitiert PSA-Chef Carlos Tavares gerne den Naturforscher Charles Darwin:_„Nicht die stärkste oder intelligenteste Spezies überlebt, sondern die, die sich besser an Veränderungen anpasst.“ Diese Erkenntnis überträgt Tavares auf die Automobilindustrie. „Man muss Darwinist sein, um zu überleben. Um zu wissen, wie man dem Chaos begegnet“, sagte er einmal bei einem Interview.
Die Welt als Chaos. Mittendrin PSA und Opel. „Sie müssen sich an eine Welt anpassen, die sich sehr schnell verändert, und das tun wir bei PSA“, so Tavares. Für ihn ist die Suche nach Verbesserung, nach mehr Effizienz und Flexibilität sowie höherer Rentabilität ein beständiger Prozess, der sich nicht nach der Dauer beispielsweise eines Restrukturierungsprogramms richtet. Man dürfe niemals nachlassen, „um uns vor den Problemen zu schützen, die die Schwächsten erwarten“. Das erwartet er auch von der Belegschaft.
Im konkreten Management-Alltag heißt das: Benchmarking – also der Vergleich von Prozessen, Standorten und Zielen intern sowie extern – werde es immer geben, so Tavares. Um zu wissen, wo das Unternehmen noch besser und wettbewerbsfähiger gemacht werden könne. Wobei er „die notwendigen Entscheidungen“ auf möglichst humane Weise treffen werde – „und natürlich nach vorheriger Diskussion mit den Sozialpartnern“.
PSA-Sanierung als Blaupause für Opel
Das Chaos hat für ihn drei Namen:_Brexit, CO2 und Elektrifizierung. Im Oktober haben sich die EU-Umweltminister darauf geeinigt, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von Neuwagen von 2020 bis 2030 um 35 Prozent zu senken. Doch das EU-Parlament will mehr – und votierte für eine Senkung von 40 Prozent. In den Augen von Tavares ist das verrückt. „Sind die EU-Abgeordneten gut über die Auswirkungen dieser Kürzungen informiert? Allein auf dem europäischen Kontinent leben 13 Millionen Menschen von der Automobilindustrie.“
Die Branche wird notwendigerweise auf Elektromobilität umschwenken, „wobei die eigentliche Verschiebung zwischen 2025 und 2030 stattfinden wird“, so Tavares. „Wir glauben an die Elektrifizierung, weil wir dazu aufgefordert wurden“. Die Anpassung als zentrales Element.
Wie der Top-Manager seinen Darwinismus im Unternehmen umsetzt, hat er bei PSA gezeigt. Als Tavares vor vier Jahren beim französischen Konzern anheuerte, stand der vor der Pleite. Er gab sich vier Jahre Zeit zur Sanierung. Gebraucht hat er zwei. 2017 war PSA bereits einer der profitabelsten Autokonzerne Europas.
Um die PSA-Modelle endlich mit Profit verkaufen zu können, setzte er zu Beginn eine Reihe von Maßnahmen auf. Er strich das Modellprogramm zusammen, baute Lagerbestände ab, verabschiedete sich von der Strategie, möglichst viele Autos mit hohen Rabatten in den Markt zu drücken und fuhr die Produktion in den Werken entsprechend deutlich zurück. Der dafür notwendige Stellenabbau wurde über Abfindungs- und Vorruhestandsmodelle vorangetrieben. Für Tavares ist das die Blaupause für Opel.