Die Bäckerei Hofferberth wird an den neuen Inhaber übergeben. Das Foto zeigt (von links) Marion Hofferberth, Marius Blöcher (neuer Besitzer) und Kurt Hofferberth. Foto: Vollformat/Volker Dziemballa
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RÜSSELSHEIM - Er heißt Marius Blöcher, ist gerade 26 Jahre alt geworden, Bäckermeister und seit Jahresbeginn Inhaber der Bäckerei Hofferberth. Kurt und Marion Hofferberth haben die GmbH in der Haßlocher Straße an ihn verkauft und ihm – wie sich selbst – damit einen Wunsch erfüllt. Ihre beiden Töchter möchten die angesehene Firma, die 1910 von Georg und Katharina Hofferberth gegründet wurde, nicht in sechster Generation übernehmen. Das Erbe scheint den Nachfahren bei Marius Blöcher in guten und sicheren Händen. Seit 2010 gehörte er zum 17-köpfigen Team (fünf in der Backstube, zwölf schichtweise im Verkauf). So wie er Kollegenschaft und Maschinenpark aus dem Effeff kennt, wissen Kurt und Marion Hofferberth genau, wem sie das Familienstück anvertrauen.
Zahl der Fachgeschäfte ist erheblich geschmolzen
Und Blöcher ist froh, einem ersten Wink folgend nicht woanders hingegangen zu sein, am Ende vielleicht sogar in der Backindustrie zu landen: „Wir betreiben ein Handwerk, da möchte ich den Teig auch mit meinen Händen bearbeiten können und nicht bloß Maschinen anfassen!“ Die Hofferberths sind froh, nun rechtzeitig an ihn abgegeben zu haben. Blöcher zahlt die Kaufsumme allmählich ab, Marion wie Kurt Hofferberth (und auch Tochter Anne) bleiben bis auf Weiteres unterstützend im Team, lassen also Stück um Stück ganz los. Die Produktpalette wird ebenso wie der eingeführte Name erhalten. „Kunden spüren kaum etwas von diesem Übergang“, sind sie gewiss.
„Nein, der normale Weg ist das ganz und gar nicht“, berichten sie mit Blöcher wie aus einem Munde. „Normalerweise macht der Bäcker dicht, wenn er sich in reiferem Alter zurückziehen will und sich kein Nachkomme um die Nachfolge bemüht“, beschreibt der frischgebackene Chef die Lage auf dem Markt. Und die Hofferberths stimmen ein. Früher habe es in Rüsselsheim zehn Bäcker gegeben. Und einen Kegelclub, auf dass die Wettbewerber die Konkurrenz nicht auf die Spitze treiben, sondern einander mitmenschlich gewogen bleiben sollten. Inzwischen habe man so viel Umsatz an Supermärkte und Aufbackbetriebe verloren, dass die Schar der Fachgeschäfte in Stadt wie Umland erheblich geschmolzen ist. Will heute jemand von außen einen Fachbetrieb übernehmen, wisse er weder genau, wie lange Ofen, Rührmaschinen und dergleichen ohne Reparaturen halten werden, noch etwas über die Hygiene-Standards und ob der Laden einen tragfähigen Kundenstamm hat.
GESCHICHTE UND ZUKUNFT
Der allmähliche Rückzug der Hofferberths aus dem geliebten Beruf findet nicht erst jetzt in Etappen statt. Der Betrieb hatte einst drei Standorte. Zuerst gab man die Filiale im Hasengrund auf, dann zunächst pachtweise das Stammgeschäft in der Bahnhofstraße. Seither konzentrierte man sich auf die Haßlocher Straße, wo auch gebacken wird. Nachfolger Marius Blöcher hat zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor, wieder zu expandieren.
Eine Zertifizierung als Bio-Bäckerei strebt Blöcher so wenig an, wie es Kurt Hofferberth tat, bei aller Liebe zu Körner-Broten und Verwendung von Bio-Getreide. Sie brächte viel bürokratischen Aufwand mit sich, was Kosten und Verkaufspreise unnötig erhöhen würde, sind sich die beiden Bäcker einig.
Marius Blöchers Lebensgefährtin wird nicht direkt mitarbeiten, steht aber als Beraterin zur Verfügung. Sie ist im Qualitätsmanagement eines IT-Unternehmens tätig. Marion Hofferberth, geborene Ende, entstammt einer Bäcker- und Konditorenfamilie und hatte vor allem als Leiterin des Verkaufsbereiches stets hohen Anteil am Erfolg des Betriebs. (mw)
Blöcher kennt dagegen diesen Betrieb sehr genau, kam 2010 als Geselle, machte seinen Meister, auf Empfehlung Kurt Hofferberths wie einst dieser in der Weinheimer Bundesakademie. Ändern möchte er zumindest erst mal gar nichts. Produktpalette und Qualität haben sich beim Publikum bewährt, wie Kurt Hofferberth hält er die Augen offen, was dann und wann hinzukommen sollte und was vielleicht stattdessen irgendwann nicht mehr so gefragt sein könnte. Der junge Meister, der als Kind mit seiner Oma erste Backerfahrungen sammelte und später nur kurz zwischen Bäcker und Koch als Beruf fürs Leben schwankte, hat auch konditorische Erfahrung, ist ein Patisserie-Fan, aber wie Kurt Hofferberth vor allem ein begeisterter Brot-Bäcker. Zwei neue Brote hat er komponiert: ein italienisches Landbrot (groß ausgezogenes rustikales Weizenbrot, von dem sich Kunden nach Bedarf mehr oder weniger viel abschneiden lassen) und ein Roggenmischbrot mit Zwiebelanteil, dem Marion Hofferberth den schönen Namen „Gaumenfreude“ geben durfte.
Wie sein Vorgänger ist auch der Nachfolger nicht in der eigenen Backstube gefangen. Während der Meisterschulungen hat Marius Blöcher Kontakte zu Kollegen aus allen Himmelsrichtungen geknüpft (die nicht Konkurrenten sind). Man trifft sich gelegentlich reihum, tauscht Rezepte aus, gibt und erhält nützliche Tipps. Der neue Chef weiß, dass er mit Übernahme eines so angesehenen Betriebs in große Fußstapfen tritt. Er zeigt Respekt, hat aber keine Angst vor dem Anspruch, den man an ihn stellt und den er schließlich als leidenschaftlicher Mann des Handwerks an sich selbst stellt, wie er immer wieder deutlich zeigt.